Informationen zu Kampagnen "Fußball-WM 2006 und Menschenhandel“ (März 2006)

In der Bundesrepublik gibt es scheinbar eine unübersichtliche Kampagnenflut in diesem Bereich. Bundesverbände/-organisationen und regionale Bündnisse, konfessionelle Aktionen etc. versperren mancher die Sicht auf die wesentlichen Anliegen.

Hier eine Art Kompass:
Allen gemeinsam sind die Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution.

Allen gemeinsam ist, in der Zeit der Fußball Weltmeisterschaft Menschen für das Thema zu sensibilisieren, da davon auszugehen ist, dass die Nachfrage nach Prostitution - und damit auch die Nachfrage nach Zwangsprostituierten - steigen wird.

Allen gemeinsam ist, dass nicht eine Kampagne die andere ersetzen soll, sondern sie sich als ineinander greifend und einander ergänzend verstehen, um die beiden o.g. Ziele zu erreichen.

Unterschiedlich ist:

Das Verständnis von Prostitution:
Einige wollen Prostitution an sich gesetzlich verbieten.
Andere verstehen Prostitution als den "ältesten Beruf“ der Welt, deren Verbot zur Illegalisierung und Kriminalisierung aller Frauen führt, die in diesem Bereich - auch freiwillig - tätig sind.

Der Umgang mit Freiern/Kunden von Prostituierten:
Einige wollen Männer gesetzlich verurteilen lassen, wenn sie die Dienste von Prostituierten nutzen.
Einige wollen Männer gesetzlich verurteilen lassen, die die Dienste von Zwangsprostituierten nutzen.
Andere wollen die Freier sensibilisieren, sich verantwortlich zu verhalten und Kennzeichen vermitteln, um Zwangsprostituierte und Prostituierte zu unterscheiden. Die Freier begehen bei Inanspruchnahme von Zwangsprostituierten schon jetzt gesetzlich ein Strafdelikt.

Die Zielrichtung der Kampagnen richtet sich nach diesen Grundverständnissen:

  • Freierkampagne
    Aufklärung und Sensibilisierung von Freiern zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Zwangsprostituierten und zur Entdeckung/Befreiung der Zwangsprostituierten (z.B. Nadeschda/Bündnis OWL).
  • Kampagne mit politischen Forderungen
    Die Frage des Freier- und Prostitutionsverständnisses bleibt unberührt. Anliegen ist, konsequent Menschenhandel als Menschenrechtsverletzung politisch umzusetzen. Netzwerke für Opfer von Menschenhandel im Inland wie auch in den Herkunftsländern sind somit finanziell und personell qualifiziert auszustatten, Aufenthaltsrechte zu definieren etc. (Deutscher Frauenrat).
  • Kampagnen für Zwangsprostituierte
    Da es in der WM-Zeit verstärkt zu Inanspruchnahme von Prostituierten und Zwangsprostituierten kommen wird, werden Hotlines und Anlaufstellen für die Betroffenen in den Regionen eingerichtet/verstärkt und über die Orte und Hotlines im Milieu informiert (z.B. Solwodi, Mitternachtsmission).
  • Regionale und überregionale Kampagnen
    In NRW gibt es mit Dortmund, Gelsenkirchen und Köln drei Austragungsorte der WM. In zahlreichen Städten wird zudem auf Großleinwänden den Fußballfans Rechnung getragen, ein Rahmenprogramm aufgestellt. Andere Orte dienen wiederum der Unterbringung der verschiedenen Fußballmannschaften. 
    Aufgrund dieser regionalen Unterschiedlichkeit der "Betroffenheit“ von der WM haben die Regionen unterschiedliche Aktionen gestartet - zumeist in regionalen (überkonfessionellen, überparteilichen und kommunalen) Bündnissen organisiert.
    Einen unterschiedlichen Akzent erhalten auch jene Regionen in NRW, in denen eine Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel ihren Sitz hat (z.B. Dortmund, Hagen, Herford, Herne).
  • Unterschiedliche Zeitstruktur
    Einige Aufklärungsinitiativen sollen weit über die WM laufen (z.B. die des Diakonischen Werkes der EKD), die meisten beschränken sich auf die Vor- und Laufzeit der WM.
  • Rund um das Thema 
    Die Kampagne des Diakonischen Werkes will als Aufklärungskampagne nicht auf Freier oder Zwangs-/Prostituierte abzielen, sondern allen, die zum Thema Beratung, Hilfe wollen oder Fragen haben, eine Anlaufstelle bieten.

Drei bundesweite Kampagnen

FiM. Frauenrecht ist Menschenrecht e.V.
www.fim-frauenrecht.de
www.stoppt-zwangsprostitution.de

FiM e.V. ist die hessische Koordinierungs- und Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel sowie für Sozialberatung für Frauen aus Afrika, Lateinamerika, Mittel- und Osteuropa und Asien.
Die provokative Freierkampagne, um Freiern die Problematik der Zwangsprostitution bewusst zu machen und verantwortungsvolles Handeln zu fördern, wurde am 22.Februar der Öffentlichkeit vorgestellt.
Für die Kampagne wird eine Indikatorenliste in Umlauf gebracht, die Zwangsprostitution für den Kunden erkennbar machen soll.

