Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche (Februar 2012)

"Die evangelische Kirche wird zunehmend von Frauen beherrscht" - dieses Gerücht eilt seit einiger Zeit durch die Lande und gibt Anlass zu manchen besorgten Zwischenrufen. Auf einer Tagung der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. und verschiedenen Instituten der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) und der Evangelischen Kirche im Rheinland wurde Ende Februar der "Mythos Feminisierung" auf den Boden der Tatsachen geführt. Die Teilnehmerinnen waren sich einig: Es ist noch ein weiter Weg zu einer Kirche, in der Gerechtigkeit für beide Geschlechter herrscht.

Schon allein die Zahlen und Fakten sprechen für sich: Lediglich etwa 30 Prozent der Pfarrstellen sind bundesweit mit Frauen besetzt, viele davon arbeiten in Teilzeit. In der Evangelischen Kirche von Westfalen sind sechs von 18 Kirchenleitungsmitgliedern Frauen, 38 Prozent sind es in der Landessynode. In den Gemeindeleitungen ist der Frauenanteil immerhin bei 45 Prozent.

Die Rede von der Feminisierung der Kirche erweist sich vor diesem Hintergrund tatsächlich als ein Mythos. Richtig ist allein, dass die Zahl der Pfarrerinnen und Frauen in Leitungsämtern in der evangelischen Kirche langsam wächst, während Frauen an der Basis mit 70 Prozent seit Jahren die Mehrheit darstellen. "Frauen in der Kirche sind nicht das Problem, sondern Teil der Lösung", erklärte von daher die Psychologin Prof. Dr. Brigitte Dorst aus Münster. Auch Albert Henz, Theologischer Vizepräsident der westfälischen Landeskirche, unterstrich: Frauen seien ein Segen für die Kirche, zumal ihre Benotungen und Qualifikationen sogar oft die der Männer übersteigen. Landessozialpfarrerin Heike Hilgendiek verwies darauf, dass sich die Leitungskultur positiv verändert, wenn der Frauenanteil steigt. Das hätten Untersuchungen ergeben. Ein Anteil von mindestens 30 Prozent Frauen in Leitungsgremien sei unbedingt notwendig, damit es spürbare Veränderungen in einer Organisation gibt.

Irene Diller, Referentin im Frauenreferat der Evangelischen Kirche im Rheinland, beklagte zusammen mit vielen anderen, die "anhaltende Verhaltensstarre" in Bezug auf die Sprache im Gottesdienst - trotz präziser Beschlüsse, dass die Sprache im Gottesdienst niemanden ausgrenzen darf. Der Name Gottes dürfe nicht einseitig auf "Vater" und "Herr" festgelegt werden.

Dieser Befund wird von einer Organisationsanalyse einer externen Agentur bestätigt:
Geschlechtergerechtigkeit sei in der Sprache und den Gesetzen der Evangelischen Kirche von Westfalen hervorragend umgesetzt. Sie würde aber in der Praxis zu wenig umgesetzt.

Dass es immer noch vieler Anstrengungen bedarf, um die Kirche für beide Geschlechter gerecht zu gestalten - darüber waren sich alle einig. Das könne nicht nur durch Beschlüsse von "oben nach unten" erreicht werden, erklärte Vizepräsident Henz. "Unsere evangelische Kirche funktioniert innovativ dann, wenn überzeugte Kräfte sich zusammentun und viele - auch die Leitungsgremien - mitreißen."

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