Forderungen an eine journalistisch-ethische Berichterstattung zum Thema Menschenhandel
(September 2013)

Worte und Bilder transportieren Botschaften und vermitteln bestimmte Vorstellungen, die gesellschaftlich anerkannt und weitergetragen werden. Inwieweit Personen, die dem Menschenhandel zum Opfer gefallen sind, von der Gesellschaft und den Behörden Respekt und Achtung entgegengebracht wird, hängt nicht unerheblich davon ab, wie Presse und Medien über das Thema berichten. Besonders in den letzten Monaten mangelte es dem Thema Menschenhandel nicht an Aufmerksamkeit, wie eine Medienanalyse des Unternehmens Mediatenor aus dem Jahr 2013 bestätigt.

Aufgrund der problematischen Berichterstattung zum Thema Menschenhandel hat die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. Forderungen an eine journalistisch-ethische Berichterstattung zum Thema Menschenhandel aufgestellt und sich damit an den Deutschen Presserat, an die in NRW angesiedelten TV- und Radio-Sender, die evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR  und die westfälischen Medien gewandt. 

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V., Trägerin der Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel - NADESCHDA - mit Sitz in Herford, ist sich bewusst, dass Medien einen großen Einfluss darauf haben, wie Betroffene von Menschenhandel in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Sie können zur Bekämpfung des Problems sowie zum Schutz der Betroffenen beitragen und Einfluss darauf nehmen, wie die Betroffenen nach der Straftat von der Gesellschaft gesehen werden und in diese zurückfinden können. Andererseits festigen stereotype Abbildungen und Beschreibungen (Frauen als naive, hilflose Opfer; Männer als brutale und skrupellose Täter) nicht nur ein reduziertes und oft falsches Bild der realen Gegebenheiten, sondern reproduzieren dieses auch.

Die meist vereinfachte Darstellung der Situationen wird den Lebensrealitäten der Betroffenen nicht gerecht und verhindert eine Identifizierung von Menschenhandelsbetroffenen. Medien reduzieren Betroffene zu passiven Opfern, ihre darüber hinausreichenden Bedürfnisse und Rechte werden kaum zur Sprache gebracht. Statt den Opferschutz in den Mittelpunkt zu rücken, liegt der Fokus der häufig voyeuristisch aufgearbeiteten Berichterstattungen auf der Straftat und ihrer Verfolgung. Oft unabhängig von der thematischen Ausrichtung dienen sexualisierte Darstellungen von Frauen und Minderjährigen als „eye catcher“ zur Illustration der Beiträge. Die gesellschaftlichen Bedingungen zur Ermöglichung von Menschenhandel und Ausbeutung werden hingegen kaum problematisiert.

Je renommierter das Pressemedium ist, desto mehr Vertrauen genießt es in der Bevölkerung. Die meisten Menschen informieren sich nicht über den Bericht hinausgehend, so dass Medien unmittelbar zur Meinungsbildung beitragen.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. schließt sich den Forderungen der KOK e.V. an eine journalistisch-ethische Berichterstattung zum Thema Menschenhandel an. KOK ist der bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess. Sie fordern von allen Journalistinnen und Journalisten, den Informations‐ und Aufklärungsauftrag ernst zu nehmen.  Bezogen auf eine journalistische Arbeit zum Thema Menschenhandel, die v.a. die Würde der Betroffenen respektiert, erachtet die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen gemeinsam mit dem KOK e.V. folgende Aspekte als relevant:

Mit Hinblick auf das Thema Menschenhandel ist eine neue Debattenkultur notwendig, die versucht, möglichst alle Standpunkte einzubeziehen und eine versachlichte Diskussion zu führen. Der KOK e.V. - und mit ihm die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. - appelliert an alle Journalistinnen und Journalisten, sich diesen ethischen Standards zu verpflichten. Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. sowie der KOK e.V. sind gerne bereit, eine verantwortungsvolle Berichterstattung fachlich zu unterstützen.

Zum Hintergrund:

Die KOK-Positionierung zum medialen Umgang mit dem Thema Menschenhandel im Jahr 2013 ist zu finden unter http://www.kok-buero.de/kok-informiert/website-news/detailansicht-website-news/artikel/kok-positionierung-zum-medialen-umgang-mit-dem-thema-menschenhandel-im-jahr-2013.html

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