Veranstaltung zur Geschichte der Westfälischen Frauenhilfe.
(September 2005)

Am 26. September 2005 stellte Dr. Beate von Miquel (Bochum) ihre bisherigen Ergebnisse zur Geschichte der Westfälischen Frauenhilfe in der Zeit von 1934 bis 1950 fast 30 Personen in Soest vor. Sie arbeitet für die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. im Rahmen eines Post-Doktoranden-Stipendiums an einer entsprechenden Veröffentlichung, die am 20, Mai 2006 vorliegen wird. Zum anderen wird sie ihre Ergebnisse in einem Workshop am 20. Mai 2006 vorstellen.

Die Auswertung verschiedenster Archivunterlagen zeigt eine sehr unterschiedliche, zum Teil extrem kontroverse Entwicklung in den Gruppen und Verbänden zur Zeit des Nationalsozialismus.
Ihre bisherigen Ergebnisse hat Dr. Beate von Miquel in 14 Thesen formuliert, die wir Ihnen hiermit zur Kenntnis geben möchten.

  • Die Westfälische Frauenhilfe unterstützte - wie die Mehrheit der deutschen Protestanten - seit dem 30. Januar 1933 das NS-Regime ohne Vorbehalte.

Die Westfälische Frauenhilfe im Kirchenkampf

  • Im Kirchenkampf versuchte die Westfälische Frauenhilfe, darunter besonders der Geschäftsführer, Pastor Friedrich Johanneswerth, zunächst eine neutrale Position einzunehmen.
  • Das Unternehmen „Neutralität“ war bereits zum Scheitern verurteilt, als das westfälische Konsistorium seit dem Frühjahr 1934 versuchte, den deutsch-christlichen Bischof Bruno Adler sowie die DC-Anhängerin Eleonor Liebe-Harkort und Führerin des Evangelischen Frauenwerks in Westfalen in den Engeren Vorstand der Westfälischen Frauenhilfe einzusetzen.
  • In mehreren, äußerst kontroversen Diskussionsetappen, fand die Westfälische Frauenhilfe im Laufe des Jahres 1934 zu einer Positionierung in den kirchenpolitischen Richtungskämpfen:
    29. Juni 1934: Der Erweiterte Vorstand der Westfälischen Frauenhilfe beschließt in der ‚Soester Entschließung‘ eine enge Verbundenheit mit der Bekennenden Kirche einzugehen.
    3. August 1934: Massive Kritik an der Soester Entschließung aus deutsch-christlichen Kreisen, der Führung der Reichsfrauenhilfe in Potsdam sowie radikalen BK-Kreisen aus Minden-Ravensberg setzt den Engeren Vorstand unter Druck. Er hält zwar weiterhin an der Maßgabe einer engeren inneren Verbundenheit mit der BK fest, will aber mit allen kirchenpolitischen Gruppen gleichermaßen zusammenarbeiten.
    23. September 1934: Eine Gruppe weiblicher Vorsitzender aus den Reihen der Westfälischen Frauenhilfe protestiert gegen Eleonor Liebe-Harkorts einseitige kirchenpolitische Haltung und entzieht ihr das Vertrauen.
    18. Oktober 1934: Die angegriffene Liebe-Harkort versammelt in Hamm 220 Leiter und Leiterinnen von Frauenhilfsgruppen, um über den kirchenpolitischen Kurs der Frauenhilfe abzustimmen. Die Anwesenden verlangen „Neutralität“, die aber nur kaschierte DC-Anhängerschaft ist. 
    24. Oktober 1934: Der Engere Vorstand der Westfälischen Frauenhilfe kommt in Dortmund zusammen, um über die aktuellen kirchenpolitischen Ereignisse und die in Hamm gefassten Beschlüsse zu beraten. Hier entsteht die Soester Erklärung.
    26. Oktober 1934: Der Erweiterte Vorstand der Westfälischen Frauenhilfe kommt in Soest zusammen. Die Soester Erklärung wird mit überwältigender Mehrheit verabschiedet.
  • Das „Nachspiel“ 
    Mit der Verabschiedung der Soester Erklärung sind die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen in der Frauenhilfe jedoch nicht beendet. Nun müssen die einzelnen Frauenhilfen darüber abstimmen, ob sie die Soester Erklärung akzeptieren. Diese Abstimmung verläuft äußerst zäh. Die Westfälische Frauenhilfe ist schließlich gezwungen, den Frauenhilfen ein Ultimatum zu setzen. Frauenhilfen, die bis zum 15. März 1935 nicht abgestimmt haben, werden aus der Frauenhilfe ausgeschlossen.
  • Formierung der DC-Anhänger. 
    Die DC-Anhänger um Eleonor Liebe-Harkort gründen am 4. Februar 1935 die so genannte Arbeitsgemeinschaft der zur Reichskirche stehenden Frauenhilfsleiter und -leiterinnen. Diese Gruppe geht im April 1935 in den deutsch-christlichen „Frauendienst“ über.
  • Nach dem Ablauf des Ultimatums vom 15. März 1935 wechseln etwa 10-15 Prozent der Frauenhilfen in den Frauendienst. Der Kirchenkampf ist allerdings immer noch nicht beendet. Grund dafür ist die zögerliche Haltung der Stadt- und Kreisverbandsvorsitzenden, die Anhänger der Deutschen Christen aus den Frauenhilfen zu entlassen bzw. DC-Vorsitzende ihres Amtes zu entheben. So spitzen sich die Ereignisse weiter zu. Es kommt in der Folge zu teils Jahre andauernden Gerichtsverfahren und zermürbenden Auseinandersetzungen vor Ort.

