Häusliche Gewalt und das Frauenhaus Soest

In der Arbeit des Frauenhauses wird wie in kaum einem anderen Bereich die dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Situation von Frauen und Kindern sichtbar. Seit der Einführung der Hartz-Gesetze haben sich die Problemlagen der Frauen potenziert. Die finanzielle und soziale Armut nimmt Ausmaße an, die Frauen so lähmt, dass sie keine Kraft mehr haben, an ihrer Gewaltsituation etwas zu ändern und für sich und ihre Kinder eine gewaltfreie Alternative zu entwickeln. Suchterkrankungen und psychische Erkrankungen sind in vielen Fällen die Folge. Entsprechend groß ist der Bedarf an ambulanter Beratung und Begleitung.

Das Frauenhaus Soest wurde im Mai 1990 eröffnet und blickt auf 20 Jahre Arbeit zurück. Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. ist bereits seit Jahrzehnten in der Anti-Gewalt-Arbeit tätig. Sie übernahm die Trägerschaft, nachdem der Kreis Soest und das Land NRW eine finanzielle Unterstützung zugesichert hatten.

Drei Aufgabenbereiche „Wohnen“, „Nachsorge“ und „ambulante Beratung“
In den ersten 15 Jahren haben ca. 1.200 Frauen mit 1.500 Kindern im Haus in Soest gewohnt oder die Beratungsangebote in Anspruch genommen. Im Soester Frauenhaus wohnten im Jahr 2005 64 Frauen mit 52 Kindern, im Jahr 2004 50 Frauen mit 56 Kindern. In 2005 konnten sogar 65 Frauen wegen Überbelegung nicht aufgenommen werden.
Im Frauenhaus Soest wird auch ambulante Arbeit durchgeführt: Wöchentlich kamen 2005 5 bis 8 Frauen in die ambulante Beratung, in einem Nachsorgeprojekt waren 15 ehemalige Frauenhaus-Bewohnerinnen, 5 ehemalig im Frauenhaus lebende Kinder nahmen weiterhin an den Kinderangeboten im Hause teil. Täglich kamen 4 ehemalige Bewohnerinnen mit ihren Kindern als Gäste ins Haus.

Die drei Aufgabenbereiche „Wohnen“, „Nachsorge“ und „ambulante Beratung“ hält die Leiterin des Soester Frauenhauses, Ulrike Dustmann, für ihre Einrichtung für unverzichtbar - auch in Zeiten knapperer Finanzen.

Wie unverzichtbar die Einrichtung nach wie vor ist, das belegen einige Zahlen aus dem Jahr 2006. So fanden insgesamt 69 Frauen und 57 Kinder vorübergehend Schutz vor prügelnden Ehemännern und Vätern. 129 Frauen nahmen eine Langzeitberatung des Frauenhauses in Anspruch, 43 weitere suchten bei den Mitarbeiterinnen einen einmaligen Rat in schwierigen häuslichen Situationen.

Parteilich-beratende Sozialarbeit im sozialen System
Die individuellen Gewalterfahrungen umfassen ein breites Spektrum von körperlicher und seelischer Gewalt bis hin zu ökonomischer Abhängigkeit und Isolation.
Die Gewaltformen sind vielfältig, haben aber eins gemeinsam: es handelt sich um Gewalttaten, ausgeführt von Männern, gerichtet gegen Frauen und Kinder.

Die aus der Frauenbewegung hervorgegangenen Initiativen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen sind im Laufe von rund 30 Jahren zu einer der erfolgreichsten sozialen Bewegungen im internationalen Maßstab geworden. Viele Aktivitäten im Verbund mit den anderen Frauenhäusern in der Bundesrepublik waren erfolgreich: Fristverkürzung zum eigenständigen Aufenthaltsrecht von Migrantinnen, Gewaltschutzgesetz und Wegweisung, kommunale Kooperationsmodelle, um nur einige Beispiele zu nennen.

In den letzten Jahrzehnten konnte somit das Frauenhaus seinen Platz im sozialen System einnehmen. Es ist jedoch nicht gelungen, das gesellschaftliche Ausmaß der Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu reduzieren. Die Massivität Brutalität und Grenzenlosigkeit von Gewalt hat sogar deutlich zugenommen.

Das Frauenhaus kann lediglich nur ein Teil der notwendigen Arbeit im Anti-Gewalt-Bereich darstellen; andere Institutionen müssen andere notwendige Bereiche der Anti-Gewalt-Arbeit übernehmen. Je besser eine fachübergreifende Vernetzung mit anderen Institutionen und Arbeitsbereichen praktiziert wird, desto wirkungsvoller kann ein erfolgreicher Schutz für Frauen und Kinder aufgebaut werden. Hierin liegt auch in den nächsten Jahren die originäre Aufgabe des Frauenhauses und ihrer Trägerin, der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V.

Das Frauenhaus Soest unterstützt Frauen in ihrem Bemühen, ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben zu führen. Gemäß den Grundsätzen der Frauenhausarbeit wird ausnahmslos eine parteilich-beratende Sozialarbeit praktiziert. Die Arbeitsformen sind vielfältig und werden von den betroffenen Frauen in ihrem Ausmaß und in ihrer Ausführung bestimmt. Die Frauen im Haus, die ehemaligen Bewohnerinnen und die Frauen in der ambulanten Beratung sind die sichtbaren Personen, unmittelbar betroffen von Gewalt. Die Dunkelziffer ist um ein vielfaches höher.

Durch Öffentlichkeitsveranstaltungen, verbandliche Arbeit und politische Stellungnahmen beteiligen sich das Frauenhaus Soest und die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. offensiv an gesellschaftlichen Veränderungen, die die Situation von Frauen verbessern helfen und die betroffenen Frauen Mut machen, der gewalttätigen Situation zu entfliehen.

Häusliche Gewalt und die Nachfrage in den Frauenhäusern
Nach den Statistiken des Bundeskriminalamtes und einer Studie des Bundesministeriums ist jede 4. Frau von häuslicher Gewalt betroffen.
Die Kindesmisshandlung ist um 50 % gestiegen.

Die gesamtgesellschaftlichen Folgen sind vielschichtig, die gesellschaftlichen Kosten - wie es z.B. sich im Gesundheitsbereich niederschlägt - immens hoch.

Allein im Jahr 2003 suchten 5.446 Frauen mit 5.520 Kindern in einem der 62 Frauenhäuser in NRW Schutz vor häuslicher Gewalt. Im gleichen Jahr wurden in 6.931 Fällen gewalttätige Ehemänner aus der gemeinsamen Wohnung gewiesen. In 16.402 Fällen wurde die Polizei aufgrund häuslicher Gewalt zu Hilfe gerufen.

Die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern sind in den letzen Jahren stetig gestiegen. Spezialisierte Beratung nach dem Gewaltschutzgesetz, Vernetzung und Kooperation an runden Tischen, Begleitung und Umsetzung der Hartz IV-Gesetzgebung, erhöhter Betreuungs- und Beratungsbedarf gestalten sich als sehr zeit- und arbeitsintensiv.