(Dezember 2025)
Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen ist seit Jahrzehnten in der Anti-Gewalt-Arbeit aktiv – mit einem Frauenhaus, Fachberatungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt, Menschenhandel und Genitalbeschneidung, Prostituierten- und Ausstiegsberatungsstellen sowie z.T. mit Angeboten für Frauen in der Altenhilfe und Eingliederungshilfe. Sie sieht sich daher in besonderer Verantwortung, die Ergebnisse des aktuellen Alternativberichts zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland zu kommentieren.
Das Bündnis Istanbul-Konvention (BIK) hat am 19. November 2025 seinen zweiten Alternativbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland veröffentlicht. Der Bericht des Bündnisses zeigt deutlich: Deutschland wird seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt nicht gerecht. Trotz der Ratifizierung bestehen gravierende Lücken in der Finanzierung, in der flächendeckenden Versorgung und in der nachhaltigen politischen Umsetzung. Besonders alarmierend ist, dass Betroffene nach wie vor keinen garantierten Zugang zu Schutz und Beratung haben. Frauenhäuser sind vielerorts überfüllt, spezialisierte Beratungsstellen unterfinanziert, und die rechtliche Umsetzung bleibt Stückwerk.
Birgit Reiche, Geschäftsführerin der EFHiW, betont: „Es reicht nicht, Gesetze zu verabschieden. Wir brauchen eine verlässliche Infrastruktur, die Frauen tatsächlich schützt – unabhängig von Wohnort, Einkommen oder Aufenthaltsstatus.“ Damit wird klar, dass die Istanbul-Konvention nicht nur ein rechtliches Dokument ist, sondern ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit deutscher Politik. „Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht – und dieses Recht wird Frauen in Deutschland durch unzureichenden Schutz vor Gewalt systematisch vorenthalten“, ergänzt die Vorsitzende der EFHiW, Angelika Waldheuer. Diese Worte verdeutlichen, dass es nicht um Einzelmaßnahmen, sondern um die konsequente Umsetzung menschenrechtlicher Standards geht.
Die EFHiW macht deutlich, dass die Ergebnisse des Alternativberichts zur Istanbul-Konvention nicht folgenlos bleiben dürfen. Sie fordert eine konsequente Stärkung der Schutz- und Hilfestrukturen für Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Dazu gehört nach ihrer Einschätzung vor allem eine flächendeckende Finanzierung und der Ausbau von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen, damit jede Frau im Bedarfsfall sofort Schutz findet. Birgit Reiche betont: „Es darf nicht vom Zufall abhängen, ob eine Frau einen sicheren Platz im Frauenhaus bekommt. Schutz vor Gewalt ist ein Menschenrecht.“
Darüber hinaus weist die EFHiW darauf hin, dass verbindliche Standards für Prävention und Schutzmaßnahmen notwendig sind, die bundesweit gelten und nicht länger von der finanziellen Lage einzelner Kommunen abhängig gemacht werden dürfen. Angelika Waldheuer unterstreicht: „Wir brauchen eine verlässliche Infrastruktur, die Frauen tatsächlich schützt – unabhängig von Wohnort, Einkommen oder Aufenthaltsstatus.“
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Stärkung der Rechte besonders vulnerabler Gruppen. Die EFHiW hebt hervor, dass Migrantinnen, Frauen mit Behinderungen und Betroffene von Menschenhandel oftmals mehrfach benachteiligt sind und daher besonderen Schutz benötigen.
Schließlich macht die Frauenhilfe deutlich, dass die Istanbul-Konvention nicht als unverbindliche politische Absichtserklärung behandelt werden darf. Vielmehr müsse sie als das umgesetzt werden, was sie ist: ein völkerrechtlich bindender Menschenrechtsvertrag. Birgit Reiche fasst dies eindringlich zusammen: „Die Istanbul-Konvention ist kein optionales Programm, sondern eine Verpflichtung. Deutschland muss endlich zeigen, dass es diese Verpflichtung ernst nimmt.“
Der Alternativbericht zeige – so die EFHiW -, dass Deutschland Gefahr laufe, seine internationalen Verpflichtungen zu verfehlen. Für die EFHiW ist klar: Gewalt gegen Frauen ist kein Randthema, sondern eine zentrale Frage der Menschenrechte und der Demokratie. „Wenn Frauen nicht sicher leben können, ist unsere Gesellschaft nicht frei,“ so Birgit Reiche.