zur Hauptseite Frauenhilfe Westfalen

Interview mit Paul LinnemannGeschichte Haus CaldenhofGeschichte Fachseminar AltenpflegeRückblick Empfang 17.10.2008

Text drucken
20 Jahre Fachseminar für Altenpflege in Hamm - Interview mit Paul Linnemann

Das Fachseminar für Altenpflege - Haus Caldenhof - in Hamm blickt im Jahr 2008 auf sein 20jähriges Bestehen zurück. Aus diesem Anlass führte Manuela Schunk, Öffentlichkeitsreferentin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V., ein Interview mit dem Leiter der Einrichtung, Paul Linnemann.

Herr Linnemann, Sie sind Leiter des Fachseminars für Altenpflege in Hamm.
Vor 20 Jahren wurde die Ausbildung zur Altenpflege in Haus Caldenhof gestartet.
Seit Anfang 2007 ist es in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. Zuvor war es in Trägerschaft des Evangelischen Perthes-Werkes.
Wo wird in einer Fachschule ein evangelischer Träger sichtbar?

Die besondere Aufgabe einer christlichen Trägerschaft zeigt sich darin, welche Bedeutung ethischen Fragestellungen beigemessen wird. Altenpflege ist nicht nur eine praktische Tätigkeit. Es kommt z.B. nicht nur darauf an, dass ich als Pflegekraft hilfebedürftige Menschen fachlich korrekt wasche. Es ist genau so wichtig, bei allen noch so alltäglichen Verrichtungen, die Würde jedes Menschen, mit dem ich arbeite, zu achten.

Seit zwei Jahren sind wir in Trägerschaft eines evangelischen Frauenverbandes: Frauen sind nun mal diejenigen, die in unserer Gesellschaft die Hauptlast der Pflege, sei es im privaten, aber auch im professionellen Bereich tragen. Außerdem sind es in der stationären Altenhilfe hauptsächlich Frauen, die versorgt werden. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung, gegen Benachteiligung von Frauen einzutreten.

Was hat sich in der Ausbildung in den letzten Jahren geändert?

In den letzten Jahren sind umfangreiche Änderungen eingetreten. Es wird nicht mehr nach Fächern, sondern nach dem Lernfeldkonzept unterrichtet. Das bedeutet, dass man stärker problemorientiert und projektorientiert arbeitet.

Außerdem ist eine zunehmende Bürokratisierung der Ausbildung festzustellen: immer mehr Vorgaben der Bezirksregierung, immer weniger Freiräume für die einzelnen Fachseminare.

Seit 2007 sind wir zudem als Fachseminar zertifiziert. Auch hier kommt ein größerer Verwaltungsaufwand auf uns zu. Qualitätsmanagement bedeutet zunächst mehr Aufwand, der von der eigentlichen Aufgabe, nämlich guten Unterricht zu machen, Kräfte abzieht. Wenn wir uns als Schule aber langfristig durchsetzen wollen, müssen wir uns dieser Entwicklung anschließen und mitmachen.

Wir versuchen, dass die Qualitätsentwicklung nicht als „bürokratisches Monster“ unsere Arbeit reglementiert, sondern dass wir die Chance nutzen, unser Qualitätssystem mit Leben zu erfüllen und unserer Ausbildung immer weiter zu verbessern.

Kommen andere Frauen und Männer in die Ausbildung als noch vor einigen Jahren?

Am Anfang waren vor allem Aussiedlerinnen und Umschülerinnen in den Kursen.
Heute beginnen viele Auszubildende gleich, nachdem sie die Fachoberschulreife erlangt haben, mit der Ausbildung zur Altenpflegerin. Das heißt, nicht nur der lebensgeschichtliche Hintergrund, sondern auch das durchschnittliche Lebensalter hat sich stark verändert.

Die Ausbildung in der Altenpflege genießt in Nordrhein-Westfalen seit je her einen hohen Stellenwert. Trotz prognostizierter guter Beschäftigungschancen im Altenpflegebereich aufgrund der steigenden Zahl pflegedürftiger Menschen in den nächsten Jahrzehnten sind die Ausbildungszahlen in den letzten drei Jahren rückläufig. Was ist das Problem?

