Öffentlichkeit für die Opfer (Dezember 2004)

Nadeschda ist russisch und heißt Hoffnung.
Rund 20 Frauen aus Ostwestfalen-Lippe sind Hoffnung für Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind und nun vor Gericht gegen ihre Peiniger aussagen. Die ehrenamtlichen Frauen stellen die Öffentlichkeit im Gerichtssaal her, die den Opfern den Rücken stärkt.

Seit fünf Jahren gibt es die Prozessbegleitgruppe, die an die Beratungsstelle Nadeschda in Herford angegliedert ist. In der Beratungsstelle selbst kümmern sich Hauptamtliche um die verschleppten Frauen, die in Deutschland zur Prostitution gezwungen wurden. Sie werden anonym untergebracht, erhalten psychologische Betreuung, Beratung und Begleitung.
Der Prozess gegen die Menschenhändler und Vergewaltiger bedeutet für diese traumatisierten Frauen eine zusätzliche Belastung.

Telefonkette
Und deswegen gibt es die Prozessbegleiterinnen von Nadeschda. "Wir stärken den Opfern den Rücken", sagt Luise Metzler.
Per Telefonkette erfahren die Frauen von einem Prozess - in Bielefeld, Herford oder sonst wo in Ostwestfalen-Lippe.
Nicht alle Frauen können zu den Prozessen kommen, doch wer Zeit hat, geht hin. "Wir dürfen mit den Opfern nicht reden. Wir kennen sie vorher auch nicht. Aber allein nur durch unsere Anwesenheit ändert sich das Klima im Gerichtssaal", beschreibt Renate Möllenhecker.
"Für die Opfer ist es wichtig, dass im Zuschauerraum auch andere Menschen sitzen, als nur die Freunde und Verwandten ihrer Peiniger", ist auch Ingrid Etzemüller überzeugt.

"Eine Nacht geht immer drauf"
Die Nadeschda-Prozessbegleiterinnen sind ganz normale Frauen. Renate Möllenhecker beispielsweise wollte sich im Ruhestand sozial engagieren als sie gefragt wurde, ob sie bei der Prozessbegleitung mitmachen wolle: "Ich habe mir das schon ganz genau überlegt, ob ich das ertrage. Ich hab´s versucht und es war sehr, sehr schwer. Nicht im Gerichtssaal, aber zu Hause, da kamen die Bilder. Doch das hat sich gegeben. Sonst hätte ich aufhören müssen." Und Ingrid Etzemüller ergänzt: "Aber eine Nacht geht immer drauf." Alle in der Gruppe nicken.

Das Schicksal der Frauen, die unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt und dann zur Prostitution gezwungen und Oper von Gewalt werden, lässt die Prozessbegleiterinnen nicht kalt. Und deswegen schaffen sie nicht nur im Gerichtssaal Öffentlichkeit.
Sie erzählen auch in ihrem normalen sozialen Umfeld von ihren Erfahrungen. "Viele hier in Deutschland wissen doch gar nicht, dass es so was gibt", sagt Luise Metzler. Und das wollen die Ehernamtlichen von Nadeschda ändern.

Autorin: Gesine Lübbers

Fenster schließen