Razzia in OWL-Bordellen: Verdacht auf Frauenhandel (September 2011)

Beamte der Staatsanwaltschaft und Polizei haben zahlreiche Bordelle und Wohnungen in Ostwestfalen sowie in Hessen und Niedersachsen Mitte September durchsucht. Es bestehe der Verdacht auf Zuhälterei und Menschenhandel, sagte Ralf Steinmeyer, Sprecher der Kreispolizeibehörde Minden, die bei den Ermittlungen zusammen mit der Bielefelder Staatsanwaltschaft die Federführung übernommen hat.

Etwa 40 Zivilfahnder hatten am frühen Nachmittag zeitgleich Objekte in Bielefeld, Bünde, Gütersloh, Minden, Paderborn, Porta Westfalica sowie in Fulda und im Kreis Holzminden unter die Lupe genommen und zahlreiche Beweismittel und Unterlagen sichergestellt. Der groß angelegten Razzia waren umfangreiche Observationen vorausgegangen. Zu Festnahmen kam es allerdings nicht. Sechs Verdächtige wurden zunächst auf die Polizeidienststellen gebracht und später wieder auf freien Fuß gesetzt. Zu den Vorwürfen hätten sie allesamt geschwiegen, sagte Steinmeyer.

Die Ermittlungen hatten begonnen, nachdem sich eine 28 Jahre alte Frau aus Bulgarien vor geraumer Zeit der Polizei in Minden anvertraut hatte. Nach ihrer Aussage war sie mehrfach verprügelt und misshandelt worden und musste in mehreren ostwestfälischen Bordellen für einen Hungerlohn anschaffen. Ursprünglich habe man ihr einen "Job als Kindermädchen" versprochen.

Polizeiliche Ermittler berichten, dass das Rotlichtmilieu weitgehend vom organisierten Verbrechen beherrscht wird. Menschenhandel, Nötigung, Erpressung und Gewalt seien hier nach wie vor an der Tagesordnung.
Allein in Ostwestfalen-Lippe wird die Zahl der Bordelle, die meistens als "Bar" oder "Club" firmieren, auf etwa 200 geschätzt. Zwar werden sie regelmäßig von der Polizei oder dem Zoll kontrolliert, aber meistens werden dabei nur kleine Verstöße registriert.

"Was die Frage der Zwangsprostitution angeht, so gibt es ein sehr großes Dunkelfeld, das nur schwer zu erhellen ist", sagt ein Ermittler aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Ein Grund dafür sei die Tatsache, dass die Zuhälter und Anwerber häufig "perfide Methoden benutzen", erläutert Corinna Dammeyer, Mitarbeiterin von Nadeschda, der Herforder Frauenberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel. Die Zuhälter würden jungen Frauen zum Beispiel häufig den Pass wegnehmen und damit drohen, dass der Familie in der Heimat
"etwas zustoßen könnte", falls von ihnen die Polizei zu Hilfe gerufen werde.

Gleichwohl kommen jedes Jahr etwa 50 Prostituierte in die Beratungsstelle Nadeschda und bitten dort vertraulich um Hilfe. Etwa ein Drittel davon habe die bulgarische Staatsbürgerschaft, ein Drittel komme aus Nigeria, der Rest der Hilfesuchenden verteile sich auf verschiedene Nationen, sagt Dammeyer. Nach ihren Beobachtungen wurden zuletzt vor allem junge Roma-Frauen aus Bulgarien und Rumänien als Prostituierte in Deutschland angeworben. Fast immer spielten dabei falsche Versprechungen eine Rolle.

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