Die Vielfalt in der Gesellschaft anerkennen
Konferenz zum christlich-muslimischen Zusammenleben in Deutschland

(Oktober 2016)

Die Vielfalt in der Gesellschaft anerkennen | Konferenz zum christlich-muslimischen Zusammenleben in Deutschland (Oktober 2016)

Die Vielfalt in der Gesellschaft anerkennen | Konferenz zum christlich-muslimischen Zusammenleben in Deutschland (Oktober 2016)

Die Vielfalt in der Gesellschaft anerkennen | Konferenz zum christlich-muslimischen Zusammenleben in Deutschland (Oktober 2016)

Die Vielfalt in der Gesellschaft anerkennen | Konferenz zum christlich-muslimischen Zusammenleben in Deutschland (Oktober 2016)

„Religion ist nicht leichtfertig als Erklärungsmodell für gesellschaftliche und politische Situationen zu nutzen,“ stellten Rabeya Müller, Bildungsreferentin im Zentrum für islamische Frauenforschung und Frauenbildung (ZIF), und Pfarrerin Antje Lütkemeier, Islambeauftragte des Kirchenkreises Paderborn, unabhängig voneinander in einer Konferenz der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. fest. „Bestimmte Themen sind nicht religiös-theologisch, sondern gesellschaftlich-politisch zu diskutieren.“

Die Imamin der liberalen islamischen Gemeinde in Köln, Rabeya Müller, brachte den 60 Frauen aus ganz Westfalen in der Konferenz Ende Oktober den Themenbereich Islamismus und islamische Gruppierungen näher und gab praktische Hinweise für den interreligiösen Dialog. Angesichts von Islam-Hetze, islamistischen Terrors und der Erstarkung des nationalistisch-politischen Islams auch in Deutschland, hatte die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. befunden, sei eine erneute Beschäftigung mit dem Islam notwendig.

„Angesichts von knapp 80 Millionen Menschen in Deutschland und ca. 5 Millionen Menschen islamischen Glaubens kann von einer Islamisierung der deutschen Gesellschaft nicht die Rede sein“, machte Müller deutlich. In vielen Religionen seien fundamentalistische Bewegungen verstärkt zu bemerken. Der deutsche Verfassungsschutz ginge derzeit von knapp 3.000 gewaltbereiten Menschen islamischen Glaubens aus. „Jeder ist einer zu viel“, stellte die Imamin unmissverständlich fest. Die Religion sei aber zu unterscheiden von den Interessen politischer Gruppierungen. Grundgesetz und vorhandene Gesetze sind Schatz und Schutz in Deutschland. „Die vorhandenen Gesetze sind ausreichend und anzuwenden auf all jene, die sich auf deutschem Territorium bewegen.“

Interreligiöser Dialog und das Zusammenleben sollten geprägt sein von Wissen über Religion und Kultur und von Einfühlungsvermögen. Einseitige Kritik, das Heraufbeschwören alter Zeiten, das Solidarisieren mit patriarchalen Strukturen oder das Verneinen von Religionen helfen nicht auf den Weg zur Geschlechtergerechtigkeit und zum friedlichen Zusammenleben. „Lassen sie Normalität in den Alltag einkehren, statt nach Migrationshintergrund in der wievielten Generation zu fragen“, appellierte die Kölnerin.

Kultur ist veränderbar und von Interessen geleitet

Kulturelle Vielfalt im friedlichen Zusammenleben leben trainierte Pfarrerin Antje Grüter, Schulreferentin im Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid. Migrationsbewegungen seien seit Jahrhunderten vorhanden, referierte die Pfarrerin. Zwischen 1821 und 1924 wanderten etwa 55 Millionen aus Europa nach Übersee aus. In der Zeit der Industrialisierung ab 1890 wandelte sich das Deutsche Reich vom Auswanderer- zum zweitwichtigsten Einwandererland, gleich nach den USA, stellte die Schulreferentin klar. 1964 wurde der ein millionste Gastarbeiter in Deutschland begrüßt. Jeder 5. Deutsche habe Migrationshintergrund, darunter seien z.B. Aussiedler, Arbeitsmigranten, EU-Bürger, Asylbewerber, Illegalisierte, Studierende und Geflüchtete zu verstehen.

Damit sei klar, dass der kulturelle Hintergrund der Bevölkerung vielfältig sei. „Es gilt nicht die Frage zu stellen: Wer integriert wen?“, verdeutlichte Antje Grüter. „Es geht vielmehr darum: Wie definieren wir als pluralistische Gesellschaft ein neues Wir?“ Kulturelle Vielfalt sei auch heutige Normalität. Gemeinsam mit den Anwesenden stellte sie fest: Kultur wird vom Menschen gestaltet, überliefert, erlernt, prägt Menschen, ist ein universelles Orientierungssystem. „Kultur ist veränderbar und von Interessen geleitet“, fasste die Schulreferentin zusammen. Kultur sei ein System von Konzepten und Werteorientierungen, mit dem Gesellschaften oder Gruppen auf strukturell-bedingte Herausforderungen antworten. Kultur definiere Zugehörigkeiten zu einer Gesellschaft oder Gruppe.

Mut zum kontinuierlichen Dialog

Im Anschluss daran trug Pfarrerin Antje Lütkemeier, Islambeauftragte des Kirchenkreises Paderborn, kirchliche Positionen und Erfahrungen in Gemeinden zum interreligiösen Dialog zusammen. Der interreligiöse Dialog könne in drei Typen unterschieden werden: Zum einen gäbe es den Dialog des Lebens, in dem gutes Zusammenleben aufgezeigt werde. Im Dialog des Verstandes werde intellektuell nach der Wahrheit gesucht. Im Dialog des Herzens, dem 3. Typ, werden Erfahrungen miteinander geteilt. Zudem werde interreligiöser Dialog aus unterschiedlichen Positionen heraus unternommen. ‚Es gibt nur eine wahre Religion‘, ist die Position der Exklusivität. ‚Es gibt mehrere wahre Religionen, aber eine ist der anderen überlegen‘, ist die Position der Inklusivität. ‚Alle Religionen besitzen Anteil an der Wahrheit‘ ist die Position des Pluralismus.

Typen und Positionen müsse man sich verdeutlichen, wenn man interreligiösen Dialog betreibe. „Dialog lernt man durch Dialog“, stellte die Islambeauftragte fest. Im Dialog sei es wichtig, nur Vergleichbares zu vergleichen, also Praxis mit Praxis und Ideal mit Ideal. Zudem verdeutlichte die Pfarrerin, dass jeder nur für die eigene Haltung sprechen könne und nicht für alle. „Friedliches Miteinander kann gefördert werden, wenn wir Vertrauen wachsen lassen, andere wertschätzen, die Augenhöhe wahren, auf unsere Sprache achten und die der anderen übersetzen.“

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