Quo vadis, Pflege?

Anforderungen an Politik und Gesellschaft

Guten Tag verehrte Geburtstagsgäste, liebe Absolventinnen, gegenwärtige Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Dozentinnen und Dozenten, Vertreter von Praxiseinrichtungen Freunde und Förderer des Fachseminars.
Guten Tag meine Damen und Herren,

ich bedanke mich für Ihre Einladung und freue mich, heute den Vortrag zum 25. Jubiläum des Fachseminars für Altenpflege halten zu dürfen. Im Namen des DEVAP-Vorstands gratuliere ich Ihnen ganz herzlich zu diesem Ehrentag.

Als die älteste Ausbildungseinrichtung für Altenpflege im Kreis Soest blicken Sie auf ein bewegtes Vierteljahrhundert zurück und Sie alle können stolz sein auf 25 Jahre verantwortungsvolle Ausbildung von Fachkräften unter nicht immer einfachen politischen Rahmenbedingungen.

Für die Altenpflege hat sich viel verändert in den vergangenen 25 Jahren. Und so erlauben Sie mir einen kurzen Blick auf die zurückliegenden Entwicklungen, bevor ich über die Zukunft der Altenpflege spreche und darüber, wie der Weg in die richtige Richtung aus meiner Sicht aussehen muss.

Als das Fachseminar für Altenpflege in Soest seinen Betrieb am 1. September 1989 aufnahm und den dreijährigen Ausbildungsgang im Beruf „Staatlich anerkannte Altenpflege“ startete, war die Ausbildungslandschaft sehr uneinheitlich: In den 16 Bundesländern gab es 16 verschiedene Ausbildungsregelungen (Landesaltenpflegegesetze).

Zu dieser Zeit war die Altenpflege in Deutschland ein Nebenaspekt der Krankenpflege. Das Personal in diesem Bereich wurde, soweit es nicht Krankenschwestern bzw. -pfleger waren, lediglich in Kursen oder Kurzlehrgängen qualifiziert. NRW ist übrigens bundesweiter Vorreiter, denn hier gibt es schon seit 1969 Altenpflegeausbildungen, die erste am Diakonissenmutterhaus in Witten. Der Grund dafür war, dass viele Krankenpflegekräfte nicht in die stationären Altenpflege gehen wollten.

Als 1995 die gesetzliche Pflegeversicherung eingeführt wurde, erhielten Pflegebedürftige erstmals Leistungen für die häusliche Pflege, die 1996 auf die stationäre Pflege ausgeweitet wurden. Das oberste Ziel der Pflegeversicherung war es, allen pflegebedürftigen Menschen den Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Pflege zu sichern, unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten. Dass dieses Ziel nicht wirklich erreicht wurde, dazu komme ich in meinen Ausführungen noch.

Im Zuge dessen wurden ambulante Dienste neu gegründet und noch mehr Fachkräfte wurden benötigt, um die vertraglich vereinbarten Leistungen zu erbringen. Dadurch wurden die Pflegebedürftigen länger in ihrer eigenen Häuslichkeit versorgt und kamen später in stationäre Einrichtungen.  In den Pflegeeinrichtungen wiederum kam es dadurch zu einer Veränderung der Krankheitsausprägung (Multimorbidität) der neu und vergleichsweise spät aufgenommenen Heimbewohner, die Verweildauer verkürzte sich und die Zahl der an einer Demenz erkrankten Pflegebedürftigen nahm stetig zu.
Zugleich stiegen die formalen Ansprüche an Pflegeplanung und -dokumentation, Pflegestandards wurden entwickelt und der Bedarf an gut ausgebildeten Pflegefachkräften wuchs auch hier spürbar.

In der Konsequenz dieser Entwicklung setzte sich bis Ende der 1990er Jahre die dreijährige Altenpflegeausbildung durch, womit erstmals eine formale Gleichstellung mit der Krankenpflege-Ausbildung erreicht wurde.

