Text drucken Liebe Frau Weigt-Blätgen, liebe Festversammlung, in der Einladung steht als Programmpunkt nach dem Gottesdienst der Vortrag: Es war klar, dass der Vortrag nicht ausfallen konnte und so habe ich es übernommen, diesen Vortrag zu halten. Dabei habe ich auf die ausführlichen Vorarbeiten von Diana Klöpper zurückgreifen können und auch ihre Unterstützung in der Ausarbeitung gehabt. Außerdem habe ich einen Vortrag von Frau Weigt-Blätgen (1), einen Aufsatz von Heike Koch (2), das Buch von Erika Kreutler über die ersten Theologinnen in Westfalen (3) sowie eine Reihe anderer Quellen benutzt. Dieser Vortrag ist insofern ein Gemeinschaftswerk einer Reihe von Frauen und bildet die Netzwerkarbeit im Kleinen ab, die für mich ein Grund dafür ist, dass Frauen im geistlichen Amt heute in unserer Kirche dort stehen, wo sie stehen. Dass und warum wir diese Netzwerkarbeit auch in Gegenwart und Zukunft dringend benötigen werde ich im letzten Teil des Vortrages ausführen. Der Vortrag ist unterteilt in folgende Abschnitte:
Ich komme zum ersten Abschnitt: „Die Wolke der Zeuginnen“ (4) Der Hebräerbrief spricht von der „Wolke der Zeugen“. Glaubenszeuginnen - Frauen die Theologie getrieben haben und die den Glauben gelehrt haben, hat es in der 2.000jährigen Geschichte des Christentums immer gegeben, auch wenn schon in der frühen Christenheit Frauen von offiziellen Ämtern der Kirche ausgeschlossen wurden und ihnen die Lehre in Wort und Schrift verboten wurde. Vor allem die theologische Frauenforschung der letzten vierzig Jahre hat viele dieser Zeuginnen dem Vergessen entrissen und hat ihre Biographien und ihr theologisches Wirken untersucht. Es würde hier deutlich zu weit führen, eine weibliche Kirchengeschichte nachzuerzählen, doch es ist wichtig, dass die Geschichte der Theologinnen nicht erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts beginnt, sondern zur Zeit Jesu: dass es neben Jüngern Jüngerinnen, neben Aposteln, Apostelinnen und auch Kirchenmütter, Ketzerinnen, Mystikerinnen, Reformatorinnen, Pietistinnen gegeben hat und dass ihre Arbeiten nicht ohne Auswirkungen auf die Geschichte unserer Kirchen und unseres Glaubens geblieben sind. Ich begrenze mich hier darauf, einige Namen und Hintergründe - ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit und Systematik - zu nennen: Makrina, die ältere Schwester des bedeutenden Theologen Gregor von Nyssa wird von ihm selbst als Lehrerin bezeichnet und ihre Lehren sind teilweise überliefert, ebenso wie Aussprüche der Wüstenmütter Amma Synkletike, Amma Theodora und Amma Sarah. Priska und Maximilla wirkten gemeinsam mit Montan als Prophetinnen in einer christlichen Bewegung, die später nur nach dem Namen des Mannes als Montanismus bezeichnet wurde, und die als häretisch, also von der Lehre der Kirche abweichend, bekämpft wurde. Bekannter sind die berühmten Mystikerinnen und Ordensfrauen wie Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg und viele andere, deren Schriften in den letzten Jahren auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Das Zeitalter der Reformation hat eine Reihe von wichtigen und einflussreichen Frauen hervorgebracht: Die spanische Zeitgenossin Martin Luthers, Theresa von Avila, gilt der katholischen Kirche als Kirchenlehrerin (seit 1970). Sie ist jüdischer Herkunft und ihre Schriften enthalten deutlich feministische Züge. Beides wurde lange Zeit verschwiegen und erst durch die feministische Kirchengeschichte aufgearbeitet. Mit der Reformation wurden viele Klöster aufgelöst und damit die einzige legitime Lebensform für adelige und gebildete Frauen außerhalb der Ehe im protestantischen Bereich weitestgehend