Grußwort von Erwin Südfeld, Polizeipräsident der Polizei Bielefeld

Lassen Sie mich zunächst kurz auf die langjährige, gute Zusammenarbeit mit „Nadeschda“ eingehen, bevor ich zum neuen Projekt „Theodora“ komme.

Polizeiarbeit ist neben der Aufklärung der Tat und Fahndung nach den Tätern auch die Arbeit mit den Opfern, mit den Leidtragenden. Gerade im Rotlichtmilieu trifft man auf besonders viele Schwerkriminelle, häufig regiert die rohe Gewalt. Geschädigte Zeuginnen und Zeugen sind aber für Ermittlungen und Aussagen vor Gericht wichtig für nachhaltigen Erfolg.

Während man Zuhälter und Schläger im Polizeigewahrsam einsperren kann, können die drangsalierten Frauen nach der Vernehmung nicht einfach sich selbst überlassen werden, zumal die Opfer schwerer Straftaten regelmäßig verletzt, traumatisiert und in der Fremde auf sich allein gestellt sind. Ausländerinnen mit geringen Deutschkenntnissen, ohne Pässe und ohne jegliche Anlaufstellen außerhalb der Bordelle, brauchen nach der Befreiung aus dem Milieu

  • eine sichere Unterbringung,
  • Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und Geld /Hilfe zum Lebensunterhalt,
  • soziale, medizinische und psychische Betreuung,
  • Begleitung bei Behördengängen und in Strafprozessen.

Diese Bandbreite einer Opferbetreuung im weiteren Sinne kann die Polizei nicht bieten und ist dankbar, dass die Ev. Frauenhilfe mit „Nadeschda“ eingesprungen ist und eine sehr menschliche Hilfe geleistet hat. Die Ermittler organisierter Kriminalität im Polizeipräsidium schätzen die über zehnjährige, gute Zusammenarbeit mit „Nadeschda“ sehr, weil auf hohem Niveau professionell, vertrauensvoll und sehr zuverlässig, auch menschlich verbindlich geholfen wird.

Nun wird mit „Theodora“ ein neues Projekt aus der Taufe gehoben:
Besonders positiv erscheint die Flexibilität der Ev. Frauenhilfe Westfalen, auf Veränderungen der Klientel und anderer Zielgruppen mit einem neuen Angebot, dem Projekt „Theodora“ (griech. „Gottesgeschenk“), zeitnah zu reagieren. Holten sich die Zuhälter die jungen Frauen nach Grenzöffnung und Osterweiterung der EU in erster Linie aus Osteuropa, treffen wir neuerdings im Milieu auch auf viele Deutsche die in subtiler Art und Weise in die Prostitution „gelockt“ wurden. Diese Woche berichtete eine Lokalzeitung über zwei 18- und 19-jährige „Partymädchen“ aus Bielefeld, die mit einer Mischung aus Alkohol, Drogen, Charme und Psycho-Druck von so genannten „Loverboys“ auf den Strich geschickt und schamlos ausgenutzt worden sind. Mädchen aus schwierigen Elternhäusern ohne Rückhalt in ihren Familien sind leichte Opfer.

Viele Fälle sind strafrechtlich nicht zu fassen, weil Lügen, Verführung, perfides Ausnutzen von Willenschwächen zwar verwerflich, aber nicht strafbar sind. Nur mit langfristigen Mühen um Persönlichkeitsstärkung und Wiedereingliederung in ein stabiles Umfeld ist den Opfern zu helfen.

Also ein deutlich anderes Anforderungsprofil als bei den Osteuropäerinnen, für die „Nadeschda“ so erfolgreich gearbeitet hat. Für polizeiliche Ermittler ist es eine große Hilfe und Beruhigung, wenn man diese menschlichen Schicksale in guten Händen weiß, die in schwierigem Umfeld sicher handeln und etwas professionell leisten, was Behörden nicht bieten können.

Anerkennung und Dank für die sehr konkrete Hilfe münden in Unterstützung und Werbung, in Lobbyarbeit für das neue Projekt „Theodora“.

Möge es genauso erfolgreich werden, wie die große Schwester „Nadeschda“ bereits ist.