Vor elf Jahren schließlich, im August 2003, wurde die Altenpflegeausbildung durch das Altenpflegegesetz bundeseinheitlich geregelt und die Altenpflege wurde endlich als eigenständiger Heilberuf anerkannt.
Die Dauer der Altenpflegeausbildung wurde auf drei Jahre festgelegt und die Auszubildenden hatten einen gesetzlichen Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung. Altenpflegekräfte waren nun endlich nicht mehr nur Hilfskräfte oder Assistenten der Krankenpflegekräfte, sondern bekamen eine eigene berufliche Identität.

Seitdem hat sich in Deutschland ein breiter Pflegemarkt mit wettbewerblicher Struktur entwickelt. Die Zahl der Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste hat sprunghaft zugenommen, ebenso hat sich eine flächendeckende Pflegeinfrastruktur entwickelt. Tagespflegeeinrichtungen, ambulant betreute Wohnformen und Senioren-WGs wurden gegründet. Zahlreiche neue Arbeitsplätze wurden geschaffen und neue Berufsbilder entstanden (Alltagsbetreuer usw.). Heute ist die Pflege einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren und Jobmotor.

Anders als 1989 ist die Altenpflege heute ein komplexes und eigenständiges Berufsfeld, geprägt von hohen Qualitätsstandards. Ein Beruf mit hohen Anforderungen sowohl an die pflegerischen, psychologischen als auch sozialen Kompetenzen der Mitarbeitenden. Eine Altenpflegerin muss heute medizinisch, sozial und gerontopsychiatrisch pflegen können, sie muss selbstständig arbeiten können aber auch im Zusammenwirken mit anderen Berufsgruppen. Sie muss den Alltag eines alten Menschen ebenso planen können, wie seine pflegerischen Maßnahmen, muss biografisch arbeiten oder validieren, sie muss vorbeugen und nachsorgen und sie begleitet sterbende Menschen und ihre Angehörigen.

Und auch Sie, liebe Absolventinnen, Lehrerinnen und Schülerinnen des Fachseminars Pflege, haben sich in den letzten 25 Jahren mit immer wieder weiterentwickelten fachlichen und pflegewissenschaftlichen Konzepten auseinandergesetzt.

So waren die letzten 25 Jahre in der Altenpflege also durchaus geprägt von einer positiven Entwicklung, von Modernisierung und Professionalisierung.

Können wir uns also zufrieden zurücklehnen und uns darüber freuen, alles erreicht zu haben?
Nein das können wir nicht, meine Damen und Herren! Denn, wenn alles so bleibt, wie es ist, ist es um die Zukunft der Altenpflege sehr schlecht bestellt.

Sie alle kennen die Schlagzeilen, die seit Monaten in den Zeitungen zu lesen sind: „Pflegenotstand in Deutschland“, „Fachkräftemangel in der Altenpflege dramatisch gestiegen“ oder „Pflegeversicherung stößt an ihre Grenzen“.

Die demografische Entwicklung schreitet voran und unsere Gesellschaft altert. Das tat sie auch schon vor 25 Jahren und schon damals wurde auf den Pflegenotstand aufmerksam gemacht.
Die Warnungen blieben jedoch weitgehend ungehört und der Fachkräftemangel wird immer akuter. So werden schon Ende 2016 voraussichtlich knapp 19.000 examinierte Altenpflegefachkräfte und ebenso viele Altenpflegehelfer fehlen. (Quelle: Bundesagentur für Arbeit)

Zugleich nimmt die Zahl der Pflegebedürftigen kontinuierlich zu. Dabei ist eine deutliche Verschiebung zu verzeichnen, weg vom „reinen Pflegegeld-Empfänger“ (pflegende Angehörige) hin zur Betreuung und Versorgung in Pflegeeinrichtungen oder durch ambulante Dienste. Die Inanspruchnahme professioneller Pflegeleistungen steigt. Und es ist davon auszugehen, dass dieser Bedarf weiter anwachsen wird. (Quellen: Pflegestatistik 2011, Bertelsmann Themenreport „Pflege 2030)

Schon heute müssen sich viele ambulante Dienste und stationäre Pflegeeinrichtungen mit einem Fachkräftemangel auseinandersetzen, der sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird.