abgeschafft. Caritas Pirckheimer erreichte mit ihrer evangelisch-theologischen Argumentation gegenüber Philipp Melanchthon, dass das Klarissenkloster in Nürnberg, dessen Äbtissin sie war, fortbestehen konnte. Im Pietismus spielten Frauen vielfach wichtige Rollen, wenn sie aber versuchten, theologische Lehraussagen zu verfassen, wurden sie, anders als diejenigen Pietistinnen, die sich auf die Abfassung von Erbauungsliteratur beschränkten, bekämpft. Neben anderen riefen die Pietistinnen Johanna Eleonora Petersen, Susanna Margaretha Sprögel und Anna Katharina Sparschmidt mit ihren Schriften heftige Kritik hervor. Für Luise Otto, die Mutter der deutschen Frauenbewegung, die 1895 starb, war der Kampf um die weibliche Freiheit eine genuin christliche Angelegenheit, was sie mit vielen biblischen Zitaten belegte. Ich schließe diesen Abschnitt mit einem Zitat von Elisabeth Malo: |
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Ich komme zum 2. Abschnitt „Die erste Theologin in Westfalen“ In der Zeit von 1900 bis 1909 öffneten sich die Universitäten im deutschsprachigen Raum den Frauen. Damit konnten sie auch Theologie studieren. 1924 waren bereits 60 Frauen in evangelischer Theologie eingeschrieben; bis 1930 kamen weitere 188 hinzu. Die Geschichte der Theologinnen in Westfalen ist in ihrer Anfangszeit vor allem mit einem Namen verbunden: Maria Weller. Von Anfang an verfolgte Maria Weller mit der Aufnahme des Studiums ein klares Ziel: Sie wollte ein Gemeindepfarramt übernehmen. Lassen Sie uns einen Blick werfen auf die rechtliche Situation von Theologinnen zu der Zeit, in der Maria Weller Theologie studierte. Das Arbeitsfeld der Theologin wurde definiert als: ‚Zuarbeit und Entlastung des Pfarramtes’. Das Gesetz verbot den Vikarinnen die öffentliche Verkündigung im Gemeindegottesdienst, die Sakramentsverwaltung, sowie die Gemeindeleitung! Außerdem schrieb das Gesetz für die Vikarinnen den Zölibat vor, wenn sie heirateten wurden sie aus dem Dienst entlassen. Es scheint so, als sei mit der Veröffentlichung der Verfassungsurkunde der APU 1925 und dem Vikarinnengesetz 1927 eine Entwicklung zu ihrem vorläufigen Ende gekommen. Ihren Ausgangspunkt hatte diese Entwicklung im Pfarrermangel im und nach dem 1. Weltkrieg und in der Tatsache, dass immer mehr Frauen Theologie studierten. Maria Weller wurde am 2.2.1930 als erste Vikarin Westfalens in Dortmund in der Marienkirche eingesegnet. Ihre Tätigkeit empfand Maria Weller als ‚Gelegenheitsarbeit’ ‚nicht regelmäßig, sondern eben mal’; Ihr Aufgabenbereich war ihr einerseits zu unklar und in der Dienstanweisung dafür sehr weitfassend bezeichnet. „Mit dem furchtbaren Titel ‚Frau Vikarin‘ können meine Kranken gar nichts anfangen; sie nennen mich einfach ‚Frau Pastorin‘. Auch ‚Frau Sekretärin‘ kam vor. Immer wieder wurde ich nach der Bedeutung dieses Wortes und Amtes gefragt, so z.B. von der Adreßbuchstelle. Ein Pfarrer schrieb mir ‚Vikarin ist keine Amtsbezeichnung für eine Theologin, die ein ordentliches kirchliches Amt hat. Es liegt in dem Wort etwas Gedrücktes und Unfertiges.’“ Und Maria Weller litt auch unter der Begrenzung ihres Arbeitsbereiches, zum Beispiel dem Verbot die Sakramente zu spenden und hier vor allem in ihrer Arbeit als Krankenhauseelsorgerin. Noch ein Zitat von Maria Weller: Maria Weller musste noch lange warten bis sie ‚ihren Kranken‘ das Abendmahl spenden durfte - im Krankenhaus durfte sie es offiziell ab 1949 - 19 Jahre nach ihrer Einsegnung. Den Titel Vikarin hingegen trug sie ein Leben lang - mit ihm musste sie leben. Die Vikarinnen selbst hatten sich in Westfalen gut organisiert: Nachdem 1925 der Verband evangelischer Theologinnen