Information zu „Pflege in deutschen Privathaushalten durch osteuropäische Haushaltshilfen und Pflegekräfte“
(Stand: Dezember 2005)

1. Ausgangsüberlegungen 
Schon seit etlichen Jahren ist Deutschland de facto ein Einwanderungsland. Viele Arbeitskräfte v.a. aus Lateinamerika und Osteuropa kommen (meist ohne legalen Aufenthaltsstatus) nach Deutschland, um hier Geld zu verdienen. Dabei ist der Arbeitsmarkt für weibliche Migrantinnen weltweit geschlechtsspezifisch v.a. in Reinigungs-, Pflege- und Betreuungstätigkeiten gegeben, wobei die Haushaltsarbeit den weltweit wichtigsten Sektor darstellt. In Deutschland nutzen v.a. Privathaushalte der Besserverdienenden (Nettoeinkommen > 3500 Euro) und ältere Menschen diese Arbeitsleistung (Gründe: es mangelt an Zeit bzw. es bestehen Hilfenotwendigkeiten zur Verrichtung der Alltagsarbeiten).

Durch die EU-Osterweiterung am 1. Mai 2004 können Osteuropäerinnen aufgrund der veränderten Einreise- und Arbeitsbedingungen legale Verdienstmöglichkeiten in Deutschland nutzen. Sie ernähren damit ihre Familien oder ermöglichen ihren Kindern eine gute Ausbildung. Seit dem 1.1.2005 ist es für Familien mit einer pflegebedürftigen Person im Haushalt möglich, eine Haushaltshilfe über das Arbeitsamt mit Vertrag einzustellen. In der Regel wird allerdings kein Vertrag abgeschlossen. Die Osteuropäerinnen erhalten dadurch keine soziale Absicherung und arbeiten de facto illegal.

Als Beispielland wird Polen gewählt. Mehrere Gründe sind dafür ausschlaggebend: Auf das Thema haben uns polnische Frauen aufmerksam gemacht, die den Weltgebetstag 2005 vorbereitet haben. Der Hinweis auf Arbeitsmigration und wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Transformationslandes war Teil ihrer Arbeit. In den Medien wurden vor allem Auswirkungen der politischen Veränderungen auf die Arbeitsmöglichkeiten von Männern (z.B. Baugewerbe, Metzger) berichtet. Es sind aber auch Arbeitsmöglichkeiten für und von Frauen wesentlich betroffen. Faktisch kommen zudem vor allem Polinnen nach Norddeutschland. Zu Beginn des Jahres 2005 wurden vermutlich mehr als 60.000 Polinnen als Haushalts- und Pflegehilfskräfte in Deutschland beschäftigt. Bis Ende Juni haben ca. 600 Familien von der Möglichkeit eines Arbeitsvertrages Gebrauch gemacht.

2. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen

2.1. Arbeitslosigkeit in Polen
Die hohe Arbeitslosigkeit in Polen (ca. 20,6 %, in einigen ländlichen Regionen über 31 %) bringt große soziale Probleme in Polen mit sich. Die finanzielle Absicherung von Arbeitslosen ist schlecht, das Arbeitslosengeld beträgt nur wenige hundert Zloty ( 4 ZL ~ 1 Euro) und wird max. 12 Monate gezahlt. Knapp über die Hälfte der polnischen Haushalte lebt im sozialen Minimum oder darunter.

Von daher scheint es vielen Polinnen und Polen attraktiv, für eine begrenzte Zeit ins Ausland zu gehen. Die meisten Frauen arbeiten im Bereich der häuslichen Arbeit. Neben der Anstellung durch eine deutsche Familie (über das Arbeitsamt) ist auch eine Anstellung über einen polnischen Pflegedienst möglich, der Mitarbeiterinnen nach Deutschland entsendet. Nicht möglich ist es für Polinnen, sich im haushaltsnahen Dienstleistungsbereich in Deutschland selbständig zu machen. Im Allgemeinen kann man sagen: ein durchschnittlich in Deutschland erwirtschafteter Netto-Monatslohn von 1000 Euro entspricht drei Monatsgehältern in Polen.

