Opfer von Menschenhandel finden sich auch im Asylverfahren in Deutschland

(September 2016)

Opfer von Menschenhandel finden sich auch im Asylverfahren in Deutschland (September 2016)

Vernetzung ist für die evangelischen Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel gerade in der Zeit der internationalen Fluchtbewegungen sehr wichtig. Aus diesem Grund hatte die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. in Absprache mit den Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) die Initiative ergriffen und lud in Zusammenarbeit mit der Diakonie Deutschland zum diesjährigen Treffen ein. Über die große Resonanz freuten sich Johanna Thie von der Diakonie Deutschland (2.v.l.) und die Mitarbeiterinnen der Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel, NADESCHDA, Corinna Dammeyer, Olga Wall, Birgit Reiche und Mira von Mach (v.l.n.r.).

Opfer von Menschenhandel finden sich auch im Asylverfahren in Deutschland (September 2016)

Impulsvorträge zu den internationalen Fluchtwegen und dem Schutz von Opfern von Menschenhandel hielten Tobias Hinz, Sonderbeauftragter für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie Dr. Marina Bruccoleri und Francesco Campana von La Strada in Bozen/Italien (v.l.n.r.).

Opfer von Menschenhandel finden sich auch im Asylverfahren in Deutschland (September 2016)

Henrike Janetzek-Rauh, Mitarbeiterin der Rechtsabteilung des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), stellte beim bundesweiten Vernetzungstreffen fest, dass es hohen Sensibilisierungs- und Schulungsbedarf bei allen Beteiligten im Asylverfahren gäbe, um Opfer von Menschenhandel zu identifizieren.

„Das Risiko, während der Flucht, in den Erstaufnahmeländern und in den Unterkünften Opfer von Menschenhandel zu werden, ist hoch“, stellte Henrike Janetzek-Rauh, Mitarbeiterin der Rechtsabteilung des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), fest. „Menschenhandel selbst stellt eine schwere Menschenrechtsverletzung dar“, führte sie weiter aus. „Zu den Erfahrungen von Opfer von Menschenhandel zählen aber auch schwere Menschenrechtsverletzungen, wie z.B. sexuelle Versklavung, physische Gewalt, Nahrungsentzug, Entführung, Freiheitsberaubung und Vorenthalten medizinischer Behandlung.“

Auf die Arbeit der Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel haben die internationalen Flüchtlingsbewegungen Auswirkungen: Die Herkunftsländer der Klientinnen verschieben sich, die Zusammenarbeit mit der Flüchtlingshilfe und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) muss intensiviert werden.

25 Mitarbeitende aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein waren nach fünf jähriger Pause der Einladung zum zweitägigen bundesweiten Vernetzungstreffen der evangelischen Fachberatungsstellen gegen Menschenhandel durch die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V., der Fachberatungsstelle NADESCHDA und der Diakonie Deutschland Ende September in die Tagungsstätte Soest gefolgt.

Fluchtweg von Italien nach Deutschland

Durch den Vortrag von Dr. Marina Bruccoleri, „La Strada“-Mitarbeiterin in Bozen/Italien, erfuhren sie über die Herkunftsländer der Geflüchteten in Italien: „Nach den vom Innenministerium Italiens gelieferten Zahlen aus dem letzten Jahr behält aber der Zustrom aus Eritrea (38.612) die Oberhand, gefolgt von Nigeria (21.886) und Somalia (12.176).“

Der Sonderbeauftragte für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Tobias Hinz, konnte hingegen ausführen, dass von Januar bis August 2016 unter den knapp 564.500 Erstanträgen in Deutschland rund 40% Anträge aus Syrien und knapp 18% aus Afghanistan stammten, während es aus Nigeria 1,5 und aus Eritrea knapp 2% waren. Für die Fachberatungsstellen, deren Opfer von Menschenhandel häufig den Weg von Italien nach Deutschland nehmen, war dies erhellend.

Nicht jede Geflüchtete ist auch Opfer von Menschenhandel

Informationen in beiden Vorträgen zu Verfahren und Herausforderungen bei der Identifizierung von Opfern von Menschenhandel unter den zahlreichen Geflüchteten führten zu regen Austausch unter den Fachberaterinnen.

Henrike Janetzek-Rauh führte Fakten zu der Situation von Opfern von Menschenhandel im Asylverfahren weltweit, in der EU und in Deutschland aus. Die Mitarbeiterin der Rechtsabteilung des UNHCR machte deutlich, dass es 2015 weltweit 64 Millionen Schutzsuchende und Geflüchtete gab. Nicht jede Schutzsuchende sei auch Opfer von Menschenhandel, aber viele Schutzsuchende in Deutschland bedeute auch einen Anstieg der Zahlen der Opfer von Menschenhandel. Der Anteil von Frauen bei den Erstanträgen im Asylverfahren betrug 2015 24 Prozent.

Die Herkunftsländer der Opfer von Menschenhandel und die der Schutzsuchenden in Deutschland variieren. Von keiner Seite seien verlässliche Zahlen über die Anzahl der Opfer von Menschenhandel unter den Geflüchteten zu erhalten. Sie stellte aber fest, dass kein Zweifel darin bestehe: „Opfer von Menschenhandel finden sich in der Praxis auch im Asylverfahren in Deutschland.“ Sensibilisierungs- und Schulungsbedarf sieht sie beim neu eingestellten Personal beim BAMF sowie in den Behörden und Ämtern der Länder, um Opfer von Menschenhandel im Asylverfahren unter der hohen Zahl der Asylsuchenden zu identifizieren und ihnen den besonderen Schutz zu gewährleisten.

Vernetzung und kontinuierlichen Austausch verstetigen

Moderierten fachlichen Austausch gab es u.a. zu den Themen Unterbringung und Zuweisung außerhalb von Asylunterkünften sowie zu spezielle Personenkreisen wie unbegleiteten Minderjährigen, Frauen aus Westafrika und Männern. Das bundesweite Vernetzungstreffen evangelischer Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel soll nun mindestens alle 2 Jahre wieder verstetigt werden. Eine Mitwirkung beim 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 24. bis 28. Mai 2017 in Berlin wurde ebenfalls beschlossen.

Hintergrund

Über viele Jahre hat zunächst die Geschäftsstelle der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland und in ihrer Nachfolge die Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) die evangelischen Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel zu einem jährlichen Vernetzungstreffen eingeladen. Seit fünf Jahren fanden diese Treffen nicht mehr statt. Da Vernetzung und Fachaustausch für die evangelischen Fachberatungsstellen sehr wichtig sind, hatte die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. in Absprache mit EFiD die Initiative ergriffen und in Zusammenarbeit mit der Diakonie Deutschland zum diesjährigen Treffen eingeladen.

Die Tagung fand im Rahmen des Projektes „Flüchtlingsberatung für Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind“ der Beratungsstelle NADESCHDA statt, das mit Mitteln für „Projekte zur Unterstützung von Frauen mit Fluchterfahrungen bzw. anderer besonders schutzbedürftiger Personengruppen“ der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung gefördert wird. Näheres zu der Arbeit von NADESCHDA unter www.nadeschda-owl.de

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