Deutschlands gegründet wurde, schlossen sich 1934 auch die westfälischen Theologinnen zu einer Landesgruppe zusammen. Maria Weller lud im Januar 1934 etwa 40 Theologinnen zu einem ersten Treffen ein. Unermüdlich setzte sie sich in den folgenden Jahren für ein geregeltes Anstellungsverhältnis für Vikarinnen ein. Im September 1937 erging ein Erlass des Reichsführers SS, der es der BK verbot Prüfungen abzunehmen. Von den Theologinnen dieser Zeit, den Vikarinnen, wurde Arbeit im Stillen erwartet. Nur so konnten sie sicher gehen, ihre Anstellung nicht zu gefährden. Erika Kreutler schreibt zu diesem Phänomen: „Die ersten Generationen von Theologinnen mussten durch ihre Arbeit überzeugen und daher auch immer um ein Vielfaches besser sein als die Männer.“ Ein erster Schritt auf dem Weg hin zu einem Theologinnenamt in der Kirche war also getan. Noch nicht entschieden war allerdings die Frage, ob es ein besonderes Amt für die Frauen geben sollte oder ob es für die Frauen um das volle Pfarramt gehen sollte. Während des 2. Weltkrieges, als immer mehr Pfarrer zum Kriegsdienst eingezogen wurden, weitete sich der Dienst der Vikarinnen aus. Wo sie arbeiteten, übernahmen sie in der Regel die gesamte Versorgung der Gemeinden, ohne jedoch jemals von der Kirchenleitung dazu die offizielle Erlaubnis zu bekommen. |
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Ich komme zum dritten Abschnitt „Der lange Weg zur vollen rechtlichen Gleichstellung “ Als Maria Weller den Konvent bzw. die Funktion der Vertrauensvikarin an Milly Haake weitergibt, liegt die Zeit des Nationalsozialismus, des 2. Weltkrieges mit seinen unglaublichen Verwerfungen, Verletzungen und Millionen Toten hinter ihnen. Doch die Restauration ist auch in der Kirche nicht aufzuhalten. Die Not ist vorbei, der Wiederaufbau der Kirche fordert den ganzen Mann. Nach dem Krieg wurde mit der Gründung der EKvW eine gesetzliche Neuordnung notwendig. Erstmals bezog die Kirchenleitung des Gesetzes auch Vikarinnen mit ein: Die Vertrauensvikarin Milly Haake wurde zum Gespräch eingeladen. Milly Haake hat übrigens bei der Evangelischen Frauenhilfe als „Theologische Berufsarbeiterin“ gearbeitet, heute tun wir noch die gleiche Arbeit wie sie damals als Mitglieder des pädagogisch-theologischen Teams. Im Buch von Erika Kreutler heißt es zu ihr: „Milly Haake hatte als Vertreterin der Frauenhilfe in Westfalen viele Kontakte und ein hohes Ansehen. Jeder kannte und schätzte sie. Dennoch war auch sie, wie die anderen Vikarinnen, sehr einsam. Sie empfand es als sehr bedrückend, dass sie nirgendwo dazugehörte: weder zu den Pfarrern - auch nicht zu den Pfarrern, mit denen sie in der Frauenhilfe zusammenarbeitete, noch zu den anderen Mitarbeitern, noch zu den Diakonissen, noch zu den Gemeindegliedern. Die Pfarrer der Frauenhilfe erlebte sie als sehr autoritär: Selbst als sie nach dem Gesetz im Rahmen ihres Dienstes bereits Abendmahlsgottesdienste hätte halten dürfen, in der Frauenhilfe in Soest durfte sie es nicht.“ Die Leistungen von Milly Haake als Vertrauensvikarin sind sicherlich für unsere Berufsgruppe von unschätzbarem Wert und mir ist das erst so richtig klar geworden, nachdem ich im Buch von Erika Kreutler gelesen habe. Es beschämt mich, dass ich sie erst im Zusammenhang der Vorbereitung dieses Vortages wirklich wahrgenommen habe, obwohl ich schon fast zehn Jahre bei der Frauenhilfe arbeite. Milly Haake brachte die Bitten der Vikarinnen vor: 1949 wurde das „Kirchengesetz über die Ausbildung und Anstellung von Vikarinnen in der EKvW“ verabschiedet, dass im wesentlichen die Bestimmungen von 1927 wiederholte, aber auch einige Verbesserungen für die Vikarinnen