2.2 Die Anforderungen an häusliche Pflege in Deutschland 
Insgesamt leben in Deutschland ca. 2 Millionen pflegebedürftige Menschen, von denen ca. 70 % in privaten Haushalten versorgt werden, zum großen Teil von Frauen. Noch haben die meisten älteren Menschen Angehörige, die sich für ihre Pflege verantwortlich fühlen. Aufgrund des demographischen Wandels wird der Anteil derer, die durch Familienangehörige gepflegt werden können, in den kommenden Jahren kontinuierlich abnehmen. Die immer höhere Lebenserwartung führt schon jetzt dazu, dass insbesondere Frauen von ihren Töchtern, die selber schon im höheren Rentenalter sind, gepflegt werden müssen. Diese können aufgrund eigener altersbedingten Einschränkungen diese Aufgabe nicht mehr übernehmen oder fortsetzen. Wenn Pflegepersonen noch berufstätig sind, ist mit dem Entschluss, eine Angehörige zu pflegen, oft die Umstellung des gesamten Tagesablaufes der Pflegenden verbunden, z.T. auch die Aufgabe der Berufstätigkeit.

Da die Familien- und Hausarbeit und damit auch häusliche Pflegetätigkeit in Deutschland gesellschaftlich nur einen geringen Stellenwert hat, sinkt die Bereitschaft zur eigenen Pflegetätigkeit, je besser die Ausbildung und finanzielle Situation der Familie sich darstellt.

Da zur Erreichung einer eigenen Altersrente die außerhäusliche Erwerbstätigkeit von Frauen gesellschaftlich gefordert und von diesen mehrheitlich zum Erreichen finanzieller Selbständigkeit auch gewünscht wird, übernehmen überwiegend geringverdienende (oder bislang unbezahlte) Familienfrauen die Pflegetätigkeit für eine Angehörige.

Ältere Menschen (ältere Frauen) haben oft selber Angehörige gepflegt und wollen ihren Kindern durch eigene Pflegebedürftigkeit nicht zur Last fallen. Da sie - aufgrund der eigenen Erfahrungen - die "geldwerte" Leistung von Pflegetätigkeit eher gering einschätzen, sollen auch die erforderlichen Pflegekosten für sie selber möglichst niedrig sein.

Dennoch wünschen sich zu Pflegende wie vielfach auch die Angehörigen, dass Pflege im familiären Umfeld stattfindet. Es wird daher sowohl von Angehörigen wie von zu Pflegenden versucht, Pflegeaufgaben nach Möglichkeit an professionelle Pflegekräfte bzw. Pflegedienste, die ins Haus kommen, abzugeben bzw. durch diese ergänzen zu lassen. Da vielfach weniger medizinische Pflege als vielmehr Versorgung (Kochen, Putzen, Waschen, Einkaufen, Betreuen) und Anwesenheit einer Person benötigt wird, werden kostengünstige Haushalts- und Pflegehilfskräfte gern akzeptiert.

Zwar werden über diese alltagspraktischen Tätigkeiten auch Zuwendung, Fürsorge und Liebe vermittelt, aber dafür gibt es kaum Qualitätsmerkmale, und eine entsprechende Wertschätzung, die sich in adäquater Entlohnung ausdrückt, fehlt. Unter diesen Bedingungen sind v.a. ungelernte oder ausländische Frauen bereit, liebevoll und fürsorglich, geduldig und einfühlsam diese Tätigkeiten zu übernehmen. Oftmals können hier osteuropäische Frauen, die aus einem Familienverband kommen, indem der Umgang mit alten und hilfebedürftigen Menschen einen hohen Stellenwert hat, trotz ihrer Sprachhindernisse die Anforderungen deutscher Familien besonders gut erfüllen. So werden nach Schätzung von deutschen Anbietern mittlerweile 20 % der Pflegenden durch ausländische Frauen in deutschen Privathaushalten unterstützt, davon sind ca. 60.0000 polnische Frauen.

2.3 Bedingungen weiblicher Migration im transnationalen Raum 
Migrantinnen sind weltweit meist nicht in ihren erlernten Berufen tätig, sondern vor allem in traditionell unbezahlten Tätigkeiten der haushaltsnahen Dienstleistungen: „cooking, caring, cleaning“ (kochen, betreuen, saubermachen).

