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SelbstdarstellungInterview mit Heinrich A. MenzelRückblick Empfang 16.08.08

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10 Jahre Haus Wegwende - Interview mit Heinrich A. Menzel

Das Wohnheim für Menschen mit psychischen Behinderungen - Haus Wegwende in Werdohl - blickt im Jahr 2008 auf sein 10jähriges Bestehen zurück. Aus diesem Anlass führte Manuela Schunk, Öffentlichkeitsreferentin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V., ein Interview mit dem Leiter der Einrichtung, Heinrich A. Menzel, (Werdohl).

Seit 1963 befindet sich das Gebäude „Haus Wegwende“ im Besitz der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen. Es hat eine wechselvolle Geschichte erlebt: zunächst wurde es als Mütterkurheim für die Genesung von Frauen genutzt. Ab 1984 wurde es zum „Übergangswohnheim für psychisch kranke Menschen“. Das war sozusagen die „Keimzelle“ für die Trägerin, sich ausdrücklich für Menschen mit psychischen Erkrankungen zu engagieren. 1993 wurde das Wohnangebot verändert und der Schwerpunkt auf die Rehabilitation für psychisch kranke Menschen gelegt.
Und 1998 wurde das Wohnangebot im Hause wiederum verändert und das „Wohnheim für psychisch behinderte Menschen“ errichtet. Wie kam es dazu?

Ich kann mich noch recht gut daran erinnern, als zu Beginn der 90er Jahre die politische Diskussion aufkam, den Langzeitbereich in den Kliniken abzubauen.
Der langjährige Kontakt mit den Kliniken und das fehlende Wohnangebot für psychisch behinderte Menschen im Südkreis ergaben dann die Idee, Haus Wegwende als Wohnheim zu konzipieren und ein entsprechendes Wohnangebot einzurichten.
1997 wurde dann Haus Wegwende umgebaut. Parallel dazu wurde eine umfassende angemessene Konzeption vorgelegt und die anstehenden Personalfragen recht zügig abgewickelt.

In den ersten Februarwochen 1998 konnten wir mit der Betreuung psychisch behinderter Menschen beginnen. Zunächst waren es 8 Bewohnerinnen und Bewohner, die aus dem Langzeitbereich der Hans-Prinzhorn-Klinik aufgenommen wurde.
Da der Bedarf an Wohnheimplätzen sehr hoch war - und immer noch ist - war es nicht überraschend, dass Haus Wegwende im Sommer 1998 mit 19 Bewohnerinnen und Bewohnern voll belegt war. Die Belegung war in den vergangenen 10 Jahren immer stabil.

Es gehe immer um die Verbesserung der Angebote, „um so viel Teilhabe für Menschen jeden Alters und jeder Art der Behinderung wie möglich zu erreichen“, formuliert die leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V., Angelika Weigt-Blätgen, die Ziele des Verbandes in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen im Ennepe-Ruhr-Kreis anlässlich des Jubiläums des Frauenheimes Wengern. Als Arbeitsbereich des Verbandes im Märkischen Kreis gilt dieser Grundsatz sicherlich auch für Haus Wegwende. Wie setzen Sie das konkret in ihrer Arbeit durch Angebote und Leistungen um?

Betrachte ich die Geschichte von Haus Wegwende - vom Übergangsheim zum Wohnheim -, so hat die Trägerin die Idee und das Konzept, psychisch behinderte Menschen in einem beschützten Rahmen zu fördern und zu begleiten, ständig den erforderlichen Anforderungen angepasst.

Eine Fortführung in diesem Rahmen - so kann ich durchaus sagen -, ist uns in einem adäquaten Leistungsprofil im jetzigen Haus Wegwende gelungen. Es bedurfte zwar einer Änderung der Angebotspalette - auf Grund des Klientels -; grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass ein niedrigschwelliges Angebot der erste kleine Schritt ist, um langfristig den Bewohnerinnen und Bewohnern ein relativ strukturiertes Leben zu ermöglichen.

Heute gibt es drei Bereiche der Arbeit mit psychisch kranken Menschen im Märkischen Kreis, die in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. sind. Wie muss man sich die Zusammenarbeit der Bereiche vorstellen?
Hat es einen konkreten Nutzen für die zu begleitenden Menschen, ein derartiges Angebot von einer Trägerin zu haben?

Das breit gefächerte Angebot der Trägerin im Südkreis ist für die Bewohnerinnen und Bewohner von Haus Wegwende von Vorteil: verschiedene Arbeitsangebote sind in der SIGA in Werdohl vorhanden; je nach den individuellen Entwicklungen ist das „Betreute Wohnen Frauenhilfe“ eine Alternative zur stationären Unterbringung. Alles in einer Trägerschaft zu haben kommt den Bewohnerinnen und Bewohnern sehr zu gute, da die Wege kurz und transparent sind und vertraute Menschen Verlässlichkeit bieten.

Haus Wegwende ist in Trägerschaft der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Wie würden Sie das besondere Profil Ihrer Einrichtung - geprägt durch die Trägerin - beschreiben?