bedeutete: Auf Antrag des Presbyteriums konnte das Landeskirchenamt die Befugnisse der Vikarinnen erweitern, so dass sie in Ausnahmefällen doch einen Sonntagsgottesdienst vor der gesamten Gemeinde halten konnten, es gab keinen Unterschied mehr in der Ausbildung zwischen Vikarinnen und Vikaren. Ihr Gehalt wurde auf 75% des Pfarrergehaltes festgelegt. Für einige Vikarinnen war selbst diese diskriminierende Regelung ein echter Fortschritt, da sie nun überhaupt ein Anrecht auf eine festgelegte Besoldung hatten. Der nächste Impuls zur Veränderung ging von den Vikarinnen selbst aus: Im Januar 1956 forderte die Vikarinnen-Schwesternschaft die Kirchenleitung auf, die Einsegnung durch eine Ordination zu ersetzen, als Amtstracht statt der bis dahin vorgeschriebenen schlichen schwarzen Kleider den Talar zuzulassen, sowie das Gehalt dem der Pfarrer anzugleichen. Die Anträge wurden von der Landessynode 1956 mit großer Mehrheit angenommen. Ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung war vollzogen worden. Auch Frauen durften nun predigen, Abendmahl feiern und taufen. Pfarrerinnen konnten sie aber noch nicht sein. Erst 1959 wird mit Renate Krull die erste Vikarin in Westfalen ordiniert. In meinem Geburtsjahr, am 23. Oktober 1964 verabschiedete die Landessynode nach einer erbitterten Auseinandersetzung, die über ein Jahr gedauert hatte, mit der erforderlichen 2/3-Mehrheit das Pastorinnengesetz. Die Pastorinnengesetze änderten den Titel der ordinierten Frauen. Vikarinnen, deren Titel ein Leben lang nahe legte, dass sie sich noch in Ausbildung befänden, durften sich nun Pastorinnen nennen. Zwei Einschränkungen jedoch blieben. Pastorinnen durften nur in eine Gemeinde mit mindestens drei Pfarrstellen gewählt werden, damit den Gemeindegliedern bei Amtshandlungen, vor allem beim Abendmahl, die Wahl blieb, doch zu einem Mann zu gehen; zum anderen galt weiterhin der Zölibat. Bei Heirat verloren die Pfarrerinnen ihre Pfarrstellen. Die „Wiedereinstiegsregelung“ wurde jedoch im Verhältnis zu den Regelungen der Bekennenden Kirche erweitert. Pastorinnen hatten die Möglichkeit wieder in ihr Amt zu kommen, wenn sie verwitwet bzw. schuldlos geschieden wurden. 1965 wird Renate Krull in der Martingemeinde in Dortmund als erste Pastorin in ein Gemeindepfarramt gewählt (es war übrigens nur eine 2-Pfarrstellengemeinde und damit schon gleich eine Ausnahme vom Gesetz). 1960 bereits wird sie Mitglied des Vertrauensrates als Vertreterin der jungen Frauen, als Ruth Mielke den Vorsitz in Nachfolge von Milly Haake übernimmt. Neben Ruth Mielke und Renate Krull gehören dem Rat Gerda Keller und Sabine Haußner an. 1974, in dem Jahr, in dem Angelika Weigt-Blätgen ihr Theologiestudium aufnahm, wurde das Pastorinnengesetz in Westfalen abgeschafft. Das Pfarrdienstrecht gilt seitdem auch für uns Frauen, auch die Zölibatsklausel wurde aufgehoben und Pfarrerinnen dürfen seitdem heiraten. Die unglaublich sorgfältige und hervorragend belegte Arbeit von Erika Kreutler (Die ersten Theologinnen in Westfalen 1919 - 1974, Luther Verlag) endet leider 1974. |
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Ich komme zum 4. Abschnitt. „Die aktuelle Situation der Theologinnen in der EKvW“ An dieser Stelle möchte ich Ihnen erzählen, wie Diana Klöpper und ich auf den Titel des Vortrages gekommen sind „Der Pfarrer bin ich!“ Auf meine Frage, was er denn wolle, stellte er sich als Vertreter eines kirchlichen Verlages vor und er müsse den Pfarrer, also meinen Vater oder Ehemann sprechen. Daraufhin sagte ich „Der Pfarrer bin ich!