Die Verrichtungs- und Versorgungstätigkeiten bilden damit in vielen Fällen eine untrennbare Einheit, d.h. nicht messbare Gefühlsarbeit gehört notwendig zu der Arbeit hinzu und schafft einen eigenen Wert: den der unsichtbar wieder hergestellten Ordnung des privaten Raumes der Auftraggeber.

Aufgrund der stagnierenden oder sich verschlechternden Lebensverhältnisse in den Herkunftsländern ist Arbeit von Migrantinnen für private Arbeitgeber billig und in der Regel problemlos zu haben. Gleichzeitig kann, ohne dass sich an der traditionellen Geschlechterverteilung Grundsätzliches ändern müsste, die Berufstätigkeit der Frauen in den aufnehmenden Ländern gesichert und die haushaltsnahen Dienstleistungen privat organisiert werden. Gerade weil Migrantinnen oft über einen unsicheren Status verfügen, sind sie bereit, die Ordnung der anderen möglichst weitgehend zu beachten, zu respektieren und sich ihr anzupassen. Ein hierarchisches Machtgefälle zwischen Frauen wird damit etabliert.

Die Migrationbereitschaft der Osteuropäerinnen ist hoch, gerade weil sie einen erweiterten Bildungshorizont haben und damit gute Voraussetzungen für eine selbständige, anspruchsvolle Tätigkeit im Haushalt mitbringen, gleichzeitig aber aufgrund ihrer kulturellen Werte eine hohe Anpassungsbereitschaft gelernt haben.

Der Markt der Haushaltsdienstleistungen wird sowohl von Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen wie von den Migrantinnen überwiegend informell organisiert. Von mehr als 3.000.000 Haushalten in Deutschland, die eine Haushaltshilfe beschäftigen, haben diese Anfang 2005 nur ca. 40.000 angemeldet. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen profitieren von der Asymmetrie der Weltwirtschaft, davon, dass traditionell weibliche Tätigkeiten an andere Frauen weitergereicht werden können. Dies setzt sich allerdings auch im Herkunftsland der Migrantinnen fort. Dort übernehmen wiederum meist Frauen (unentgeltlich oder zu geringem Stundenlohn) die von den Migrantinnen nicht mehr zu leistende Versorgungsarbeit.

Damit stabilisiert sich weltweit die traditionelle Geschlechterteilung mit traditionell niedrig bewerteter Frauenarbeit, obwohl eine gravierende Veränderung im Beitrag der Frauen zum Familieneinkommen stattfindet. Insbesondere wenn sie Kinder im Herkunftsland zurücklassen, bleiben Migrantinnen sowohl emotional wie durch vielfachen Geldtransfer dem Heimatland dauerhaft verbunden.

3. Chancen und Risiken der Mitarbeit im Haushalt durch osteuropäische Haushaltskräfte 
Wenn in einem Haushalt gepflegt werden soll, stellt für die betroffenen Angehörigen die Einstellung einer Haushaltshilfe oft die einzige finanzierbare Möglichkeit dar. Auch wenn osteuropäische Frauen, die in einer deutschen Familie Arbeit finden, legal keine pflegerischen Aufgaben übernehmen dürfen, ist der Übergang zwischen pflegerischen und betreuenden Tätigkeiten im Alltag fließend.

In der Regel liegt aber bei den migrierenden Frauen keine pflegerische Vorerfahrung vor. Sie ersetzen also keinen professionellen Pflegedienst, sondern unterstützen bzw. entlasten die Familie. Sie werden daher von dieser auch eher als Familienmitglied gesehen und als solches behandelt. Dies birgt für alle Beteiligten Risiken:

1. Die zu pflegende Person erhält u.U. nicht die fachliche Betreuung, die für sie wichtig wäre (z.B. Aktivierung, Vorsorge gegen Wundliegen usw.)

2. Die pflegende Person erhält u.U. nicht die arbeitsrechtliche Sicherheit, auf die sie einen Anspruch hat (z.B. geregelte Arbeitszeiten, angemessene Entlohnung, freie Tage usw.)

3. Die Angehörigen erhalten u.U. keine Sicherheit, dass ihre Angehörige bestmöglich unterstützt wird (z.B. Sprachproblem, Verabreichung von Medikamenten usw.)