Unser diakonisches Handeln und unser Auftrag ist darauf ausgerichtet, den Bewohnerinnen und Bewohnern eine Gleichbehandlung und Teilhabe in einer Gemeinschaft zu teil werden zu lassen.

Unser evangelisches Profil spiegelt sich in der menschenwürdigen Begleitung, die für alle Bewohnerinnen und Bewohner individuell ausgerichtet ist, wider, unabhängig von Konfession oder Nationalität.

In Zeiten immer knapper werdender Kassen hat eine Arbeit wie die von Haus Wegwende nicht immer den Stellenwert, der ihr eigentlich zukommen sollte.
Wie ist die Finanzierung der Arbeit von Haus Wegwende zusammengesetzt und ist sie derzeit gesichert?

Der Aufenthalt der Bewohnerinnen und Bewohner wird durch den überörtlichen Sozialhilfeträger bezahlt. Ob diese Finanzierung gesichert ist, kann heute umfassend nicht beantwortet werden.

Fest steht jedoch, dass in den letzten Jahren bereits finanzielle Kürzungen für die Bewohnerschaft eintraten. Der Satz „ambulant vor stationär" wird wohl für die stationären Einrichtungen weiterhin finanzielle Auswirkungen haben.
Nichts desto trotz werden wir unser Angebot stabilisieren und erweitern.

Herr Menzel, Sie sind seit 10 Jahren Einrichtungsleiter und seit mehr als 20 Jahren in der Arbeit mit und für psychisch kranke Menschen.
Was hat sich Ihrer Meinung nach in dieser Zeit gesellschaftlich im Umgang mit psychischen Erkrankungen verändert?

Ich glaube schon, dass sich im Laufe der letzten 10 Jahre vieles gesellschaftlich verändert hat. Das Netz der Hilfe für psychisch behinderte Menschen ist wesentlich dichter, professioneller und transparenter geworden. Dem psychisch behinderten Menschen steht - jedenfalls aus meiner Sicht - ein ausreichendes Hilfsangebot gegenüber. Ich hoffe nur, dass die eigentlichen "Fortschritte" in der Psychiatrie nicht durch ein finanzielles Fiasko ausgebremst werden…

Zehn Jahre Arbeit mit psychisch behinderten Menschen in Haus Wegwende: Kommen andere Menschen in ihr Haus als noch vor einigen Jahren?

Rückblickend auf die letzten 10 Jahre haben wir für uns als Haus Wegwende einige Erfolge erlebt. Ehemalige sind in Außenwohngruppen, ins stationäre Einzelwohnen oder auch in eigene Wohnungen eingezogen, von wo sie regelmäßig zur Arbeit gehen.

Durch die geringe Fluktuation kam es in den letzten 2 Jahren auch zu Neuaufnahmen. Die Menschen, die wir neu aufgenommen haben, waren wesentlich jünger - aber auch mit relativ langen Klinikaufenthalten und mit einer komplexeren Krankheitsgeschichte vorbelastet.

Wir haben unsere Angebotspalette innerhalb des Hauses diesbezüglich verändert und weiterentwickelt.

„Selbständiges und selbstbestimmtes Leben“ - „fordern und fördern“ - „ambulant vor stationär“ - das sind Schlagworte der letzten Jahre in der Gesellschaft und so auch in der Behindertenhilfe. Sind denn alle Menschen mit psychischen Behinderungen in der Lage, alle sich ihnen bietenden Möglichkeiten zu ergreifen?

Grundsätzlich ja. Die notwendigen Hilfen müssen individuell abgestimmt sein, um so die Art und Weise und die Intensität der Betreuung zu koordinieren und zu praktizieren. Die Prämisse sollte hier sein, ein gutes kontinuierliches Betreuungsverhältnis zwischen Mitarbeitenden und psychisch behinderten Menschen.

Vor allem Sozial- und Gesundheitspolitiker scheinen sich mehrheitlich darauf zu verständigen, dass es für jeden Menschen mit Behinderung besser ist, in keiner stationären Einrichtung untergebracht zu werden. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Ja, ja, das ist mir bekannt. Ich frage mich nur, ob die Politiker schon einmal eine Psychiatrie von innen gesehen haben... Es darf doch nicht sein, dass die Sinnhaftigkeit dieser Wohnform in Frage gestellt wird, in dem man nur die finanziellen Aspekte sieht…

Wir haben aber leider auch Erfahrungen gemacht, dass selbst bei unseren Bewohnerinnen und Bewohnern mit chronisch psychisch Erkrankungen und massiven Krankheitsfolgen häufig der Aufenthaltszeitraum angefragt wird. Nach dem Motto: wann kann die- oder derjenige in eine „billigere“ Wohnform entlassen werden…

Was würden Sie sich wünschen für die nächsten 10 Jahre - für die Menschen mit chronifizierten psychischen Erkrankungen?

Für die Menschen wünsche ich mir, dass wir es auch weiterhin schaffen, diese Gemeinschaft aufrecht zu erhalten.
 

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