Das Problem ist die Finanzierung der praktischen Ausbildung. Betriebe, die ausbilden, investieren ca. 36.000 Euro in eine Ausbildung, die Kosten für die fachgerechte Anleitung noch nicht einmal eingerechnet. Betriebe, die nicht ausbilden, können sich am Markt mit fertig ausgebildeten Kräften bedienen, haben aber keinerlei Kosten für die Ausbildung getragen.

Also sollten die Ausbildungsplätze entweder über eine Umlage, an denen sich alle Einrichtungen beteiligen müssen, finanziert werden oder über Steuermittel.

Die älter werdende Gesellschaft benötigt Pflege-Leistungen wie kaum zuvor.
Mit der notwendigen Offenheit und etwas Zivilcourage können jetzt viele Probleme gelöst werden. Die Ausbildung von Altenpflegefachkräften muss ein zentraler Bestandteil in der Personalentwicklung einer jeden Pflegeeinrichtung sein, wenn sie denn im Wettbewerb von morgen bestehen will.
Nur wer selber ausbildet, kann in Zukunft seinen eigenen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften sicherstellen. Wer am Markt überleben will, muss gerade unter den gegenwärtig herrschenden schwierigen Bedingungen der Altenpflege, eine gezielte, vorausschauende Personalentwicklung betreiben.

Pflegenotstand - Pflegemisere - Pflegefehler - ausgebrannte Pflegerinnen …
Schlagzeilen, die täglich in den Medien sind. Wie bewerten Sie die Situation in der Pflege?

Die Situation heute lässt sich durch eine Vielfalt verschiedener Angebote kennzeichnen. Für jede individuelle Situation lässt sich ein passendes Angebot zusammen basteln. Das ist gut. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ trifft auf das Bedürfnis der meisten Menschen, so lange wie möglich zu Hause leben zu können. Auch das ist in Ordnung. Was falsch läuft in der gegenwärtigen Situation, ist die Skandalisierung der stationären Pflege. In den meisten Häusern wird gute Arbeit geleistet, die auf Grund vieler Schwerstpflegefälle, an Demenz erkrankter Menschen und z.B. auch Wachkomapatienten in keinem anderen Setting geleistet werden kann. Dass sollte man endlich anerkennen, anstatt die stationärer Einrichtungen zu verteufeln und für gesellschaftlich verursachte Missstände verantwortlich zu machen.

24-Stunden-Kräfte - Polinnen, Rumäninnen, … Sind cosmobile Haushaltshilfen DER Geheimtipp in der Pflegelandschaft?

Natürlich sind diese Kräfte oft persönlich gut geeignet. Wir alle kennen aus unserem Unfeld positive Beispiele. Doch es besteht die Gefahr, dass die Haushaltshilfen zu spät professionelle Kräfte hinzuziehen, um ihren eigenen Job nicht zu gefährden.
Darin liegt ein Problem.

Würden Sie freiwillig ins Heim gehen?

Natürlich würde ich in ein Heim ziehen, aber nur, wenn ich von Pflegekräften versorgt werde, die von uns ausgebildet wurden.

Da haben sie übrigens auch meine Motivation, warum ich diesen Job hier mache.

Was wünschen Sie sich für die nächsten 10 Jahre?

Dass die Schülerinnen und Schüler mit ihrer Ausbildung gleichzeitig die Fachhochschulzugangsberechtigung erwerben.
Dass sich das Ansehen der alten Menschen in unserer Gesellschaft verbessert und damit auch das Ansehen des Berufs der Altenpflege.
Dass sich in Zukunft immer mehr Betriebe bereit finden, Auszubildende einzustellen.

Das ist es, was ich mir für die Fachschule und für die Altenpflege wünsche.
 

Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. Feldmühlenweg 19 59494 Soest
Tel.: 02921 371-0 Fax: 02921 4026 e-Mail: info@frauenhilfe-westfalen.de