Trotz des wachsenden Bedarfs an gut ausgebildeten Altenpflegekräften ist es um die Altenpflegeausbildung in Deutschland jedoch nicht allzu gut bestellt. Durch die Länder weitestgehend unterfinanziert, kämpfen viele Fachseminare um ihre Existenz und trotz einer ausreichenden Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern können Schulplätze nicht besetzt werden, weil schlicht die entsprechenden Ausbildungsplätze in den Pflegeeinrichtungen und -diensten fehlen, weil diese aus ökonomischen Gründen keine Kapazitäten zur Verfügung stellen können oder wollen. Aufgrund fehlender finanzieller Förderung müssen in vielen Bundesländern die Altenpflegeschülerinnen und - schüler noch immer Schulgeld für ihre Ausbildung bezahlen, die praktischen Ausbildungsplätze in den Pflegeeinrichtungen wiederum werden durch die pflegebedürftigen Bewohner und Bewohnerinnen finanziert.

Aber auch um die Attraktivität der Ausbildung und das Image des Altenpflegeberufs ist es aus verschiedenen Gründen nicht gut bestellt. Fehlende internationale Vergleichbarkeit, wenig Aufstiegschancen, geringe Bezahlung und hohe Arbeitsbelastung sind hier nur einige Stichworte.

Was aber braucht die Altenhilfe in der Zukunft? Was müssen wir, was muss die Politik tun, damit Deutschland den Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft gewachsen ist?
Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und -Pflege setzt sich seit 79 Jahren für die Belange der Altenhilfe in Deutschland ein. Als Bundesfachverband haben wir das satzungsgemäße Ziel, die Rahmenbedingungen, in denen Altenarbeit und Pflege passieren, zu fördern. Dabei gestalten wir auch die Entwicklungen in der Altenpflegeausbildung aktiv mit und sind in verschiedenen Arbeitsgruppen und Kommissionen vertreten.
Zusammen mit anderen kirchlichen Verbänden begleiten wir die Entwicklungen zu einem neuen Pflegeberufegesetz, wir setzen uns seit 2007 für eine generalistische Pflegeausbildung und deren auskömmliche Finanzierung ein und beteiligen uns aktiv an der 2012 unterzeichneten Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive durch unsere fachliche Expertise.

In unserer Kampagne „An die Pflege denken!“ haben wir zusammen mit der Diakonie Deutschland bereits vor der Bundestagswahl Forderungen für dringende Weichenstellungen in der Pflege aufgestellt und in unserer DEVAP-Erklärung veröffentlicht. Außerdem haben wir Textbausteine zu unseren politischen Forderungen erstellt und an die Koalitionspartner gesandt, mit der Bitte um Übernahme in den Koalitionsvertrag. Und nicht ohne Stolz kann ich heute sagen, dass unsere Forderungen nicht ganz ungehört blieben und zum Teil Eingang in den Koalitionsvertrag fanden.
Auch das in dessen Folge beschlossene Pflegestärkungsgesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, viele weitere, größere Schritte müssen jedoch noch gegangen werden.

Heute feiern wir das 25-jährige Bestehen Ihres Fachseminars Pflege. Ein Vierteljahrhundert, in dem Sie sich um und für den Nachwuchs in der Pflege sorgen. Dazu möchte ich Ihnen nicht nur sehr herzlich gratulieren, sondern auch danken. Denn vor allem Sie, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Absolventinnen und Absolventen sind so wichtig für die Zukunft der Pflege.

Um noch mehr Schulabgänger, die sich für eine pflegerische Ausbildung entscheiden, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich weiterbilden, nachqualifizieren oder umschulen lassen wollen zu erreichen, brauchen wir dringend strukturelle und finanzielle Verbesserungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung.

Für eine fundierte Ausbildung braucht es in erster Linie eine bundeseinheitlich geregelte, stabile und verlässliche Finanzierung und wir brauchen angemessene Finanzierungssysteme zur Weiterentwicklung der Kompetenzen der Mitarbeitenden.

Zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der Altenpflege hat die Bundesregierung am 13. Dezember 2012 die "Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege" gestartet, mit dem ehrgeizigen Ziel, die Ausbildungszahlen bis 2015 um jährlich 10 Prozent zu steigern und bis zu 4.000 Pflegehelferinnen und Pflegehelfer zur Altenpflegefachkraft nach zu qualifizieren.

