Sexkaufverbot ist keine Lösung -
Stellungnahme der Westfälischen Frauenhilfe zur aktuellen politischen Diskussion zum Nordischen Modell in Deutschland und in der EU

(Oktober 2023)

Sexkaufverbot ist keine Lösung (Oktober 2023)

Sexarbeit ist eine gesellschaftliche Realität in Deutschland. Sie ist Arbeit. Eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen kann nicht durch Kriminalisierung, sondern nur durch die Stärkung ihrer Rechte und die Bekämpfung von Stigmatisierung erreicht werden. Ein Sexkaufverbot verstärkt gesellschaftliche Stigmatisierung, anstatt sie abzubauen. Davon ist die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen (EFHiW) überzeugt.

Der Frauenverband setzt sich seit vielen Jahren für die Rechte und die Selbstbestimmung von Sexarbeitenden ein. Die EFHiW als Trägerin der Beratungsstellen TAMAR und THEODORA, unterstützt sie dabei ein unabhängiges (Berufs-)Leben zu führen. Die Beratungsstellen setzen sich für das Recht der Sexarbeitenden auf ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten ein. Somit liegt der Schwerpunkt der Beratungsarbeit darauf, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Stigmatisierung, Diskriminierung und gesellschaftliche Marginalisierung von Sexarbeitenden sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass diese ihre vorhandenen Rechte nicht wahrnehmen oder im Verborgenen arbeiten. Ein Verbot von Sexarbeit wird Sexarbeitenden aus marginalisierten Gruppen nicht helfen. Stattdessen sollte die Politik Maßnahmen ergreifen, die subsidiäre Hilfe bieten, wie den Ausbau von Fachberatungsstellen oder den leichteren Zugang zur Gesundheitsversorgung.

In der aktuellen politischen und medialen Debatte über die Prostitution und das Nordische Modell werden die Begriffe der Sexarbeit und der Zwangsprostitution vermischt. Dadurch wird ein legaler Arbeitsbereich pauschal in Zusammenhang gebracht mit dem verbrecherischen Menschenhandel.

Vorurteile oder die Nutzung von emotional aufgeladenen Biografien im öffentlichen Diskurs verhindern einen neutralen Blick auf die Sexarbeitenden-Debatte. Die EFHiW plädiert für einen sachlichen Diskurs über Sexarbeit und ihre Legitimität.

In der Haltung zum Sexkaufverbot stimmt die EFHiW mit dem Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. (BesD) überein. Ein Sexkaufverbot sei nicht zielführend, sondern lediglich eine einfache Lösung für ein hochkomplexes Themenfeld, das den Realitäten der Sexarbeitenden nicht gerecht wird.1 Auf internationaler Ebene gibt es keinen Sexarbeits-Verbund, der die Einführung des nordischen Modells fordert. Diese setzen sich vielmehr für mehr Rechte und weniger Einschränkungen ein.

Auch die Deutsche Aidshilfe betont, dass ein Sexkaufverbot nicht zur Reduzierung des Angebots sexueller Dienstleistungen führen wird. Prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse werden verschärft, und die Betroffenen weiter marginalisiert. Weitere Verbote wären die zwangsläufige Folge.2

Hintergrund

Aktuell beschäftigt sich die Frauen Union der CDU mit dem Thema Prostitution bzw. Sexarbeit. Der 35. Bundesdelegiertentag fordert am 17.09.2023 den Perspektiv- und Paradigmenwechsel in der Prostitution in Deutschland. Mit umfassenden Ausstiegshilfen, Aufklärung und Prävention sei ein strafbewehrtes Sexkaufverbot für Freier bei gleichzeitiger Straffreiheit für Prostituierte umzusetzen.3 Dorothee Bär, CSU-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, fordert ebenfalls am 11.09.2023 ein Sexkaufverbot in Deutschland, das die betroffenen Sexarbeitenden besser schützen soll.

Auch das Europaparlament hat sich für ein Sexkaufverbot nach dem Nordischen Modell ausgesprochen und hat am 14.09.2023 einen Initiativbericht über die Regulierung der Prostitution in der EU angenommen. In diesem Bericht fordert das EU-Parlament europaweit-einheitliche Leitlinien zu einem besseren Schutz von Sexarbeitenden.

1 BesD_17.09.2023 – Berufsverband kritisiert Frauenunion (berufsverband-sexarbeit.de).

2 Sexkaufverbot verhindern | Deutsche Aidshilfe.

3 https://www.frauenunion.de/artikel/pressemitteilung 75 Jahre Frauen Union: Aus Frauenperspektive. Grundsätzlich! Frauenspezifische Gewalt bekämpfen und bestrafen!, 17.09.2023

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