Dennoch sind trotz dieser Risiken vielfach alle Beteiligten zufrieden mit der gefundenen Lösung, insbesondere dann, wenn der Migrantin nicht nur Familienpflichten, sondern neben dem Lohn auch Dank und Anerkennung gewährt wird.

4. Rechtliche Regelungen für die Vermittlung von osteuropäischen Haushaltshilfen in Haushalte mit Pflegebedürftigen bzw. Einstellung von osteuropäischen Pflegehilfen
Eine Rund-Um-Versorgung durch einen deutschen Pflegedienst, der dennoch keine 24-Stunden Präsenz gewährleistet, kostet ca. 1.600 bis 6.000 Euro im Monat, von denen die Pflegekasse je nach Pflegestufe max. 1432 Euro übernimmt. Auch eine Heimunterbringung ist vergleichbar teuer, gewährleistet jedoch eine 24-Stunden-Präsenz. Viele Familien setzen darum die Finanzierbarkeit der Pflege einer Angehörigen an erste Stelle.

Um ein Mindestmaß an Pflegequalität sicherzustellen, hat der Gesetzgeber zwar zum 1.1.2005 ermöglicht, Haushaltshilfen aus Osteuropa legal einzustellen, allerdings nur, wenn sie über die Agentur für Arbeit vermittelt werden. Diese Vermittlung ist für den Zeitraum von 1-3 Jahren möglich (auch mit unterbrochenen Arbeitszeiten und wechselnden Personen in einem Haushalt mit jeweils neuer Anmeldung, wenn der Aufenthalt im Heimatland wenigstens so lang war wie die Tätigkeit in Deutschland). Je nach Bundesland beträgt das Bruttogehalt zwischen 967 und 1.177 Euro /monatlich im ersten Beschäftigungsjahr. Davon gehen für Kost und Logis max. 365.37 Euro ab. Die Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden, die Haushaltshilfe ist sozialversichert. Mitfinanziert werden kann diese Kraft aus dem Pflegegeld (Geldleistung), auf das Versicherte Anspruch haben: Pflegestufe I: 205 Euro, II: 410 Euro, III: 665 Euro (monatlich). Außerdem sind die Aufwendungen im Jahr mit bis zu 634 Euro, bei Pflegestufe III bis 924 Euro von der Steuer absetzbar.

Wenn medizinische Pflege erforderlich wird, reicht die alleinige Beschäftigung einer Haushaltshilfe keinesfalls aus. Medizinisch notwendige Pflege wird bis zu einem Höchstsatz erstattet und erfordert als Pflegeleistungen im Sinne häuslicher Pflegehilfe entsprechend ausgebildete Kräfte. Sie werden in der Regel über einen Pflegedienst vermittelt und halbjährlich extern kontrolliert. Ihre Leistungen (Sachleistungen) werden durch die Pflegekasse mit 384 Euro in Stufe I, 921 Euro in Stufe II und 1432 Euro in Stufe III (monatlich) vergütet. Diese können z.B. auch über einen polnischen Pflegedienst, der in Deutschland ein Büro unterhält, organisiert werden. Selbständige Arbeit von Migrantinnen in der Pflege wird hingegen von den Pflegekassen in der Regel nicht anerkannt.

Die direkte Beschäftigung einer Pflegehilfe durch eine deutsche Familie ist illegal. 
Eine Kombination aus Geldleistung und Sachleistung ist möglich.

Für die Kosten der Pflege kommen die Pflegekasse, der Versicherte selber und ggf. die Kinder auf. Diese haben allerdings einen Selbstbehalt: das Wohnen im eigenen Haus bzw. Kredite für dieses bleiben ebenso unberücksichtigt wie ein Selbstbehalt von 1.400 Euro + 1.050 Euro für den Ehepartner + Freibeträge für die Kinder + evt. Altersversorgungsbeiträge und Vermögen bis 50.000 Euro.

Besonders in grenznahen Bereichen, in denen Pflegekräfte auch durch Pflegedienste, die in Polen ansässig sind, vermittelt werden können, gibt es in der ambulanten Pflege Konkurrenz zwischen polnischen und deutschen Frauen, weil die Nachfrage bei deutschen Pflegediensten nachlässt.

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