Im Zuge dessen wurden mit dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege die bestehenden Möglichkeiten zur Ausbildungsverkürzung für berufliche Weiterbildungen durch Änderung des § 7 Altenpflegegesetz erweitert. Gleichzeitig wurde die erneute, auf drei Jahre befristete Vollfinanzierung auch von nicht verkürzbaren beruflichen Umschulungen durch die Arbeitsagenturen geregelt.

Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Eine verbindliche und langfristige Regelung zur vollständigen Finanzierung der Ausbildungskosten bei Umschulungsmaßnahmen durch den Bund und die Länder sollte getroffen werden.“

Wir fordern deshalb die Aufhebung der Befristung und eine dauerhafte und vollständige Förderung von Umschulungsmaßnahmen in der Pflege durch die Bundesagentur für Arbeit über das Jahr 2016 hinaus.

Erfreulich ist auch, dass die Koalitionspartner im Vertrag endlich deutlich machen, dass die Altenpflegeausbildung für jeden Auszubildenden kostenfrei sein muss. Allein die Umsetzung lässt auf sich warten. In sage und schreibe sieben Bundesländern müssen angehende Altenpfleger und Altenpflegerinnen immer noch zwischen 30 und 200 Euro im Monat Schulgeld für ihre Ausbildung zahlen. Dieser Umstand ist angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels geradezu grotesk und trägt alles andere als zur Erhöhung der Attraktivität des Altenpflegeberufs bei.

Ob ein Schulplatz besetzt werden kann, ist jedoch nicht nur von ausreichend Bewerberinnen und Bewerbern abhängig, sondern auch davon, dass es genug bezahlte Ausbildungsplätze in kooperierenden Einrichtungen gibt. Denn nur, wenn ein geeigneter Ausbildungsplatz nachgewiesen ist, darf auch ein Schulvertrag geschlossen werden. An Ausbildungsplätzen mangelt es aber vielerorts, denn die Pflegeeinrichtungen sind keinesfalls dazu verpflichtet Altenpflegeschüler auszubilden und viele von ihnen bilden nicht aus, schlicht weil sie es sich nicht leisten können oder wollen.

In den Bundesländern nämlich, in denen keine Ausbildungsumlage existiert, werden die Kosten für die Ausbildung in erster Linie von den Bewohnerinnen und Bewohnern der ausbildenden Pflegeeinrichtung über die Pflegesätze getragen. Dies führt zu einer Erhöhung ihres Eigenanteils an den Pflegekosten und somit auch zu einer Verschlechterung der Wettbewerbschancen für die ausbildenden Einrichtungen, weil sie schlichtweg zu teuer sind.

Hinzu kommt, dass die finanzielle Ausbildungsförderung der Länder für die Altenpflegeschulen keineswegs auskömmlich ist. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wurde die Förderung für die Fachseminare ab 2006 sogar von 317 auf 280 Euro monatlich reduziert. Zwar beabsichtigt die Landesregierung, ab 2015 immerhin eine gesetzlich verpflichtende Landesbeteiligung an den Schulkosten für die Altenpflegeausbildung einzuführen und im Landesaltenpflegegesetz festzuschreiben, allein die zu geringe Finanzierung bleibt.

Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Ausbildung in der Altenpflege entsprechend der Krankenpflegeausbildung finanziell auf ein gutes Fundament stellt. Hierzu gibt es noch keinen ernstzunehmenden Lösungsvorschlag aus dem Ministerium.

Die schrittweise Anhebung des Beitragssatzes ab dem 1. Januar 2015 um insgesamt 0,5 Beitragssatzpunkte könnte hierfür ein Anfang sein. Sie führt laut Bundesregierung zu Mehreinnahmen von rund fünf Milliarden Euro in der sozialen Pflegeversicherung.

Davon sollen jedoch 1,2 Milliarden Euro in einem sogenannten Pflegevorsorgefonds angespart werden, um absehbare Herausforderungen in der Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung (ab 2030 werden die sogenannten Babyboomer pflegebedürftig) zu bewältigen, ohne kommende Generationen dabei unzumutbar zu belasten.

