THEODORA feiert und zieht Zwischenbilanz

(März 2016)

THEODORA feiert und zieht Zwischenbilanz (März 2016)Pfarrerin Birgit Reiche (links) und Christine Gergovska ziehen nach 5 Jahren Beratung von Prostituierten in Ostwestfalen-Lippe durch das Projekt Theodora Bilanz.

Die Prostituierten- und Ausstiegsberatung THEODORA mit Sitz in Herford begeht am 29. April mit einer Festveranstaltung ihr fünfjähriges Bestehen und den Start der Hilfe-Lotsinnen. In dem 2011 gestarteten THEODORA-Projekt beraten drei Mitarbeiterinnen Frauen in der Region Ostwestfalen-Lippe, die in Clubs, Bars, Appartements oder Wohnwagen sexuelle Dienstleistungen anbieten. Neben der Möglichkeit zum Ausstieg unterstützen sie die Prostituierten auch bei Problemen mit Partnern und Kindern, bei Suchtmittelabhängigkeit, Schuldenregulierung sowie Behördengängen oder einer Wohnungssuche. 

Das geplante Prostituiertenschutzgesetz werde die Kommunen, Betreiber, Prostituierten, aber auch die Beratungsstellen vor neue Herausforderungen stellen, meint Pfarrerin Birgit Reiche, Leiterin von THEODORA. „Es ist es auch in Zukunft notwendig, deutlich zu machen, dass nicht alle Frauen in der Prostitution unter Zwang arbeiten oder Opfer sind. Viele Prostituierte arbeiten selbstbestimmt und benötigen Rechtssicherheit aber keine Bevormundung.“ Die Menschenwürde aller zu achten und sie nicht zur Projektionsfläche für eigene Interessen zu machen, bleibe auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe, unterstrich die Pfarrerin. „Ein Verbot der Prostitution verhindert aus unserer Sicht weder Menschenhandel noch Prostitution, sondern führt zu einer Verschiebung der betroffenen Frauen in die Illegalität.“

Zwischenbilanz nach 60 Monaten

„In den letzten 60 Monaten haben unser Beratungsangebot fast 410 Prostituierte wahrgenommen“, führt Christine Gergovska, Beraterin von THEODORA, aus. „Sie wurden intensiv psychosozial und rechtlich beraten und begleitet.“ Knapp 220 bordellähnliche Betriebe und Wohnungen suchten die Mitarbeiterinnen in Ostwestfalen-Lippe auf und nahmen dabei Kontakt zu mehr als 800 Prostituierte auf. In Ostwestfalen-Lippe gibt es den Angaben nach 300 bordellähnliche Betriebe, vor allem in kleineren Städten wie Löhne im Kreis Herford, in Minden und im lippischen Lage. Die THEODORA-Beratungsstelle geht von etwa 2.200 Prostituierten jährlich in der Region aus.

Start der Hilfe-Lotsinnen

Für die Jahre 2016 bis 2018 ist der Fortbestand der Beratungsstelle THEODORA durch eine Projektförderung des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) gesichert. Als eines von 88 Projekten, die bundesweit gefördert werden, wurde das Kooperationsprojekt „Hilfe-Lotsinnen“ zwischen THEODORA und der REGE (Regionale Personalentwicklungsgesellschaft mbH) in Bielefeld ausgesucht. Die kommunalen Kreise und Bielefeld unterstützen das Projekt durch die Übernahme des Eigenanteils von 5 %.

Neu an dem aufsuchenden Lotsinnen-Programm sei es, betroffene Frauen, die aussteigen wollten, stärker in das bestehende Hilfesystem einzubinden, erklärte die THEODORA-Leiterin. Bislang seien Beratungsstellen für Prostituierte und etwa Migrationsdienste kaum vernetzt. Doch die Mehrheit der Frauen in der Region - über 70% -, die etwa in ihrer Wohnung sexuelle Dienstleistungen anböten, seien aus den osteuropäischen EU-Staaten Bulgarien, Rumänien, Polen und auch aus Spanien zugewandert.

Zugang zum deutschen Hilfesystem vermitteln die HILFE-LOTSINNEN.
Ort und Zeit der Beratung werden von den Bedürfnissen der Klientinnen bestimmt. Die Beratung erfolgt nach Möglichkeit muttersprachlich in deutscher, polnischer, bulgarischer, rumänischer, russischer, ukrainischer, serbischer, mazedonischer, tschechischer und englischer Sprache. Klientinnen mit kleinen Kindern werden von der Bildungs-Lotsin der REGE mbH an das reguläre Hilfesystem und Angebote der frühen Bildung vermittelt. Das Hilfeangebot von THEODORA arbeite zudem eng mit der Frauenberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel, NADESCHDA, zusammen, die ebenfalls in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen ist.

Der Name THEODORA bezieht sich auf die byzantinischen Kaiserin (497-548 nach Christus), die selbst im "Rotlichtmilieu" ihrer Zeit aufwuchs und sich als Kaiserin für die Rechte von Prostituierten einsetzte. Weiteres unter www.theodora-owl.de

Seit 2014 ist die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen auch Trägerin der Beratungsstelle für Prostituierte in Südwestfalen, TAMAR. Näheres unter www.tamar-hilfe.de

 

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