“ Diese Aussage schien er aber nicht zu verstehen und er fragte noch einmal nach meinem Vater oder Ehemann. Erst als ich ihm sagte, dass ich die gewählte Pfarrerin dieser Gemeinde sei und er schon mit mir vorlieb nehmen müsse, verstand er mich endlich. Gegenwärtig arbeiten in der westfälischen Landeskirche 1938 Pfarrerinnen und Pfarrer (außerdem sind 168 Pfarrerinnen und Pfarrer freigestellt zu einem Dienst bei einem anderen Träger, dazu gehören wir drei Pfarrerinnen der Frauenhilfe), darunter sind 544 Frauen, das sind 28%. Knapp 80 % der westfälischen Pfarrerinnen und Pfarrerarbeiten in Pfarrstellen, gut 20 % im Probedienst. Worin besteht der Unterschied? Pfarrerinnen und Pfarrer im Probedienst werden in die Stelle entsandt und nicht gewählt. Sie haben zwar Gaststatus in Presbyterien und Synoden, aber kein Stimmrecht, können auch selbst in kein Leitungsamt gewählt werden. Ihr Gehalt ist seit einigen Jahren eine Stufe niedriger als das der Pfarrstelleninhaber. War der Probedienst ursprünglich nur als eine ein- oder zweijährige Übergangsphase vor der Wahl in eine Pfarrstelle gedacht, ist er heute für viele Theologinnen und Theologen zu einem dauerhaften Anstellungsverhältnis geworden. Dies resultiert aus der gegenwärtigen kirchlichen Praxis, freiwerdende Pfarrstellen in der Regel nicht wieder zu besetzen, sondern aus finanziellen Gründen einzusparen. Außerdem sind in wichtigen Aufgaben, wie der Krankenhaus- und Altenheimseelsorge fast keine Pfarrstellen errichtet worden und diese Dienste werden zum Teil seit Jahren von der gleichen Frau oder dem gleichen Mann im Probedienst geleistet. Der Anteil von Frauen im Probedienst, also in einem Anstellungsverhältnis mit einer Gehaltsstufe weniger, ohne Stimmrecht, ohne die Möglichkeit, eine Leitungsposition wahrzunehmen, beträgt konstant seit Jahren über 60 %. Zieht man diese unterschiedliche Stellensituation in Betracht, so ergibt sich, dass nur etwa 40 % aller Pfarrerinnen in einer vollen Stelle arbeiten. 35 Jahre nach der rechtlichen Gleichstellung von Pfarrerinnen und Pfarrern ist die Arbeit von Frauen in diesem Amt für die meisten Gemeindeglieder normal geworden. Die westfälische Landeskirche ist - wie alle Landeskirchen in der EKD noch weit davon entfernt, Pfarrerinnen und Pfarrer in paritätischem Verhältnis in ihren Gemeinden und Ämtern anzustellen. Vielleicht bringt uns der Entschluss, den die Landessynode 2008 auf Antrag von Frau Weigt-Blätgen beschlossen hat, ein Gleichstellungsgesetz für Pfarrerinnen zu erlassen, auf diesem langen Weg einen Schritt weiter. Ich komme zum letzten Punkt: Fragen, Forderungen und Ziele für die Zukunft Bei den jährlichen Gesprächen zwischen der Landeskirche und dem Geschäftsführenden Ausschuss des Westfälischen Theologinnenkonvents hat uns Dr. Hoffmann in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass die nachwachsenden Theologen mehrheitlich Theologinnen sind. Es studieren deutlich mehr Frauen als Männer Theologie und absolvieren das Vikariat und das 2. theologische Examen. Deshalb würde es doch ausreichen, wenn wir als Theologinnenkonvent einfach in Ruhe abwarten. Das möchte ich in Frage stellen: Angelika Weigt-Blätgen warnte in ihrer Laudatio zum Jubiläum des Westfälischen Theologinnentages: Wenn wir endlich in die Finanzüberlegungen der Kirche ein gender budgeting aufnehmen würden, würde deutlich, dass in den Bereichen der Frauenarbeit der Kirche auf allen Ebenen von der Gemeinde bis zur Landeskirche viel mehr Geld ausgegeben werden müsste, weil das Geld nach dem Anteil der Geschlechter gerecht auf die Arbeit verteilt werden müsste. Wenn es in Bezug auf die Theologinnen und Theologen unserer Kirche gender budgeting -Überlegungen gäbe, wäre es nicht möglich, der alten Theologengeneration, der fast nur