Zur Menschenrechtssituation in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten (September 2010)

Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Guido Westerwelle

In einer zehntägigen Frauenbildungs- und Begegnungsreise - veranstaltet von der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. - nach Israel/Palästina im Mai und Juni 2010 konnten dreizehn westfälische Frauen die Menschenrechtssituation in Israel und Palästina aus der Nähe beobachten: einerseits durch zahlreiche und intensive Begegnungen mit Israelis und Palästinensern, andererseits auch im Gespräch mit Einzelpersonen und Vertreterinnen von unterschiedlichen Organisationen.

Gesprächspartnerinnen und -partner dort haben die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. gebeten, auch hier in Deutschland ihre Stimme für Frieden und Gerechtigkeit im „Heiligen Land“ zu erheben.

Die Lage, in der sich sowohl Israel als auch Palästina befinden, ist besorgniserregend und spitzt sich weiter zu. Während des Aufenthaltes der Gruppe im Land ereignete sich der gewaltsame Stopp eines pro-palästinensischen Schiffskonvois mit Hilfslieferungen für den Gaza-Streifen durch ein israelisches Militär-Kommando in internationalem Gewässer.

Über Jahrzehnte hinweg haben einige Palästinenserinnen und Palästinenser - unterstützt von umliegenden arabischen Staaten - in Israel Angst und Schrecken verbreitet. Selbstmordanschläge haben viele Menschen in den Tod gerissen.

Die israelische Regierung ist andererseits verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen gegenüber Palästinenserinnen und Palästinensern, auch für den Tod Unschuldiger.
Die jüdischen Einwanderer aus Europa und den USA haben ihren Staat auf dem vorher von Palästinenserinnen und Palästinensern bewohnten Land errichtet. Heute umfasst das Staatsgebiet Israel weit mehr Fläche, als 1948 vom UN-Teilungsplan vorgesehen war. Massive Verletzungen der Menschenrechte von Palästinenserinnen und Palästinensern charakterisieren Abschnitte der israelisch-palästinensischen Geschichte: willkürliche Angriffe, gewaltsame Vertreibungen von palästinensischen Zivilistinnen und Zivilisten sowie eine über 700 km lange Mauer, die weitgehend auf palästinensischem Gebiet errichtet ist, sind nur einige Beispiele dafür. Eine aggressive Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten und die Abriegelungspolitik im Gazastreifen sind dabei weder deeskalierend noch menschenwürdige Strategien.

Weder die palästinensische Gewalt noch die israelische Politik der Apartheid, der Demütigung und Diskriminierung wird der Bevölkerung und der Region Frieden bringen.

Der Staat Israel ist verantwortlich für mehrere Verletzungen von internationalen Menschenrechtskonventionen. Folter und illegale Exekutionen sind übliche Bestandteile der israelischen Besatzungspolitik.
Es ist empörend, dass Israel so viele UN-Resolutionen und Initiativen abgelehnt hat, die das Ende der Menschenrechtsverletzungen und eine friedliche Beilegung des Konfliktes zum Ziel hatten.

Als Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e. V. fühlen wir uns verantwortlich, an die Shoah zu erinnern.
Sie hatte ihren Ursprung in Deutschland und gipfelte im Genozid an sechs Millionen europäischer Juden.
Die Menschen in Israel fürchten ständig um ihre Sicherheit und um die Existenz ihres Staates:
Er ist von Staaten umgeben, die die Existenz des Staates Israel nicht anerkennen. Diese Staaten haben sowohl die Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten in ihrem eigenen Land als auch Völkermorde durch andere arabische Staaten geduldet und teilweise sogar unterstützt. Dies und regelmäßig wiederkehrende Drohungen gegenüber Israel führen zum Bedürfnis des internationalen Schutzes für Israel und zur Notwendigkeit der Anerkennung des Staates Israel durch die palästinensische Regierung.

Nach Jahren der Gewalt und des Leidens hat die überwältigende Mehrheit der Menschen in Israel und Palästina nur einen Wunsch: Frieden.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e. V. begrüßt die erneute Aufnahme von Gesprächen zwischen der israelischen und palästinensischen Regierung. Die deutsche Bundesregierung kann verschiedene Maßnahmen ergreifen, um die Verantwortlichen auf beiden Seiten darin zu unterstützen, Wege zu finden, diesen Konflikt zu lösen und eine friedliche Lösung zustande zu bringen.

Die Forderungen des Verbandes stellen sich hinter die Vorschläge, die von jüdischen und arabischen Gesprächspartnerinnen auf der Reise formuliert wurden.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. fordert Sie auf

  • die israelische Regierung zu drängen, endlich ernsthafte Schritte in Richtung der Etablierung eines palästinensischen Staates mit voller Souveränität innerhalb der Grenzen von 1967 zu unternehmen, Rückbau der israelischen Siedlungen auf besetztem Gebiet, und eine gerechte und akzeptable Lösung der Jerusalemfrage und der Frage des Rückkehrrechtes palästinensischer Flüchtlinge anzustreben;
  • die zahlreichen Stimmen, die auf Seiten beider Konfliktparteien nach Versöhnung und Frieden rufen, anzuhören, zu unterstützen und zu stärken, deren Forderungen beispielhaft im "Geneva Accord" (Genfer Initiative) dokumentiert sind;
  • einen Prozess in Richtung des internationalen Schutzes der Staaten Israel und Palästina durch UN und NATO zu initiieren;
  • die palästinensische Regierung dazu zu drängen, die rechtmäßige Existenz des Staates Israel voll anzuerkennen;
  • Verhandlungspartner in der arabischen Welt dazu zu drängen, den Staat Israel zu akzeptieren und die Unterstützung von palästinensischem Terror zu unterlassen;
  • sowohl Menschenrechtsverletzungen als auch Diskriminierung und Apartheid gegenüber der palästinensischen und beduinischen Bevölkerung durch die israelische Regierung und Verwaltung zu verurteilen.

Beschlossen in der Vorstandssitzung der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. am 10. September 2010 in Soest

Fenster schließen