Dieses Vorhaben ist grundsätzlich zu begrüßen, allerdings sollte das Geld dafür On Top, also zusätzlich bereitgestellt werden.

Wir sprechen uns dagegen aus, dass dringend benötigte Beitragsgelder aus der Pflegeversicherung in einen solchen Fonds eingezahlt werden sollen.

Mit Blick auf die finanzielle Schieflage in der Altenpflegeausbildung aber auch in Hinblick auf die dringend notwendige zügige Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und dessen auskömmliche Finanzierung müssen die 1,2 Milliarden Euro vielmehr jetzt investiert werden. Warum zum Beispiel nicht in einen, wie von der bayrischen Gesundheitsministerin Melanie Huml vorgeschlagenen Ausbildungsfonds, der allen an der Ausbildung Beteiligten zugutekommt.

Positiv zu bewerten sind die Pläne der Bundesregierung für eine generalistische Pflegeausbildung.

Durch die Verkürzung der Verweildauer im Krankenhaus werden immer mehr ältere Menschen mit umfangreichem medizinischem und pflegerischem Versorgungsbedarf in den stationären Pflegeeinrichtungen und durch die ambulanten Pflegedienste versorgt. Zugleich wachsen für das Gesundheits- und Krankenpflegepersonal in den Kliniken die Anforderungen an sozialpflegerische und gerontologische Kenntnisse in der Akutversorgung, denn auch hier werden die Patienten und Patientinnen älter und sind nicht selten von einer Demenz betroffen.

Eine reformierte Pflegeausbildung muss diese Vielfalt der erforderlichen Kompetenzen in Theorie und an unterschiedlichen Praxisorten vermitteln.

Die Pflegekräfte der Zukunft werden sich einer deutlich differenzierteren Pflegelandschaft gegenüber sehen. Zugleich wünschen sich viele, flexibel zwischen unterschiedlichen Einsatzorten und Tätigkeitsfeldern wechseln zu können. Dies erhöht die Attraktivität des Pflegeberufs und wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. Erreicht werden kann es nur durch eine generalistische Ausbildung.

Ich weiß, dass wir mit dieser Forderung bei Ihnen auf offene Ohren stoßen, denn Sie haben die Notwendigkeit erkannt und Ihr Fachseminar kooperiert schon seit längerem mit einer Krankenpflegeschule.

Für diese generalistische Pflegeausbildung ist eine stabile bundeseinheitliche Finanzierung erforderlich, die allen Beteiligten Raum für die Ausgestaltung und Entwicklung einer hochwertigen Aus-, Fort- und Weiterbildung gibt. Dazu gehören neben den schulischen Ausbildern auch die Träger der praktischen Ausbildungsplätze.

Im Koalitionsvertrag steht dazu: „Wir prüfen ein verbindliches Verfahren zur Refinanzierung der Ausbildungskosten, um die Kostenbeteiligung aller Einrichtungsträger zu gewährleisten.“

Aus unserer Sicht notwendig ist eine gesetzlich geregelte und vollständige Refinanzierung aller Ausbildungskosten, bei der alle, die von der Ausbildung profitieren – nämlich alle Einrichtungen im Gesundheits- und Pflegebereich - beteiligt und mit dem gleichen Faktor belastet sind, dringend notwendig. Ein Schritt wäre zum Beispiel die gesetzliche Verpflichtung der Länder zu einer Ausbildungsumlage, wie sie bereits hier in NRW praktiziert wird.

Quo vadis Altenpflege? Wohin gehst du, Altenpflege?

Eines ist offensichtlich meine Damen und Herren: Schon heute besteht ein Mangel an Pflegefachkräften und der Bedarf wird in den kommenden Jahren weiter steigen.

Fachkräfte aus dem Ausland allein werden diese Entwicklung nicht stoppen können. Neben den notwendigen Veränderungen in der Ausbildung müssen sich deshalb auch die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte in Deutschland weiter verbessern. Damit sich mehr Menschen für den Pflegeberuf entscheiden und die Beschäftigten lange in diesem Beruf verbleiben.