Frauenhilfe und NS-Organisationen

  • Seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten bewegt sich die Westfälische Frauenhilfe nicht nur in einem kirchenpolitischen, sondern auch einem politischen Spannungsfeld.
  • Grundsätzlich bemüht sich die Frauenhilfe seit 1933 um eine positive Zusammenarbeit mit NS-Frauenorganisationen wie der NS-Frauenschaft (NSF) und dem Deutschen Frauenwerk (DFW). Es ist davon auszugehen, dass es zahlreiche Doppelmitgliedschaften in den protestantischen Frauenorganisationen wie auch der NSDAP-nahen Frauenarbeit gab. Auch die Vorsitzende der Westfälischen Frauenhilfe, Gräfin Plettenberg-Heeren, gehörte ab 1935 der NSF an.
  • Jedoch ist der Kurs von NSF/DFW gegenüber der Westfälischen Frauenhilfe nicht einheitlich. Er ist grundsätzlich abhängig von der individuellen religiösen Einstellung der NS-Kader, dem Verlauf der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen in den einzelnen Orten sowie der Bereitschaft der Frauenhilfen und der Pfarrer, mit NS-Organisationen zusammenzuarbeiten. Zwar wird ab 1936 eine offizielle Doppelmitgliedschaft in konfessionellen und parteinahen Frauenorganisationen untersagt, doch bis zum Kriegsende nicht konsequent umgesetzt.
  • Seit 1933 kommt es in vereinzelten Orten immer wieder zu Konflikten zwischen NSF/DFW und der Westfälischen Frauenhilfe. Die Repressionen nehmen ab 1936/1937 sprunghaft zu. Nun versuchen Gestapo und Sicherheitsdienst der SS im Zeichen der „Entkonfessionalisierung“ der deutschen Gesellschaft die Frauenhilfe aus dem öffentlichen Leben weitgehend zu verdrängen.
  • Verbote von Frauenhilfsveranstaltungen werden jedoch nicht flächendeckend durchgeführt. Dies entspräche auch nicht dem polykratischen Herrschaftssystem des NS-Regimes.
  • In offiziellen Verhandlungen mit Kirchenleitungen, Ministerien und zuständigen Behörden gelingt es der Frauenhilfe kaum, eine Aufweichung der Verbotspraxis zu erreichen. Das gelingt v.a. durch Verhandlungen der örtlichen Frauenhilfsleitungen mit der Polizei. Zudem versuchten die Frauenhilfsgruppen die Verbote zu unterlaufen.
  • Es ist davon auszugehen, dass die Verbotspraxis zu einer gewissen inneren Stabilisierung des Frauenhilfskerns führt. Der Wermutstropfen: Mit dem Rückzug aus dem öffentlichen Leben kommt die Frauenhilfe jedoch den Entkonfessionalisierungs-Plänen des NS-Regimes entgegen. So stagnierten die Mitgliederzahlen. Insbesondere nach Kriegsende wird immer wieder beklagt, das Interesse an kirchlicher Arbeit habe durch die NS-Zeit deutlich abgenommen.

Fenster schließen