Menschenwürde ist und bleibt oberstes Gut
Stellungnahme zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Regelsätzen des SGB II (Februar 2010)

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat klargestellt, dass es die Methode zur Festsetzung der Regelleistungen gegenwärtig für verfassungswidrig hält.
Es hat angeordnet, dass die Regelleistungen für die Zukunft neu festzusetzen seien. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Regelsätzen des SGB II am 09. Februar 2010 wird von der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. begrüßt.

Als Trägerin des Frauenhauses Soest und der Frauenberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel, Nadeschda in Herford, hat sie das Urteil des BVerfG mit Spannung erwartet. Auch wenn sein Inhalt vorhersehbar war, überrasche doch die deutlich formulierte Kritik an der bisherigen Ermittlung des Existenzminimums, vor allem für Kinder. Jene hat das Gericht als unvereinbar nicht nur mit der verfassungsrechtlich garantierten Menschenwürde sondern auch mit dem Sozialstaatlichkeitsprinzip erachtet. Demnach wird der Bedarf nur für Alleinstehende bzw. den Haushaltsvorstand nachvollziehbar nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ermittelt, während der Bedarf aller weiteren Mitglieder „ins Blaue hinein“ (Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier) abgeleitet wird.

Das BVerfG hat dem Gesetzgeber Hausaufgaben erteilt, die Regelleistungen bis Ende 2010 neu zu bemessen. Nachdem das Gericht nur sehr unklare Maßgaben gesetzt hat, wie diese Neubemessung der Regelleistungen auszusehen hat, ist es jetzt geboten, entsprechende „Nachhilfe“ durch die Betroffenen und die Sozial- und Wohlfahrtsverbände zu geben. Das Jahr 2010 sollte - so die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. - zu einem Jahr der Proteste gegen Niedriglohn, Sozialkürzung und für das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Leben werden.

Die Entscheidung werde in der Perspektive eine Reihe von Veränderungen nach sich ziehen: vorübergehend und dauerhaft die Schaffung einer Anspruchsgrundlage für laufende atypische Bedarfe, höhere Regelleistungen für Kinder, möglicherweise auch für Erwachsene. Das BVerfG hat dahingehend eine Marke gesetzt, stellt der Frauenverband fest, dass die Menschenwürde oberstes Gut sei und dass auch der Gesetzgeber oder auch Regierungen daran nichts ändern dürfen.

§ 9 SGB II regelt, dass bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit einer Person auch das Einkommen und Vermögen von deren Partner oder Partnerin berücksichtigt werden muss. Hilfebedürftig ist demnach nicht, wer mit einem Partner oder einer Partnerin zusammenlebt, dessen/deren Einkommen den gemeinsamen Existenzbedarf abdeckt.
Dieser Bedarf orientiert sich an den Regelsätzen des SGB II, über die das Bundesverfassungsgericht nun sein Urteil gefällt hat.

Wer aber dem  Gesetz nach nicht hilfebedürftig ist, kommt in der Regel auch nicht in den Genuss der aktiven Arbeitsförderungsmaßnahmen. Denn letztere sind an den Bezug von Geldleistungen geknüpft.
Nach Aussagen des Deutschen Frauenrats betrifft dies jedoch zu 74 Prozent langzeitarbeitslose Frauen.  Die Anrechnungsregelungen für das Partnereinkommen sind dahingehend zu verändern, dass mittelbare Diskriminierungen wegen des Geschlechts verhindert und positive Anreize für die Bildung und Stabilität von Solidargemeinschaften geschaffen werden.
Dazu bedarf es nach Ansicht der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. zumindest der Rücknahme der seit dem Fortentwicklungsgesetz unwiderlegbaren Vermutung, dass erwachsene Mitglieder gegenseitig für den Unterhalt aufkommen wollen. Darüber hinaus müssen auch Arbeitsuchende, die wegen der Anrechnung des Partnereinkommens keine Geldleistungen erhalten, in vollem Umfang von den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung profitieren können.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. ist ein Frauenverband mit fast 80.000 Mitgliedern und Trägerin von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Alten-, Behindertenhilfe und der Anti-Gewalt-Arbeit in Westfalen.

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