Professionelle, kontinuierliche Beziehungsarbeit im häuslichen Umfeld – Ambulant Betreutes Wohnen in Werdohl

(Juni 2016)

Professionelle, kontinuierliche Beziehungsarbeit im häuslichen Umfeld – Ambulant Betreutes Wohnen in Werdohl (Juni 2016)

Alltag im Betreuten Wohnen in Werdohl: Antje Ulbrich, Mitarbeiterin, und Ruthild Lindemann, Leiterin, beraten sich, wie es in der Betreuung eines Klienten weitergehen soll.

Es ist kurz vor zehn Uhr. Die Telefone klingeln, Betriebsamkeit herrscht im vorderen Büroraum in der Neustadtstraße 27 in Werdohl. Antje Ulbrich und Ruthild Lindemann haben sich in den großen Besprechungsraum zurückgezogen. Die Mitarbeiterin Ulbrich will mit der Leiterin über die Situation von Frau S. sprechen, die in der letzten Nacht einen psychotischen Schub hatte. Weiteres Vorgehen gilt es nun abzustimmen.

„Das ist Teil unseres Alltags“, erläutert Ruthild Lindemann. Sie leitet seit 20 Jahren das „Ambulant Betreute Wohnen Frauenhilfe“, ein Dienst der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V.

„Aktuell betreuen wir knapp 90 Menschen mit psychischen Behinderungen oder Suchterkrankungen im Märkischen Kreis“, erzählt die Leiterin weiter. 25 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen begleiten Menschen von 18 bis 65 Jahren, die in ihrer Wohnung alleine oder zusammen mit ihrer Familie leben und eine psychiatrische Diagnose haben. Zu ihren Krankheitsbildern zählen u.a. Psychosen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen, Neurosen, Doppeldiagnosen sowie Suchterkrankungen jeder Art.

Ziele der Begleitung ist es, Raum für vorhandene Ressourcen zu schaffen, Kompetenzen zu fördern, stationäre Wohnformen zu vermeiden und Klinikaufenthalte zu reduzieren. „Unser großer Vorteil ist: unsere Klienten nutzen unseren Dienst freiwillig - kein Arzt oder Amt verordnet uns“, ist sich Lindemann sicher. „Menschen, die zu uns kommen, haben oft schon einiges versucht. Sie wissen, dass sie es nicht alleine schaffen können.“

In den Erstgesprächen in der Neustadtstraße wird miteinander ausgehandelt, was nötig ist: das geht von alltagspraktischen Hilfen in der Haushaltsführung, über Begleitung zu Ämtern hin zu Antragsstellungen. In einer Hilfeplankonferenz erläutert der Betroffene, begleitet von einer Mitarbeiterin aus dem Betreuten Wohnen, seine Bedarfe Fachleuten. In diesem Gespräch wird entschieden, ob und wie viele Betreuungsstunden durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe in der Regel für 18 Monate finanziert werden.

Die freiwillige Zusammenarbeit mit den Klientinnen und Klienten ist durch einen vertrauensvollen Umgang geprägt. Sie erfahren eine professionelle, kontinuierliche Beziehungsarbeit in ihrem häuslichen Umfeld und erhalten, je nach Bedarf, zwischen zwei und fünf Betreuungsstunden, also ein bis zwei Mal pro Woche Besuch von den Betreuenden. Im Ambulant Betreuten Wohnen Frauenhilfe hat jeder Mitarbeitende einen fest zugeordneten Stamm an Klientinnen und Klienten. „Unsere Klienten sind aus allen Schichten, aus unterschiedlichen Nationen und Religionen“, erläutert Lindemann weiter. „Zwei Drittel sind Frauen, wir haben viele aus der Türkei, aus Marokko  - unsere Arbeit ist kultursensibel, respektvoll und wertschätzend.“

„Derzeit haben wir vor allem mehrere 19 jährige in den Erstgesprächen“, schildert die Leiterin. Da geht es eher um das Einüben, in einer eigenen Wohnung zu leben, das Geld zu verwalten, berufliche Perspektiven zu entwickeln. Der Bedarf wächst, wieder sind 6 Betreuungen in der Anbahnung. „Unser Mitarbeiterstamm wächst mit der Anzahl unserer Klienten. Und die ist über die Jahre gestiegen“, erläutert Lindemann. „Den Menschen ist es heute eher bewusst, wenn etwas nicht stimmt. Es gibt aber auch weniger stationär aufgenommene psychisch Erkrankte. Auch deshalb steigen die Zahlen derer, die sich an uns wenden“, betont Lindemann. „Wir werden wohl wieder nach Fachpersonal auf die Suche gehen müssen. Unser derzeitiges kann diese Neuen nicht mitbetreuen.“ Gesucht werden Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen, Erzieher oder Krankenschwester, Heilerziehungspfleger mit Vorerfahrungen in der Psychiatrie.

 

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