Die 24-Stunden-Haushaltshilfen aus Osteuropa

(Januar 2017)

Die 24-Stunden-Haushaltshilfen aus Osteuropa (Januar 2017)

Ist die Vermittlung von Haushaltshilfen aus Osteuropa die Lösung für eine häusliche Altenpflege? Pfarrerin Birgit Reiche aus Soest sieht das eher kritisch. Viele alte und pflegebedürftige Menschen möchten weiterhin zu Hause wohnen und auch dort rund um die Uhr gut versorgt sein. Weil Angehörige das allein oft nicht leisten können, setzen viele auf eine kostengünstige Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch osteuropäische Pflege- und Betreuungskräfte.

Doch ist die 24-Stunden-Haushaltshilfen aus Osteuropa tatsächlich die einfache Lösung für eine häusliche Altenpflege, wie es viele Prospekte und Internetseiten verschiedener Vermittlungsorganisationen anpreisen? Birgit Reiche von der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen mit Sitz in Soest betrachtet die Beschäftigungsverhältnisse kritisch. Auf dem Kreislandfrauentag in Bielefeld erklärte sie den knapp 90 Mitgliedern auch warum.

Viele Hilfen arbeiten illegal

„In Deutschland sollen zwischen 100.000 und 400.000 Frauen aus Mittel- und Osteuropa in Haushalten mit pflegebedürftigen Menschen leben", erklärte Birgit Reiche. Seit Mai 2011 dürften sich beispielsweise Frauen aus Polen hier legal niederlassen und einer Arbeit nachgehen, seit 2014 auch Frauen aus Bulgarien und Rumänien. Doch die meisten von ihnen arbeiten lieber schwarz. „Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege in Bonn geht von bis zu 400.000 betreuten Personen und einer Schwarzarbeiterquote von 90 % aus“, erklärte Birgit Reiche. Und das sei ein großes Problem.

Die Migrantinnen lebten in der Regel mit im Haushalt. Für das Zimmer zahlten sie keine Miete, stünden dem Arbeitgeber dafür jederzeit zur Verfügung, meist ohne klare Absprachen über Arbeitszeiten und freie Tage. Bei einer Vielzahl dieser Arbeitsverhältnisse bestehe Zufriedenheit auf beiden Seiten. Die betreuten alten Menschen fühlten sich gut betreut und die Angehörigen beruhigten ihr schlechtes Gewissen.

Die Haushaltshilfen könnten mit dem verdienten Geld von monatlich 800 bis 1.300 € für die 24-Stunden-Betreuung eines alten Menschen in ihrer Heimat eine Existenz aufbauen oder die Erziehung der Kinder finanzieren. Das sei für die Angestellten lukrativer und für die Arbeitgeber billiger als in einem legitimen Beschäftigungsverhältnis, in dem Sozialversicherung und Steuern gezahlt werden müssen. Es sei aber illegal und strafbar und spiegele das fehlende Unrechtsbewusstsein wider, das in weiten Teilen der Bevölkerung herrsche.

Arbeitszeiten beachten

Auch gäbe es Problemfälle, etwa wenn ausländische Hilfskräfte die deutsche Sprache nicht verstehen oder keine Erfahrung in der Pflege älterer Menschen haben. Auf der anderen Seite werde immer wieder auch bekannt, dass ausländische Haushaltshilfen ausgebeutet werden. Sie erhalten die Lohnzahlung nicht nach Vereinbarung, werden nur unzureichend mit Lebensmitteln versorgt, müssen sich rassistisch beschimpfen lassen oder sich rund um die Uhr in Bereitschaft halten, ohne Anspruch auf Freizeit und freie Tage. Dabei entspreche die Arbeitszeit einer osteuropäischen Haushaltshilfe einer Vollzeitstelle von wöchentlich 38,5 Stunden nach Tarif. Darüber hinausgehende Arbeitszeiten müssen als Überstunden abgegolten werden.

„Die maximale Arbeitszeit nach deutschem Arbeitszeitgesetz beträgt 48 Stunden die Woche bei mindestens einem freien Tag und mindestens elf Stunden Pause am Stück“, informierte die Referentin. Dies zeige aber auch, dass eine einzige 24-Stunden-Polin nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen kann und darf. So sehr man auch verstehen könne, wenn Familien ihre Angehörigen zu Hause gut versorgt wissen möchten und nach einer bezahlbaren Betreuung suchen. Man müsse auch die Situation der Frauen sehen, die ohne Versicherungsschutz und Rentenanspruch fern von ihrer Familie leben müssten.

Rechtliche Grauzone

Viele Angehörige scheuten jedoch die Kosten für eine legale Anstellung, die sowohl über eine Agentur als auch als direkter Arbeitgeber mindestens 2.200 € monatlich koste. Auch ließen sich viele Angehörige auf Beschäftigungsverhältnisse mit osteuropäischen Pflege- und Betreuungskräften ein, die über Agenturen vermittelt werden und sich rechtlich in der Grauzone befinden. Warum? Diese osteuropäischen Haushalts- und Pflegehilfen sind in der Regel bei einem Unternehmen in ihrem Herkunftsland angestellt. Dieses entsendet sie als Angestellte in deutsche Haushalte und gibt ihnen die Arbeitsanweisungen.

„Um den rechtlichen Vorgaben zu entsprechen, dürfen diese osteuropäischen Haushalts- und Pflegehilfen genau genommen keine Anweisungen von Menschen bekommen, bei denen sie leben und arbeiten“, erklärte Birgit Reiche. Das sei aber nicht realisierbar. Der Politik wirft Birgit Reiche vor, nicht für eine rechtlich saubere Lösung zu sorgen. Sie gebe weder das Geld, das eine Rund-um-die-Uhr-Pflege mit tariflich Beschäftigten kosten würde, noch schaffe sie einfache praktische Bedingungen für den bezahlbaren Einsatz von ost-europäischen Pflegekräften, noch kläre sie eindeutig gesetzliche Grauzonen.

 

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