Offener Brief der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. an die Bundesverbände der Krankenkassen (Dezember 2005)

Sehr geehrte Damen und Herren, 
die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. wendet sich an Sie, um Sie noch einmal dringend aufzufordern, Ihre Bewilligungspraxis von Mutter-Kind-Kuren dahingehend zu verbessern, dass sie dem gesetzlichen Anspruch von Frauen und Kindern auf eine stationäre Kur bei ärztlich attestierter Kurbedürftigkeit entspricht.

Laut SGB V §§ 23/24 und 27/41 werden stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen für Mütter und Väter sowie ihre Kinder erbracht, wenn eine entsprechende Indikation vorliegt und eine ambulante Behandlung nicht ausreicht, um eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen, einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken, Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. (§ 23, Abs. 1)

Die Beobachtung der Belegungszahlen in den uns bekannten Mutter-Kind-Kureinrichtungen und die Erfahrungen uns bekannter Beratungsstellen zeigen uns, dass das Gesetz sich nicht zum Wohle der Kurberechtigten auswirkt.

Im vergangenen Jahr haben Sie 19,5 % der Vorjahreskosten in diesem Bereich eingespart. Nachdem Sie wiederholt auf die Folgen Ihrer Sparmaßnahmen - z.B. durch das Deutsche Müttergenesungswerk und dem Deutschen Frauenrat - hingewiesen worden sind, hat sich ihre Praxis jedoch nicht verändert.
Durch viele Kleinspenden von Frauenhilfemitgliedern, überwiegend Frauen ab 55, sind Mittel für Mütter und ihre Kinder bereitgestellt worden. Es ist für unser Gesundheitssystem beschämend, dass es trotz Rechtsanspruch nur mit privater Hilfe im großen Umfang möglich ist, Frauen und Kindern die dringend benötige Kur zukommen zu lassen.

Die Mütter, die von diesen Kleinspenden schon profitieren konnten, berichten von gutem und sehr gutem Kurerfolg. Solche Spenden sparen unserem Gesundheitssystem enorme Folgekosten, da sie dazu verhelfen, die Doppelbelastungen von Familie und Beruf besser zu tragen und angemessener als bisher mit gesundheitlichen und pädagogischen Herausforderungen umzugehen.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. ist der größte evangelische Frauenverband mit 80.000 Mitgliedern. Seit Anfang des letzten Jahrhunderts hat sie Müttererholung angeboten. Heute koordiniert sie durch ihre Landesvermittlungsstelle die Arbeit der evangelischen Vermittlungsstellen in Westfalen.

Der Verband hat frühzeitig erkannt, dass Familienarbeit anstrengend und erschöpfend sein kann und Mütter Unterstützung benötigen, um ihren Aufgaben wieder gerecht werden zu können. Zwar haben sich die Formen der Müttererholung gewandelt, aber bis heute zählt die Unterbrechung des Alltags, also Orts- und Luftveränderung, zu den Grundbedingungen der Mutter-Kind-Kurarbeit.

Das Hauptargument, Kuren abzulehnen, ist der Vorrang der ambulanten Versorgung. Gerade in diesem Fall ist die Argumentation aber nicht schlüssig, da familiäre Strukturen und eingespielte Alltagsabläufe nicht allein mit gutem Willen vor Ort durchbrochen werden können. Im Anforderungsprofil für stationäre Versorgungseinrichtungen nach § 111 a SGB V, die Leistungen zur medizinischen Vorsorge nach § 24 SGB V erbringen, wird darum zu Recht erwartet, das interaktive Therapien angeboten werden, die die Lebenszusammenhänge und die geschlechtsspezifischen Aspekte von Gesundheit und Krankheit, psychosoziale Problemsituationen sowie gegebenenfalls die Verbesserung der gestörten Mutter-Kind-Beziehung berücksichtigen.

Wir fordern Sie daher noch einmal dringend auf, Ihre Bewilligungspraxis im Interesse der Mütter und Kinder zu überprüfen und zu verändern. Mutter-Kind-Kuren haben nachgewiesenermaßen eine nachhaltige gesundheitsfördernde und gesundheitserhaltende Wirkung für Mütter und Kinder. Das stärkt Familien dauerhaft und trägt zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft bei.

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