Südwestfälisches Beratungsangebot für Prostituierte notwendig (November 2011)


Angeregte Diskussionen führten (v.l.n.r.)
Pfarrerin Birgit Reiche (Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.), Karola Born (Gesundheitsamt des Kreises Soest), Erika Denker (Vorstandsmitglied der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V.), Michael Remmert (Kreispolizeibehörde Soest), Mira von Mach (Beratungsstelle NADESCHDA) und Verena Schäffer (frauenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW) über die Situation von Prostituierten im ländlichen Bereich.

„Prostitution soll legal und öffentlich sein. Das Prostitutionsgesetz ist der richtige Weg dahin gewesen“, betont Verena Schäffer, frauenpolitische Fraktionssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW mehrmals.  Am 8.11.2011 hatte sie dazu Gelegenheit bei einer Podiumsdiskussion über „Prostitution im ländlichen Raum“, die von der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen veranstaltet wurde.

Anlass der Veranstaltung und der Zusammenarbeit der Veranstalterinnen war die gemeinsam ausgerichtete Feier zum 100. Internationalen Frauentag Anfang März in Soest. Dort hatte die Landesministerin für Frauen, Barbara Steffens, sich diskussionsbereit für ein Beratungsangebot für Prostituierte in Südwestfalen gezeigt. Zu Südwestfalen haben sich 2007 der Hochsauerlandkreis, der Märkische Kreis und die Kreise Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest zusammengeschlossen.

Angebote für freiwillige Prostituierte und für Zwangsprostituierte im städtischen Bereich unterscheiden sich deutlich von denen im ländlichen Bereich. Verena Schäffer zeigte auf, dass in NRW acht Fachberatungsstellen gefördert werden; aber nur eine ist für den ländlichen Raum zuständig, die anderen sieben sind im Ruhrgebiet und Metropolen im Rheinland tätig. Daher waren die Aussagen und Situationsbeschreibungen der seit 15 Jahren tätigen Sozialarbeiterin Mira von Mach für die Anwesenden wesentlich. Sie arbeitet in der Frauenberatungsstelle NADESCHDA, zuständig für Menschenhandel im Raum Ostwestfalen-Lippe und seit 1997 in Trägerverantwortung der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen.

Seit 2011 hat THEODORA, die Prostituierten- und Ausstiegsberatung für Mädchen und junge Frauen, offiziell ihre Arbeit aufgenommen. Diese Beratungsstelle ist ebenfalls in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen und auch für den Raum Ostwestfalen-Lippe zuständig, ein Bereich mit etwa 200 Bordellen bzw. bordellähnlichen Betrieben. „Prostitutionsberatung hat in der Frauenhilfe eine große Akzeptanz und eine lange Tradition…“, erklärte Erika Denker, südwestfälisches Mitglied des Vorstandes der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen. Und weiter: „Unsere Vision ist diese Beratungsarbeit in Südwestfalen in Trägerschaft der Frauenhilfe mit aufzubauen…“

Michael Remmert von der Kreispolizeibehörde Soest und Karola Born vom Gesundheitsamt des Kreises Soest verdeutlichten die Situation der Prostituierten im Kreis Soest den ca. 30 anwesenden Gästen der Veranstaltung. Ca. 400 bis 500 Prostituierte im Jahr, die ungefähr zu 80 % aus Osteuropa kommen, arbeiten in sieben Bordellbetrieben und 13 Wohnungen im Kreis Soest. Sie melden ein Gewerbe an, sind als Selbständige tätig und führen durch eine Pauschalbesteuerung zu einem jährlichen Steueraufkommen im Kreis Soest von 100.000 bis 120.000 € im Jahr. Die Prostituierten wechseln häufig den Ort, daher sprechen die Fachleute von „Wanderprostituierten“ und „Terminwohnungen“ - im Kreis Soest sind im Jahresdurchschnitt ca. 110 selbständige Prostituierte tätig. Die Kreispolizei führt ca. ein Mal monatlich in jedem Betrieb Kontrollen durch.
Ein bis zwei Fälle von Menschenhandel jährlich treten im Kreis Soest auf. „Unsere Zahlen sind insgesamt sehr genau… Wir wissen sicher auch nicht alles - Ich denke aber, dass wir einen 90 bis 95%igen Überblick haben“, stellte Michael Remmert fest. Karola Born erläuterte das anonyme Untersuchungsangebot für Prostituierte, dass sie im Gesundheitsamt des Kreises Soest mit aufgebaut hat. Die kostenpflichtige Sprechstunde, die alle 14 Tage für gynäkologische Untersuchungen Prostituierten angeboten wird, wird mal mehr, mal weniger in Anspruch genommen.

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