Beratung von Prostituierten im Münsterland notwendig

(März 2021)

Beratung von Prostituierten im Münsterland notwendig (März 2021)

Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle im Augst 2020 beim Protest vor dem NRW-Landtag, um gemeinsam mit Sexarbeiter*innen sowie Vertreter*innen von Beratungsstellen und der Aidshilfe gegen das Aufrechterhalten des Prostitutionsverbotes zu demonstrieren.

Wir blicken auf ein Jahr zurück, das uns in unserem Arbeiten wie kein anderes herausgefordert hat“, fasst Birgit Reiche, Leiterin der Beratungsstelle TAMAR Münsterland, zusammen und fügt hinzu: „Die COVID-19 Pandemie hat das Prostitutionsgewerbe wie kaum einen anderen Bereich stark getroffen. Die Schließung aller Prostitutionsstätten und das generelle Prostitutionsverbot haben viele Frauen an ihre Existenzgrenze gebracht.“ Vor der Pandemie waren die Beratungsanfragen oft vielschichtig. Durch das Prostitutionsverbot wurde der Fokus der sozialarbeiterischen Tätigkeit von TAMAR auf die Existenzsicherung verlagert.

Dank einer Förderung durch die AKTION MENSCH kann seit April 2018 die Beratungsstelle TAMAR MÜNSTERLAND mit einem niederschwelligen Beratungsansatz, der mobilen aufsuchenden Beratung, ansetzen und trifft die in der Prostitution tätigen Menschen direkt vor Ort in den Prostitutionsbetrieben. Der Zuständigkeitsbereich von TAMAR umfasst die Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf sowie die Stadt Münster. Trotz der beiden Lockdowns nahm die Beratungsstelle TAMAR Erstkontakte zu 76 Frauen auf im Rahmen der aufsuchenden Arbeit.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V., Trägerin der Beratungsstelle, hat sich vor Jahren gegen ein Sexkaufverbot ausgesprochen. „Aus unserer Sicht verhindert dies nicht Menschenhandel und die Situation von Sexarbeiter*innen wird nicht verbessert“, erläutert Reiche. „Unsere praktische Erfahrung zeigt, dass Frauen, die die Prostitution als die einzige Einnahmequelle sehen, auch bei einem Sexkaufverbot weiterhin tätig sein werden“, fügt die Beraterin Jolanta Schmidt hinzu. „Im Corona-Lockdown haben wir trotz Ansteckungsgefahr einen hohen Anstieg der Internetanzeigen von sexuellen Dienstleistungen beobachtet“, schildert ihre Kollegin, Sabine Reeh. Aus Angst, entdeckt zu werden, würden diese Prostituierten allen Hilfeangeboten fernbleiben.

Im Jahr 2020 wurden insgesamt 53 Frauen aus dem Münsterland durch TAMAR intensiv beraten und begleitet. Dafür mussten die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle noch flexibler und kreativer in Bezug auf den Ort der Beratung werden. „Den Klientinnen sollte weiterhin eine Face-to-Face Kommunikation ermöglicht werden“, erläutert Sabine Reeh: „Ein persönlicher Kontakt mit den Frauen ist unabdingbar, um eine Vertrauensbasis zu erhalten.“ Kollegin Schmidt setzt hinzu: „Mimik, Gestik und Emotionen in einem Präsenzgespräch beugen größeren Missverständnissen vor.“ So fanden persönliche Beratungen in der warmen Jahreszeit an einem Campingtisch und Stühlen auf dem Feld oder am Waldrand statt. In der Winterzeit dient der Dienstbulli als Beratungsort mit Wärmflaschen und Decken. Die Treffen finden selbstverständlich unter Einhaltung aller Hygienevorschriften statt.

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