Kooperationspartner sind u.a. terre des femmes, Evangelische Frauenarbeit in Deutschland, Männerarbeit der EKD, Gewerkschaft der Polizei, KOK (Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt gegen Frauen im Migrationsprozess) sowie verschiedene hessische Institutionen.

Diakonisches Werk der EKD - 
Handeln gegen Zwangsprostitution

www.diakonie.de

In erster Linie zur Aufklärung der Gesamtöffentlichkeit: Sensibilisierung und Aufruf zum Hilfeleisten; keinesfalls provokativ oder konfrontativ weder in Richtung Freier noch in Richtung Fußball-WM.
Bündelung und Koordinierung der vorhandenen Aktivitäten der Mitglieder des DWs ist Ziel der Öffentlichkeitsinitiative.
Startet zur WM, Auftakt ist im April, geht aber 3 Jahre lang 
U.a. ist eine Plakataktion auf den Herrentoiletten geplant, zudem wird eine Hotline geschaltet.
Kooperationspartner sind u.a. Evangelische Frauenarbeit in Deutschland, Männerarbeit der EKD, Bundesverband der Bahnhofsmissionen.

Deutscher Frauenrat - 
“Abpfiff - Schluss mit der Zwangsprostitution“
www.abpfiff-zwangsprostitution.net

Ziel der Kampagne ist es, langfristig eine gesellschaftliche Diskussion dieses Themas über die WM hinaus und auf einem höheren Niveau als bisher zu erreichen.
Kampagne, die sich nicht generell gegen Prostitution oder gegen Prostituierte wendet, sondern gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel als Menschenrechtsverletzungen.

Mit der Kampagne soll einerseits die Öffentlichkeit für das Problem des Frauenhandels und der Zwangsprostitution sensibilisiert werden. Darüber hinaus soll die Problematik mit expliziten Forderungen an politisch Verantwortliche herangetragen werden.

Kooperationspartner sind u.a. Evangelische Frauenarbeit in Deutschland, Männerarbeit der EKD, amnesty international, Bund deutscher Kriminalbeamten, Bundesverband sexueller Dienstleistungen, Ökumenisches Forum christlicher Frauen in Europa (ÖFCFE), Männer gegen Männergewalt, Medica Mondiale, KOK (Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt gegen Frauen im Migrationsprozess)

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. beteiligt sich aktiv

  • an der Kampagne des Deutschen Frauenrates, die politische Forderungen zur Bekämpfung des Menschenhandels stellt. Der Start dieser Kampagne war der Internationale Frauentag am 8.3.2006.
  • an der Freierkampagne des regionalen Bündnisses in Ostwestfalen mit dem Titel: "Abpfiff. Stoppt Zwangsprostitution".

Nadeschda mit Sitz in Herford, seit 1997 in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V., hat ein kommunales, überparteiliches Bündnis in Ostwestfalen und Lippe initiiert.

Zu Ostwestfalen-Lippe zählen die Kreise Minden-Lübbecke, Herford, Lippe, Höxter, Paderborn, Gütersloh und die kreisfreie Stadt Bielefeld.

Die Gleichstellungsbeauftragten der Kreise, die Frauenbeauftragten und Frauenreferate der Kirchenkreise, die Lippische Landeskirche, die Grünen/Bündnis 90 Gütersloh und Herford sowie die SPD Spenge, der Kreissportbund Herford, das Gesundheitsamt Gütersloh, die Evangelische Männerarbeit Herford, und die Opferschutzbeauftragten der Kreispolizeien sind u.a. im Bündnis vertreten.

Pressearbeit, Postkarten und Plakate sollen Freier sensibilisieren und auf Zwangsprostituierte hinweisen. Auslage werden Kneipen sein, Polizeifahrzeuge weisen darauf hin u.v.m.
Anfang Mai wird offiziell der Start dieser Kampagne sein und bis zum Ende der WM laufen.

Der Titel "Stoppt Zwangsprostitution“ steht übersetzt in englisch, russisch, spanisch und französisch, um möglichst viele Menschen mit der Kampagne zu erreichen. Die Appelle und Indikatorenlistung zur Erkennung von Zwangsprostituierten stehen auf der Rückseite der Postkarte zweisprachig (deutsch und englisch).

Als Titelbild für die Postkarte und das Plakat ist aus der Tipp-Kick-Reihe der Torwart (verfremdet als Frau) und ein Spieler zusehen. 
Die Freierkampagne wird durch Gelder des Bündnisses, Sponsoren und Spenden finanziert; eine Grafikerin hat kostenfrei das Motiv und Layout erstellt.

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