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Die Entwicklung des Frauenheims Wengern über 90 Jahre aus Sicht der Trägerin, der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen

„Beständig In Bewegung“ lautet das Jubiläumsmotto des Frauenheims Wengern.
Im Jahr 2007 wird die Einrichtung der Behindertenhilfe, die in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. ist, 90 Jahre. Das Frauenheim Wengern begeht diesen runden Geburtstag mit drei Veranstaltungen: Festgottesdienst und Festakt finden am 22. April 2007 in der Evangelischen Dorfkirche Wengern und in der Elbschehalle statt. Gedenken der Vergangenheit und Würdigung der Entwicklung stehen im Vordergrund. Das Jubiläumsfest feiert die Einrichtung mit Freunden, Förderern, Bewohnerinnen und Mitarbeitenden am 26. August 2007 auf dem Gelände „Am Böllberg“ in Wengern und präsentiert sich in der Gegenwart. Wie die Zukunft der Behindertenhilfe zu gestalten ist, widmet sich die Tagung für Fachpublikum am 24. Oktober 2007 im Frauenheim Wengern.
 

Eine 90jährige Geschichte bedeutet auch, eine 90jährige Entwicklung vorgenommen zu haben, in der einige Bereiche stabil und beständig geblieben sind und andere eine Weiterbewegung bzw. -entwicklung durchlaufen hat. Die Trägerin des Frauenheims Wengern ist beständig geblieben - Trägerin war und ist die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.

Der Verlauf der verschiedenen Ausrichtungen des Frauenheims Wengern durch gesellschaftliche und gesetzliche Vorschriften zeigt deutlich, dass die Veränderungen einer Einrichtung keine neuzeitliche Erfindung ist. Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. hat auf die Veränderungen in der Gesellschaft und der Politik mit ihrer Arbeit reagiert und in die Gesellschaft und Sozialpolitik durch eigene Konzepte eingegriffen:
 

Zu Anfang bestand das Interesse für die Einrichtung, die Zunahme der Prostitution und der Straffälligkeit von Frauen einzudämmen. Ein eigenes Konzept für Arbeiterinnenkolonien im ländlichen Bereich wurde von der „Westfälischen Frauenhülfe“ entwickelt und umgesetzt. Seit 1923 nahm das Heim schwangere Mädchen auf, die von der Fürsorge eingewiesen wurden. Die Zunahme der Geschlechtskrankheiten in der Gesellschaft und die veränderte Gesetzeslage 1927 führte im Frauenheim dazu, dass immer mehr Frauen und Mädchen von den Gesundheitsämtern eingewiesen wurden, die geschlechtskrank waren. Es wurde eine Station für Geschlechtskranke eingerichtet. Von Anfang an war ein Teil der aufgenommenen Frauen und Mädchen Menschen mit geistigen Behinderungen.

Seit 1931 bot Wengern erwerbslosen Frauen aus der Industrie im Rahmen des „Evangelischen Freiwilligen Arbeitsdienstes“ Umschulungskurse für landwirtschaftliche Dienste an. Ab 1937 konzentrierte sich die Arbeit stärker auf die Fürsorge für Geschlechtskranke und Entbindungshilfe. Ab 1960 standen Mutter-Kind-Arbeit, Fürsorgeerziehung und Fürsorgeerziehungshilfe mehr und mehr im Vordergrund.
Ab 1975 rückte die Behindertenarbeit immer mehr in den Blick. Ab 1978 ging die Belegung der Kinderstation zurück durch ein neues Adoptionsrecht. 1984 wurde die Säuglings-, Kleinkinder- und Mütterarbeit endgültig aufgegeben und seitdem ist das Frauenheim Wengern ausschließlich in der Behindertenhilfe tätig. Seit Mitte der 90er Jahre nimmt die Ambulantisierung und Dezentralisierung zu.
 

Eine so lange Geschichte - wie die des Frauenheims Wengern - spiegelt jedoch auch herrschende Gesinnungen und Menschenbilder der Zeit wider: So musste durch die Geschichtsaufbereitung im Jahr 2006 - aus Anlass des 100jährigen Bestehens der Frauenhilfe - von den heutigen Verantwortungsträgerinnen erkannt werden, dass in der nationalsozialistischen Zeit die herrschende Auffassung teilweise von den damaligen Mitarbeitenden so sehr verinnerlicht war, dass diese Zwangssterilisationen befürworteten und durchführen ließen. Insgesamt sind 76 Fälle von Zwangssterilisationen in Wengern bekannt.

Die Eröffnung des „Frauen- und Mädchenheims Wengern“ - so der damalige Name - am 1. April 1917 war die erste Übernahme einer Trägerverantwortung durch den evangelischen Frauenverband. Somit ist das Frauenheim Wengern die erste diakonische Einrichtung des Vereins, der sich 1906 gegründet hatte. In seiner Entstehungsgeschichte bezeugt das Frauenheim Wengern auch die erste ökumenische Zusammenarbeit des Vereins in einer gemeinsamen Angelegenheit: In Zusammenarbeit mit katholischen Vertretern konnte die Konzeption einer Arbeiterinnenkolonie in der Provinz Westfalen politische, kommunale und staatliche Unterstützung finden und das Frauenheim Wengern 1917 und das katholische Anna Katharinenstift in Dülmen 1922 umgesetzt werden.
 

Darin zeigt sich auch eine weitere Funktion des Frauenverbandes bereits in frühen Jahren: das Konzept der Arbeiterinnenkolonie erprobte zunächst - in einer Art Vorreiterrolle - die Evangelische Frauenhilfe mit dem Frauenheim Wengern.
Nach der erfolgreichen Erprobungsphase zogen andere nach - in diesem Fall die katholische Seite mit dem Anna Katharinenstift. Eine solche Vorreiterrolle hatte und hat der Frauenverband durch alle Jahrzehnte seines Bestehens: So z.B. im Bereich der Müttergenesung oder im Bereich des „Nachweises Ehrenamt“. Bestimmte Themen wurden vom Frauenverband frühzeitig aufgegriffen - so das Thema „Prostitution“ durch die Personengruppe im Frauenheim Wengern bis in die 30er Jahre hinein. In diesen Jahren war Mission und Rückführung in eine christliche Gesinnung und Gesellschaft Hauptanliegen des Vereins. Seit Ende der 80er Jahre ist dieses Thema durch die Arbeit zu Menschenhandel, Kinderprostitution und Zwangsprostitution verändert in den Blick genommen: Das Engagement mündete in der Errichtung der Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel, Nadeschda in Herford, und dem intensiven Engagement im Bereich internationaler Vernetzung, Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit.

Die Entwicklung im Frauenheim Wengern zeigt ebenfalls auf, dass sich die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. seit mehreren Jahrzehnten zum ökologischen Anbau bekennt: Seit 1983 wurde der Garten und die Landwirtschaft in Anlehnung an die Richtlinien des ökologischen Anbaus bewirtschaftet. 1992 wurde die Gärtnerei und 2004 die Landwirtschaft als Bioland-Betrieb anerkannt.
 

Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. Feldmühlenweg 19 59494 Soest
Tel.: 02921 371-0 Fax: 02921 4026 e-Mail: info@frauenhilfe-westfalen.de