100-jähriges Bestehen der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. im Jahr 2006 (Januar 2006)

2006 wird die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. 100 Jahre alt. Das Jubiläumsmotto lautet:

Bibelarbeiten, Bibelgespräche, Andachten und Gottesdienste sind wichtige Elemente im Zusammentreffen der Gruppen und in der Begleitung der Gruppen durch den Landesverband.
Die zentrale Jubiläumsveranstaltung - ein Evangelischer Frauentag - wird am 20. Mai 2006 in der Westfalenhalle in Dortmund stattfinden. Ein Eröffnungsgottesdienst, vierzig Workshops und ähnlich viele Informationsstände werden mehr als 8.000 Gästen ein buntes Bild über die Vielzahl der Aktivitäten der Frauenhilfe geben.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. ist ein Verband, dem 39 Bezirks- und Stadtverbände angehören, die etwa 1.350 Frauengruppen in fast allen Gemeinden Westfalens repräsentieren. Fast 80.000 Frauen werden durch die Frauenhilfe in kirchlichen, politischen und theologischen Fragen vertreten. Der Verband ist Sprachrohr und Interessentenvertretung einer großen Anzahl von Frauen.
In Zusammenarbeit mit anderen Gruppierungen und Organisationen innerhalb und außerhalb Westfalens nimmt der Verband Stellung, leitet Informationen weiter und bietet Weiterbildung für Frauen an. Der Verband gehört der Evangelischen Frauenhilfe in Deutschland e.V. an und hat damit auch bundesweite Wirkung.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. wurde 1906 gegründet. Es handelt sich um einen Frauenverband mit langer Tradition und großer Verbindlichkeit der ehrenamtlichen Arbeit in der Kirche in Verbindung mit sozial-diakonischen und theologischen Aufgaben.
Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt in der gemeindebezogenen Frauenverbandsarbeit. Impulse aus der gemeindebezogenen Frauenverbandsarbeit können zur Übernahme von Aufgaben führen, die die Trägerschaft von sozial-diakonischen Einrichtungen nach sich zieht.

Beispiele für sozial-diakonische Arbeit sind die Arbeit mit Menschen mit psychischen Erkrankungen und mit geistiger und psychischer Behinderung, die Ausbildung von Frauen in der Altenpflege, frauenorientierte Altenarbeit, die parteiliche Beratungsarbeit für Frauen, die Schwesternschaft sowie die Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern.

Zum Verband gehören elf verschiedene sozial-diakonische Einrichtungen. An der Spitze des Verbandes steht ein ehrenamtlicher Vorstand, der von der Mitgliederversammlung von den entsandten Delegierten der Mitgliederorganisationen auf vier Jahre gewählt wird. Die operative Arbeit wird verantwortet von der leitenden Pfarrerin und der Geschäftsstelle. Angeboten werden Serviceleistungen für die Mitglieder, die Begleitung der sozial-diakonischen Arbeitsfelder in frauenrelevanten Bereichen sowie eine umfassende Palette von Bildungs- und Informationsangeboten für Frauen.

Ca. 8.000 Ehrenamtliche arbeiten in satzungsbedingten Wahl- oder Berufungsämtern der Frauenhilfe und ca. 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in festen Anstellungsverhältnissen.

Anfänge in den örtlichen Gemeindegruppen 
Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen als Verein ist entstanden aus vielen einzelnen Gruppen von Frauen, die sich in den Kirchengemeinden zusammenschlossen, um sich gegenseitig und anderen zu helfen. Teilweise waren die Gruppen im „Evangelisch-kirchlichen Hülfsverein“ organisiert.
Die Anfänge der Frauenhilfe-Arbeit liegen demnach in den örtlichen Gemeindegruppen, und dort ist bis heute der Schwerpunkt der Arbeit. Als nach der Gründung der Reichsfrauenhilfe 1899 durch Kaiserin Auguste Viktoria auch der Provinzialverband Westfalen 1906 ins Leben gerufen wurde, gab es schon viele örtliche Frauenhilfegruppen.

Die Gründungssituation 
Am 7.März 1906 wurde unter Leitung von Generalsuperintendent Wilhelm Zöllner der Provinzialverband der Westfälischen Frauenhülfe in einer Versammlung von Vertretern und Vertreterinnen aus 75 Frauengruppen Westfalens in Witten (Ruhr) gegründet. Dies war die letzte Gründung eines Provinzialverbandes in den altpreußischen Provinzen. Zöllner erinnerte sich später daran, „dass die Westfalen gegenüber allen Anregungen von oben immer skeptisch gewesen seien“. Trotzdem überflügelte der neue Verband zahlenmäßig bald die anderen Provinzialverbände. Bereits 1909 gehören dem Verband 252 Vereine an. 1929 werden 155.000 Mitglieder gezählt.

Herausforderung durch soziale Fragen 
Frauen erfuhren, dass im Zusammenschluss einer Gruppe bzw. eines Vereins bestimmte Aufgaben erfüllen konnten und die eigenen Belange vertreten werden konnten. Nicht ohne Grund wuchsen die Gruppen zur Zeit der Industrialisierung Anfang dieses Jahrhunderts besonders stark. Sie waren durch die Nöte und Veränderungen innerhalb der sozialen Struktur herausgefordert. Die Einheit von Wohnen und Arbeiten ging in den Industriegebieten verloren. Massensiedlungen und Arbeiterkolonien entstanden; Menschen aus ländlich geprägten Gebieten strömten in die Industriereviere und suchten die Fremdheit und Anonymität zu überwinden. Frauen litten besonders unter den sozialen Belastungen, waren zur Arbeit außer Haus gezwungen; die Versorgung der Kinder war kaum zu gewährleisten.

In den Frauengruppen konnten sie miteinander bekannt werden, entwickelten nachbarschaftliche Verbindungen und es entstand eine soziale Infrastruktur. In den Frauengruppen konnten Nöte, Erfahrungen und Freuden ausgetauscht werden, Gemeinschaft konnte erlebt und Heimatgefühl entwickelt werden.

Bezirksfrauensystem 
Die Struktur der Vereine und Gruppen war besonders gekennzeichnet durch das flächendeckende Netz des Bezirksfrauensystems. Bezirksfrauen machten in einem bestimmten Wohnbereich Besuche, gaben Informationen weiter, begegneten Notlagen in den Familien und konnten in enger Zusammenarbeit mit der jeweiligen Vorsitzenden des Vereins und dem Gemeindepfarrer helfend eingreifen.

An diesem engen „Nachbarschaftsnetz" hat sich im Grundsatz bis heute nichts geändert. In vielen Städten ist diese Art des persönlichen „sozialen" Dienstes heute wieder genauso notwendig wie zu Anfang dieses Jahrhunderts. Leider ist das Netz der Besuchsdienste und der Nachbarschaftshilfe in vielen Kirchengemeinden nicht mehr so dicht wie früher.
Zum Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen gehören heute ca. 5.000 Bezirksfrauen. 

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