Internationale Fachtagung zum Thema Menschenhandel  
(Sept. 2003)

Als bundesdeutsche Forderungen zum Thema Menschenhandel wurden in einer internationalen Fachtagung Mitte September in Soest formuliert:

  • Die rechtliche Regelung für Opfer von Menschenhandel muss sich ändern: Bei Verdacht auf Menschenhandel muss den Opfern eine längere Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden als bislang.
  • Die bisherige Rechtsprechung, nach Zeugenaussage die Opfer von Menschenhandel in ihr Heimatland abzuschieben, muss geändert werden und den Zeuginnen nach dem Prozess ein Bleiberecht in Aussicht gestellt werden.
  • Die Hilfsprogramme in den Herkunftsländern der Opfer von Menschenhandel müssen finanziell besser ausgestattet werden, ebenso die Präventionsprogramme. Die Begleitung und Beratung der Opfer in den Herkunftsländer ist auch von deutschen Spenden angewiesen.
  • Die EU-weite strafrechtliche Verfolgung der Täter muss optimiert werden.
  • Die Förderung der Arbeit der bundesdeutschen Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel ist gefährdet. Spendenaktionen sind wichtig, dürfen jedoch die Politik nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.
  • 1 Millionen Männer gehen bundesweit täglich zu Prostituierten. Sie sollen über Kampagnen sensibilisiert werden und geeignete Stellen informieren bei Verdacht auf Menschenhandel.

Vom 18. bis 19.09.2003 fand in der Tagungsstätte der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. die 2. internationale Fachtagung, diesmal mit dem Thema „Gemeinsam gegen Frauenhandel – Perspektiven der Arbeit angesichts der geplanten EU-Ost-Erweiterung“, in Soest statt. 

Die internationale Fachtagung setzte sich aus verschiedenen Ländern Europas und aus verschiedenen Professionen und Arbeitsfeldern zusammen, um einen europaweiten und professionsübergreifenden Austausch zum Thema Menschenhandel zu bieten. Gemeinsam wurden Strategien gegen die unterschiedlichen Formen des Menschenhandels abgestimmt. Rechtliche Regelungen ausgewählter europäischer Länder und die besonderen beispielhaften Regelungen in Italien wurden vorgestellt. Hier gibt es einen größeren Schutz der Opfer, indem ein Bleiberecht aus humanitären Gründen seit 1998 möglich ist: Sechs Monate Aufenthaltsgenehmigung erhalten die Frauen zunächst, um sich zu orientieren in ihren nächsten Schritten. Eine weitere Verlängerung um sechs Monate ist möglich. Anschließend ist eine Verlängerung bis hin zu einer unbefristeten Situation möglich, wenn die Opfer von Menschenhandel eine Arbeit, ein Studium oder ein Studium ausüben. 
Davon können die Frauen, die in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden, nur träumen: hier bleiben ihnen vier Wochen Zeit, in denen sie geduldet werden, um sich zu überlegen, gegen ihre Schlepper auszusagen. Entscheiden sie sich dagegen, werden sie sofort abgeschoben. Sollten sie als Zeuginnen bereit sein, so erhalten sie bis zur Beendigung des Prozesses ihre Duldung und werden danach in ihr Herkunftsland abgeschoben. Die Täter in den Herkunftsländern der Frauen werden zumeist nicht ermittelt oder bestraft. Während die Frauen in Deutschland den Prozess abwarten, leben sie in großen Ängsten um ihre Familie in ihre Heimat, die zumeist von den Tätern bedroht werden. Nach ihrer Aussage und Abschiebung können viele Frauen nicht in die Gesellschaft zurückintegriert werden, da ihnen der Makel der Prostitution anhaftet, oder sie werden von den Tätern wieder in die Prostitution gezwungen. In Bulgarien und in Weißrussland kommt es zudem verstärkt zu Behinderungen der dort tätigen Beratungs- und Begleitgruppen für Opfer von Menschenhandel. Die zumeist korrupte Polizei scheint sich für die Täter nicht zu interessieren. In Lettland und Litauen scheint die Situation etwas besser zu sein. Allen ost- und mitteleuropäischen Anlaufstellen für Opfer von Menschenhandel fehlt es jedoch an finanziellen Mitteln. 

Unter den 50 Teilnehmenden der Fachtagung befanden sich sieben bundesdeutsche Beratungsstellen (Bayern, Hessen, Niedersachsen, NRW, Pfalz), fünf Kriminalbeamte aus den Polizeibehörden Bielefeld, Bochum, Herford und Minden, Beamte der Stadt Bielefeld und des Ausländeramtes Minden sowie Vertreterinnen und Vertreter des Frauenhauses Herford, des Kinderschutzhauses Bochum, dem Verein für internationale Jugendarbeit Bielefeld und Nürnberg, der Kampagne gegen Kinderprostitution/ecpat, der Gustav-Adolf-Frauenarbeit, der Diakonischen Werke Westfalen und Deutschland, der „Hoffnung für Osteuropa“ sowie 12 Teilnehmerinnen von Nichtregierungsorganisationen aus verschiedenen europäischen Ländern wie den Baltischen Republiken, aus Polen, aus Bulgarien, aus Weißrussland und aus Italien. Die internationale Zusammenarbeit wurde wieder ein stückweit gestärkt, das Netz zwischen Polizei, Ausländerbehörden, Beratungsstellen und anderen dichter. 

Die Fachtagung wurde durchgeführt von der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V., dem Diakonischen Werk Westfalen und der Bundesarbeitsgemeinschaft „Den Kindern von Tschernobyl“ in Deutschland. In zwei Jahren soll eine weitere internationale Fachtagung zum Thema stattfinden.

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