Gute Pflege und Betreuung bedeuten ganzheitliches und professionelles Handeln, Menschenwürde, Zuwendung, Aufmerksamkeit und Begleitung. Dafür braucht es Zeit, Personal und Geld. Genau an diesen Ressourcen aber mangelt es, meine Damen und Herren.

Bei einer Forsa-Umfrage, bei der die zehn Berufe mit dem besten Image ermittelt wurden, lag die Pflege mit immerhin 91 Prozent auf Platz zwei, vor Richtern, Piloten und sogar den Ärzten. (Auf Platz 1 lagen übrigens die Feuerwehrmänner mit 95 Prozent). Die gesellschaftliche Anerkennung der Pflegenden in der Bevölkerung ist demnach sehr hoch. Weniger hoch ist dagegen ihr Einkommen.

Laut Koalitionsvertrag will sich die neue Bundesregierung „im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten für Personalmindeststandards im Pflegebereich einsetzen und die Pflegeberufe aufwerten“. Das ist erfreulich, wie genau diese Pläne umgesetzt werden sollen ist bis heute fraglich.
Einen ersten Schritt ist die Politik gegangen, indem sie mit dem Pflegestärkungsgesetz die Voraussetzungen schafft, die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte nach § 87 b SGB XI von bisher 25.000 auf bis zu 45.000 in den Pflegeeinrichtungen zu erhöhen. Dies kann sicher in gewissem Maße zur Verbesserung der stationären Betreuung beitragen, notwendig für eine optimale Versorgung der uns anvertrauten Menschen ist jedoch auch und vor allem die ausreichende Fachpersonalausstattung, die dem erhöhten und veränderten Bedarf in den stationären Pflegeeinrichtungen entspricht.

Deshalb fordern wir eine für alle Beteiligten verbindliche Personalbemessung auf der Grundlage eines fundierten und erprobten Verfahrens. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Plaisir, das Personalbemessungsinstrument, das ausgiebig erprobt, aber nie umgesetzt wurde!
Nicht nur die aktuellen Pflegeeinstufungen sind entscheidend, sondern der tatsächliche Hilfe- und Betreuungsbedarf der Pflegebedürftigen muss berücksichtigt werden.
Eine zu knappe Personalausstattung und ständiger Zeitdruck in der Pflege führen zu Überlastung und gefährden die qualitativ gute Versorgung der pflegebedürftigen Menschen, meine Damen und Herren.

Gute und würdevolle Pflege hat ihren Preis und Pflegefachkräfte müssen Anerkennung auch durch eine angemessene Vergütung erfahren. Deshalb müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert werden, um einen Tariflohn für Beschäftigte in der Pflege sicherzustellen.
Den diakonischen Trägern muss es endlich möglich sein, die tarifliche Bezahlung über die Pflegesätze zu refinanzieren.
Es versteht sich von selbst, dass wir dafür Sorge tragen müssen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ihrem Gehalt leben können.
Wenn die Pflegekassen und Sozialhilfeträger eine angemessene Personalausstattung und die tarifliche und ortsübliche Entlohnung in den Entgeltverhandlungen jedoch nicht in voller Höhe anerkennen, kann es für die Pflegekräfte keine angemessene tarifliche Vergütung und keine motivierenden Arbeitsbedingungen geben.

Wohin gehst Du, Altenpflege?

Diese Frage stellen sich auch und vor allem die uns anvertrauten Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen.

Im November 2013 waren in Deutschland 2,4 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in der sozialen Pflegeversicherung bis zum Jahr 2020 auf 2,82 Millionen ansteigt und sich bis zum Jahr 2050 fast verdoppelt (4,37 Millionen).

