Infotag zum Thema „Loverboys“ stieß auf reges Interesse (Februar 2012)

„Loverboy“, das klingt nach Schmetterlingen im Bauch, nach großen Gefühlen. Wenn dieser Begriff allerdings von Experten sozialer Beratungsstellen oder der Polizei genannt wird, bezeichnet er ein Phänomen, das erst langsam in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt: „Loverboys“, das steht mittlerweile auch für Zuhälter, die Mädchen ab etwa elf Jahren manipulieren, die von der großen Liebe reden, sich in ihren Freundeskreis einschleichen, großzügige Geschenke machen - und schließlich zur Prostitution zwingen.

Ihre Opfer suchen sie vor allem in der Nähe von Schulen, Jugendtreffs - oder auch im weltweiten Netz - Stichwort „soziale Netzwerke“. Auch vom Zwang zu Drogen- und Waffenhandel war Ende Februar die Rede, als zu einer mehrstündigen Informationsveranstaltung in Kreuztal eingeladen wurde. Das Interesse war groß: Rund 120 Anmeldungen - darunter Vertreter aus Fachkreisen der sozialen Arbeit und der Polizei, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern - waren eingegangen. Die Organisatorinnen und Organisatoren  der Veranstaltung waren die Kreuztaler Beratungsstelle „Für Mädchen in Not“ und die Kreuztaler Gleichstellungsbeauftragte Monika Molkentin-Syring in Kooperation mit der Frauenberatungsstelle „Frauen helfen Frauen Siegen“, dem Bezirksverband der Siegerländer Frauenhilfen und dem Paritätischen, Kreisgruppe Siegen-Wittgenstein/Olpe.

„Was macht Ihr Kind zwischen Schule und Abendbrot?“ Diese beunruhigende Frage leuchtete von den Plakaten und Infoblättern des Vereins Eilod - Elterninitiative für Loverboy-Opfer in Deutschland - und soll Eltern sensibilisieren. Betroffen von den kriminellen Machenschaften sind auch Kinder aus sogenanntem gutbürgerlichem Milieu. „Von einem Tag auf den anderen war nichts mehr so, wie es zuvor gewesen war.
Unsere Tochter war ein ganz anderes Kind.“ Dies berichtete ein betroffener Vater am Infotag. Er erinnerte sich an die ersten Verdachtsmomente, dass „irgendetwas nicht stimmt“. Seine Tochter habe auffallend lange geduscht, gegen die Eltern rebelliert. Die Tochter hatte einen neuen Freund. „Das schien ein netter, freundlicher, aufmerksamer Typ zu sein. Der hat bei uns im Wohnzimmer gesessen, mit uns Kaffee getrunken.“ Dann aber wurde alles anders. Der Freund, der sich letztlich als Zuhälter entpuppte, hetzte das Mädchen gegen die Eltern auf, eine Entfremdung setzte ein. Der Teenager landete in der Prostitution. 2010 war das Mädchen monatelang
verschwunden, es schmiss die Ausbildung. Erst langsam wurde in der Folgezeit der Kontakt wieder aufgebaut. Mittlerweile sei seine Tochter der Prostitution entkommen, so der Betroffene. Er sprach aber auch von einem schmalen Grat und von „Netzwerken“.

Die Siegener Polizei halte die „Loverboys“ für eine Randerscheinung, sagte Maren Niemeyer von der Beratungsstelle „Für Mädchen in Not“. In den Niederlanden werde das Thema schon seit rund 15 Jahren öffentlich diskutiert. Dort sei 2010 von 800 offiziellen Fällen die Rede gewesen. Vor einigen Monaten, so Niemeyer und ihre Kollegin Jessica Schmidt, kam es in der Beratungsstelle zu einem Verdachtsfall. Im Raum Soest, so wusste Erika Denker vom Bezirksverband der Siegerländer Frauenhilfen zu berichten, gebe es bereits fünf offizielle Verdachtsfälle.

Prostitutionsberatung habe in der Frauenhilfe eine lange Tradition; 2011 habe „Theodora“, die Prostituierten- und Ausstiegsberatung für Mädchen und junge Frauen, ihre Arbeit aufgenommen: „Unsere Vision ist es, diese Beratungsarbeit in Südwestfalen in Trägerschaft der Frauenhilfe mit auszubauen.“

Andrea Hitzke von der Dortmunder Mitternachtsmission berichtete über ihre Arbeit mit Loverboy-Opfern.
„Wir haben Fälle von Loverboy-Prostitution, wir kennen sie nur nicht“, meinte Dr. Verena Lüttel von der Mädchenberatungsstelle. Werde für das Problem sensibilisiert, würden auch mehr Fälle aufgedeckt. Bärbel Kannemann, pensionierte Kriminalbeamtin und Eilod-Gründerin, berichtete, wie sie selbst in den Niederlanden mit Opfern zusammengelebt und dann in Deutschland die Aufklärungsarbeit forciert habe. Monika Molkentin-Syring betonte, wie wichtig es sei, dass Eltern einen guten Kontakt zu ihren Kindern hielten.

Ingrid Kurzeja von „Frauen helfen Frauen“ richtete den Blickwinkel zudem auf das gesellschaftliche Phänomen, dass Kinder, junge Mädchen, immer früher das Gefühl hätten, sie müssten ihre Sexualität ausleben: „Das macht es den Tätern leicht.“ Generell sei bekanntlich jeglicher sexuelle Kontakt mit Kindern eine Straftat. Das Agieren der „Loverboys“ stelle darüber hinaus besonders schwere Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Mädchen dar.

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