Männer angehören, ohne Abschläge in der Pension mit A 14 den Vorruhestand anzubieten, während die jüngeren Generationen, in denen es mehr Frauen gibt, keine Chance mehr haben, überhaupt nach A 14 aufzusteigen. Unserer Landeskirche hat mit ihren Regelungen zum Entsendungsdienst seit Jahren einen Klerus Minor aufgebaut, der überwiegend weiblich ist (mehr als 60 %), und die Kolleginnen, die heute im Entsendungsdienst arbeiten, können schon gewisse Parallelen zu den Einschränkungen wahrnehmen, die in der Geschichte das Vikarinnengesetz für die Frauen mit sich brachte. 35 Jahre nach der vollen rechtlichen Gleichstellung haben wir als Pfarrerinnen bei weitem noch nicht den Anteil von 30 % der Pfarrstellen erreicht, die wir bräuchten, um wirklich eine einflussreiche Größe für die Entscheidung der kirchlichen Gremien (Kreis- und Landessynoden) zu sein: Antje Schrupp hat in der Diskussion nach ihrem Vortag beim letzten WTT sehr einleuchtend dargelegt, dass ein Frauenanteil von 30 % schon als dominierend wahrgenommen wird, dass die Einflussmöglichkeiten bei unter 20 % aber zu niedrig sind. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass sich die Pfarrbilddiskussion in unserer Kirche in den letzten Jahren immer noch an dem Bild des Gemeindepfarrers abgearbeitet hat, der 24 Stunden am Tag im Dienst des Herrn unterwegs ist. Ist es den Kolleginnen im Entsendungsdienst zu verdenken, dass sie auf diese Rolle keine Lust haben und lieber in klar abgrenzbaren Bereichen im Funktionsamt verbleiben als sich auf eine Pfarrstelle zu bewerben, die zumindest im Habitus mit einer Familie nur zu vereinbaren ist, wenn die Reproduktionsarbeit jemand anderes erledigt? Mit Ansätzen des Gleichheitsfeminismus kommen wir nach meiner Meinung nicht weiter. Dass unsere Kirche nicht zugrunde geht, wenn Männer und Frauen ihre Rolle als Pfarrer und Pfarrerinnen anders verstehen, als die Väter- und Großvätergeneration, wird die Zukunft hoffentlich erweisen. Wir brauchen als Theologinnen in dieser Kirche auch in Zukunft, was die ersten Theologinnen auch schon brauchten und häufig schmerzlich vermissten: Noch viel weiter ließe sich diese Liste aufführen, aber ich möchte Ihnen und Euch nun die Möglichkeit geben, mit einem Glas Sekt auf unsere Jubilarin und auf die vielen anderen unglaublich wichtigen und fleißigen Theologinnen anzustoßen. Wir haben noch viel zu tun, aber andere auch. Ich schließe mit einem Zitat von Margot Käsmann, einer Frau, die es geschafft hat: Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(1) Laudatio 20 Jahre Westfälischer Theologinnentag am 14. Februar 2009 in Dortmund. Im Wortlaut veröffentlicht unter http://www.frauenreferatekvw.de/Texte/20_Jahre_WTT.pdf (2) Heike Koch: Das Licht nicht unter den Scheffel stellen. In: It takes two. The ordination of women in the member churches of the United Evangelical Mission. Wuppertal 2008. (3) Erika Kreutler. Die ersten Theologinnen in Westfalen 1919-1974. Beiträge zur Westfälischen Kirchengeschichte 32, Bielefeld 2007. (4) Die meisten Informationen dieses Abschnittes haben folgende Quelle: Artikel Theologinnen. Wörterbuch der Feministischen Theologie 2., vollständig überarbeitete und grundlegend erweiterte Auflage. Gütersloh 2002. S. 533-556. (5) Zitiert nach: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/388165/. (6) Das Parlament Ausgabe 7/2007: Interview Gott als Freundin und Mutter. Margot Kässmann. Unterordnung ist nicht das Hauptthema der Bibel, sagt die evangelische Landesbischöfin aus Hannover. |
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Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen
e.V. Feldmühlenweg 19
59494 Soest |