Der Verein Evangelische Frauenhilfe in Westfalen ist entstanden aus vielen einzelnen Gruppen von Frauen, die sich in den Kirchengemeinden zusammenschlossen, um sich gegenseitig und anderen zu helfen. Teilweise waren die Gruppen im „Evangelisch-kirchlichen Hülfsverein“ organisiert. Die Anfänge der Frauenhilfe-Arbeit liegen demnach in den örtlichen Gemeindegruppen. Dort ist bis heute der Schwerpunkt der Arbeit.

Die Gründungssituation

Als nach der Gründung der Reichsfrauenhilfe 1899 durch Kaiserin Auguste Viktoria auch der Provinzialverband Westfalen 1906 ins Leben gerufen wurde, gab es bereits viele örtliche Frauenhilfegruppen. Am 7.März 1906 wurde unter Leitung von Generalsuperintendent Wilhelm Zöllner der Provinzialverband der Westfälischen Frauenhülfe in einer Versammlung von Vertretern und Vertreterinnen aus 75 Frauengruppen Westfalens in Witten (Ruhr) gegründet. Er war der letzte von insgesamt 10 Provinzialverbänden der Evangelischen Frauenhilfe.

Antriebskraft des Verbandes waren von Anfang an ein breit gestreutes soziales Engagement und die gemeindliche Frauenarbeit. Zöllner erinnerte sich später daran, „dass die Westfalen gegenüber allen Anregungen von oben immer skeptisch gewesen seien“. Trotzdem überflügelte der neue Verband zahlenmäßig bald die anderen Provinzialverbände. Bereits 1909 gehören dem Verband 252 Vereine an. 1929 werden 155.000 Mitglieder gezählt.

Herausforderung durch soziale Fragen

Zu Anfang galt das Engagement evangelischer Frauen den Armen und Kranken, den Waisen, Gefangenen und sozial gefährdeten Menschen sowie der Bildung von Frauen. Frauen erfuhren, dass sie im Zusammenschluss einer Gruppe bzw. eines Vereins bestimmte Aufgaben erfüllen und die eigenen Belange vertreten werden konnten.

Nicht ohne Grund wuchsen die Gruppen zur Zeit der Industrialisierung Anfang des letzten Jahrhunderts besonders stark. Sie waren durch die Nöte und Veränderungen innerhalb der sozialen Struktur herausgefordert. Die Einheit von Wohnen und Arbeiten ging in den Industriegebieten verloren. Massensiedlungen und Arbeiterkolonien entstanden; Menschen aus ländlich geprägten Gebieten strömten in die Industriereviere und suchten die Fremdheit und Anonymität zu überwinden.

Frauen litten besonders unter den sozialen Belastungen, waren zur Arbeit außer Haus gezwungen; die Versorgung der Kinder war kaum zu gewährleisten.
In den Frauengruppen konnten sie miteinander bekannt werden, entwickelten nachbarschaftliche Verbindungen und es entstand eine soziale Infrastruktur. In den Frauengruppen konnten Nöte, Erfahrungen und Freuden ausgetauscht werden, Gemeinschaft konnte erlebt und Heimatgefühl entwickelt werden.

Bezirksfrauensystem

Die Struktur der Vereine und Gruppen war besonders gekennzeichnet durch das flächendeckende Netz des Bezirksfrauensystems. Bezirksfrauen machten in einem bestimmten Wohnbereich Besuche, gaben Informationen weiter, begegneten Notlagen in den Familien und konnten in enger Zusammenarbeit mit der jeweiligen Vorsitzenden des Vereins und dem Gemeindepfarrer helfend eingreifen.

An diesem engen „Nachbarschaftsnetz" hat sich im Grundsatz bis heute nichts geändert. Das Netz der Besuchsdienste und der Nachbarschaftshilfe ist heute in den Kirchengemeinden nicht mehr so dicht wie früher. Zum Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen gehören heute ca. 5.000 Bezirksfrauen.

Viele Arbeitsgebiete haben sich im Laufe der Zeit gewandelt

Die Mütter-Erholungsfürsorge wurde in den 1920er Jahren aufgebaut, später wurde sie in die bundesweite Stiftung des Deutschen Müttergenesungswerkes eingebunden. Seit 2004 werden in Trägerschaft des Landesverbandes keine Müttergenesungskuren mehr durchgeführt. Kurvermittlungen und Sammlungen werden für Westfalen jedoch durch den Verband getragen.

Die Ausbildungs- und Bildungsarbeit der Frauenhilfe wurden veränderten Ansprüchen angeglichen: In der Gründungszeit wurden junge Frauen in Wirtschaftsführung und Pflege auf ihren Hausfrauenberuf vorbereitet; heute gehören in der Frauen- und Familienbildung sowie in den staatlich anerkannten Fachseminaren berufliche Qualifizierung und Persönlichkeitsbildung zu den Kennzeichnen dieser Arbeit. Zu den wichtigsten Zielgruppen zählen nach wie vor ehrenamtliche Mitarbeiterinnen sowie Frauen im Pflegebereich.

Aus den Fürsorgeaufgaben für Nichtsesshafte und junge Mütter wurde im Ennepe-Ruhr-Kreis eine Einrichtung der Wiedereingliederungshilfe für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen. Im Märkischen Kreis entstanden Angebote für Menschen mit psychischen Behinderungen. Die Altenhilfearbeit wurde in den letzten Jahrzehnten ausgebaut.
Bewährt und konstant im Verband geblieben ist die bewusste Verbindung von Frauenverbandsarbeit, Frauenbildung und diakonischer Arbeit.