Frauenhaus Soest bietet dezentrale ambulante Beratung an (Juni 2004)

Jede dritte Frau in Deutschland ist von häuslicher Gewalt betroffen. Eine der ersten Anlaufstellen für diese Frauen ist das Frauenhaus. Alleine im Soester Frauenhaus werden im Jahr durchschnittlich 70 Frauen und 90 Kinder aufgenommen. Um den Frauen auch als Ansprechpartner immer zur Seite zu stehen, gibt es nun auch die Ambulante Beratung. Diese richtet sich an alle von Gewalt betroffenen und bedrohten Frauen. „Und wird sehr gut angenommen“, berichtet Mechthild Hörstmann-Jungemann, Mitarbeiterin im Frauenhaus.
In der Regel finden die Gespräche außerhalb des Frauenhauses statt und können kurzfristig vereinbart werden. Ulrike Dustmann, Leiterin des Frauenhauses Soest: „Wir übernehmen auch die Akutversorgung. Innerhalb von 24 Stunden können wir den betroffenen Frauen ein Gespräch anbieten.“

Dabei sind die Mitarbeiterinnen nicht auf einen Ort festgelegt: Zwar bieten sie eine telefonische Beratung (montags bis freitags von 8.00 bis 16.00 Uhr unter der Telefonnummer: 02921/17585) sowie eine Sprechstunde im AWO-Bewohnerzentrum, Britischer Weg in Soest (dienstags von 9.30 bis 11.30 Uhr) an, sind sonst aber flexibel, wie Mechthild Hörstmann-Jungemann weiter erzählt: „Wir richten uns nach den Wünschen der Frauen, machen Hausbesuche oder vereinbaren Treffpunkte.“ 
Diese dezentralen Beratungsangebote werden in den nächsten Monaten auf verschiedene Orte ausgeweitet, um es betroffenen Frauen zu ermöglichen, früh und unbürokratisch den Kreislauf von Gewalt zu durchbrechen.

Ein dezentrales Angebot, das - so die Hoffnung der Mitarbeiterinnen - noch mehr Frauen zu einem Gespräch überreden wird. Denn, so zeichnet Angelika Weigt-Blätgen, leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V., die bittere Realität auf: „Viele Frauen haben vor dem ersten Gespräch sehr viel Angst.“
Ulrike Dustmann führt das weiter aus: „Die Frauen sind oft so traumatisiert, dass sie den Weg zum Frauenhaus nicht mehr finden. Daher müssen wir dahin gehen, wo die Frauen sind.“

Schon vor den Gesetzesveränderungen der Bundesregierung und in NRW verstand sich das Frauenhaus Soest nicht nur begrenzt auf die reine Schutzfunktion: Nachgehende Beratung ehemaliger Bewohnerinnen und deren Kinder, Öffentlichkeitsarbeit in den unterschiedlichsten Gruppen gehörten ebenso zu dem Konzept der Anti-Gewalt-Arbeit wie die punktuelle Beratung einzelner Frauen außerhalb des Hauses.
Mit der veränderten Rechtslage sah das Frauenhaus jedoch verstärkt die Notwendigkeit, auf die unterschiedlichen Ansprüche von Gewalt betroffener Frauen zu reagieren. Hierzu gehören die Bewohnerinnen mit ihren Kindern, die ehemaligen Bewohnerinnen in der nachgehenden Beratung, ebenso wie ihre Kinder, - und nun aktuell - die ratsuchenden Frauen in der ambulanten Beratung und die Frauen vermittelt durch Polizei und Justiz, bei denen das Gewaltschutzgesetz zur Anwendung gekommen ist.
Diese Formen der Unterstützung für betroffene Frauen geschehen analog zu den Grundsätzen der Frauenhausarbeit: kostenlos, zeitnah, anonym, parteilich.

Der Aufbau von kreisweiten Bündnissen gegen häusliche Gewalt, an denen das Frauenhaus und seine Trägerin, die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V., maßgeblich beteiligt waren, machte ein institutionsübergreifendes Handeln bei häuslicher Gewalt möglich. Hieraus entwickelte sich die Absprache, die Akutversorgung betroffener Frauen im Hinblick auf Beratung und Unterstützung dem Frauenhaus zuzuordnen, um für Betroffene Klarheit, Sicherheit und Schnelligkeit zu gewährleisten.

Gewalt im Geschlechterverhältnis gehört auch heute leider zum Alltag, obwohl sie oft nicht gesehen und bemerkt wird. Im Verlauf der letzten 25 Jahre hat die Öffentlichkeit über Gewalt gegen Frauen sehr viel gelernt: Für Politik und Öffentlichkeit ist es weitgehend selbstverständlich geworden, dass auch solche Gewalthandlungen eine Angelegenheit des öffentlichen Interesses sind, die früher als Privatsache abgetan wurden. Seit 1999 gibt es einen umfassenden Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, der zur Zeit fortgeschrieben wird.
2002 trat bundesweit das neue Gewaltschutzgesetz in Kraft, ein Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und deren Androhung. Zeitgleich wurde eine Änderung des Polizeigesetzes NRW als flankierende Maßnahme realisiert, nach der die Polizei den Täter mindestens zehn Tage der Wohnung verweisen kann.

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