(November 2024)
Pfarrerin Birgit Reiche weihte am Buß- und Bettag die Gedenktafel mit einem Ritual ein.
Die Gedenktafel steht beim ‚Baum der Trauer und der Erinnerung‘ auf dem Gelände des FRAUENHEIM WENGERN am Böllberg.
Fotos: EFHiW
Ende November wurde eine Gedenktafel, die beim ‚Baum der Trauer und der Erinnerung‘ auf dem Gelände des FRAUENHEIM WENGERN am Böllberg steht, durch Pfarrerin Birgit Reiche mit einer Andacht mit Ritual eingeweiht. Mit der Gedenktafel wird an das geschehene Leid und Unrecht in der Zeit von 1949 bis 1975 in der alten Bundesrepublik erinnert und den davon betroffenen Menschen ein ehrendes Gedenken bewahrt.
Die Gewalt hatte in jener Zeit in vielen stationären Einrichtungen leider ein unreflektiertes und vielfältiges Gesicht: von tatsächlichen Schlägen und Isolation über Demütigungen bis hin zur Missachtung der Intimsphäre, von Essenszwang über Essensentzug bis hin zum Fesseln. Aber auch das Verbot, die Schule zu besuchen, für Arbeit kein Geld zu bekommen, medikamentöse Beruhigung der Minderjährigen oder eine schlechte gesundheitliche Versorgung gehörten zur Normalität. „Wir können all das nicht ausschließen, auch wenn uns derzeit nichts davon bekannt ist“, stellt Pfarrerin Birgit Reiche fest. „Ungeschehen kann Unrecht durch eine Stele aber nicht gemacht werden“, weiß Nadine Somer, die die Gedenktafel deshalb auch als ein Mahnmal sieht.
Um die öffentliche Aufarbeitung weiter voranzubringen und eine regional fokussierte Anerkennungs- und Erinnerungskultur zu etablieren, hat die „Stiftung Anerkennung und Erinnerung“ die Initiative des überregionalen Fachbeirats, Gedenktafeln zu entwerfen und für deren Anbringen an Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu werben, unterstützt und umgesetzt. Die Gedenktafeln bieten eine gute Möglichkeit, das Engagement der heutigen Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Kinder- und Jugendpsychiatrie für die Aufarbeitung und Anerkennung des in der Vergangenheit erlittenen Unrechts sichtbar zu machen.
Die Gedenktafeln konnten von den Einrichtungen bis Februar 2023 angefordert werden. Der überregionale Fachbeirat hatte einen für alle Einrichtungen einheitlichen Text erstellt. Auch die Gestaltung der Tafeln folgte dem Ziel, den Wiedererkennungswert zu sichern. Der Inhalt wird ausschließlich in Leichter Sprache sowie in Brailleschrift wiedergegeben. Außerdem wird über einen QR-Code eine Verlinkung zur Internetseite der Stiftung hergestellt, um eine fundierte Befassung mit den Aufgaben und Zielen der Stiftung zu ermöglichen.
Bund, Länder und Kirchen errichteten zum 1. Januar 2017 die Stiftung Anerkennung und Hilfe, um Betroffene zu unterstützen, die zwischen 1949 und 1975 als Kinder oder Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland bzw. zwischen 1949 und 1990 in der DDR in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder der Psychiatrie Leid und Unrecht erfahren haben und heute noch an den Folgen leiden.
Schätzungsweise bis zu 256.000 Kinder und Jugendliche waren in der Zeit von 1949 bis 1975 in der alten Bundesrepublik und von 1949 bis 1990 in der DDR zeitweise stationär in Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder der Psychiatrie untergebracht. Die Stiftung hat rund 245 Mio. Euro an 23.837 Betroffene ausgezahlt, weil sie körperliche, psychische sowie sexualisierte Gewalt, ungerechtfertigte medizinische und therapeutische Maßnahmen und anderes Leid und Unrecht über sich ergehen lassen mussten und heute noch an Folgewirkungen leiden.
Ansprache zur Einweihung der Gedenkstele FRAUENHEIM WENGERN von Pfarrerin Birgit Reiche (pdf-Dokument, 109 KB)