Sie alle haben ein Recht auf gute und würdevolle Pflege. Und diese darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Wir brauchen Strukturen, die das Pflegerisiko gerade auch für Menschen mit geringem Einkommen absichern. Deshalb muss bei den Überlegungen zur Finanzierung der Pflege ein gerechter und solidarischer Weg gefunden werden, der alle Bürger entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit einbezieht, der die Lasten gerecht verteilt.
Denn immer mehr Pflegebedürftige und ihre pflegenden Angehörigen sind von Armut durch Pflege bedroht und seit 1999 kommt es wieder zu einem Anstieg der Sozialhilfeausgaben für Hilfe zur Pflege. Im Jahr 2012 waren etwa 440.000 Menschen nicht in der Lage, die Kosten der Pflege, die nach der Vorleistung der Pflegepflichtversicherung übrig blieben, aus eigenen Mitteln zu decken. Damit ist die Anzahl der Bedürftigen gegenüber dem Vorjahr 2011 um fast vier Prozent gestiegen. (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Wenn auch spät und hoffentlich nicht zu spät hat nun auch die Bundesregierung reagiert und der Gesetzentwurf zum 1. Pflegestärkungsgesetz liegt vor. Durch die geplanten Änderungen des SGB XI sollen die soziale Pflegeversicherung weiterentwickelt und Leistungen vorgehalten werden, die den verändernden Bedürfnissen pflegebedürftiger Menschen, aber auch ihrer Angehörigen entsprechen.

Der DEVAP begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, kurzfristig wirksame Leistungsverbesserungen einzuführen.

Um pflegende Angehörige zu entlasten, sollen unter anderem Unterstützungsleistungen wie die Kurzzeit-, Verhinderungs- sowie Tages- und Nachtpflege ausgebaut und besser miteinander kombiniert werden können. Berufstätige, die kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren müssen, erhalten zukünftig eine Lohnersatzleistung für eine zehntägige Auszeit vom Beruf. Und erstmals erhalten alle Pflegebedürftigen Anspruch auf Tages,- Nacht- und Kurzzeitpflege und zusätzliche Betreuungsleistungen.
Die Leistungsausweitungen und Flexibilisierungen können sich positiv auf die Situation Pflegebedürftiger und deren Angehöriger auswirken und sind als kurzfristige Verbesserungen zu begrüßen.

Die geplante Leistungsdynamisierung um vier Prozent greift aus Sicht des DEVAP jedoch zu kurz. Die fehlende kontinuierliche Anpassung der Pflegeversicherungsleistungen an die Preis- und Lohnentwicklung führt bis heute zu einem deutlichen Wertverlust der Pflegekassenleistungen. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf, um die Eigenanteile der pflegebedürftigen Menschen nicht weiter steigen zu lassen und somit das bereits bestehende Risiko von Armut durch Pflege zu bannen.

Um eine wirkliche Neuausrichtung der Pflege auf den Weg zu bringen, ist eine langfristige und nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung dringend notwendig. Damit muss umgehend begonnen werden.

Folgende Maßnahmen sind aus Sicht des DEVAP für eine nachhaltige Reform der Pflegeversicherung unabdingbar:

Die Rahmenbedingungen der Versorgung alter Menschen müssen in den Versorgungsstrukturen durchlässig gestaltet werden, damit ambulant vor stationär greift, damit das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen realisiert werden kann und damit die Pflege für Altenpflegerinnen und Altenpflegern ein interessantes weites Arbeitsfeld bleibt.

Nur wenn wir politisch weiter engagiert dafür kämpfen, dass nach dem allgemein anerkannten Erkenntnisstand auch endlich die Umsetzung vorankommt, bleibt das große Engagement aller in der Pflege Beschäftigten erhalten.

Lassen wir uns nicht abschrecken, wir sind besser als uns mancher mediale Ruf erzählen will.

Es gilt, die vorhandenen Potenziale zu nutzen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir sind viele und nur, wenn sich alle Verantwortlichen zusammenschließen, ihre Kräfte bündeln und die notwendigen Maßnahmen kurzfristig umsetzen, können wir unsere Ziele erreichen.
Unser gemeinsames Ziel muss es sein, den bereits eingeleiteten Wandlungsprozess im Berufs-und Beschäftigungsbereich der Pflege durch ein umfassendes Maßnahmenpaket entschlossen, konsequent und wirkungsvoll voranzubringen.

Die Zukunft der Pflege liegt in unseren Händen, meine Damen und Herren! Dass uns diese Aufgabe gelingen möge, dafür wünsche ich uns allen viel Erfolg und Gottes Segen.