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Festvortrag von Frauke Bußkamp

Sehr verehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie ganz herzlich hier in Hamm auf dem Caldenhof zum 20-jährigen Bestehen des Fachseminars für Altenpflege und darf Ihnen die besten Segenswünsche für Ihr Jubiläum der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, insbesondere von Herrn Pfarrer Barenhoff und Frau Anger übermitteln. Mein Name ist Frauke Bußkamp und ich bin zuständig für die rund 140 Diakoniestationen in Westfalen und Lippe. Ich arbeite im Landesverband der Diakonie in Münster als Referentin für Fach- und Finanzierungsfragen.

Gestern bin ich von Frau Weigt-Blätgen gefragt worden, ob ich, anstelle von Frau Halm-Schlösser, die erkrankt ist, einspringen möchte. Ich habe gerne zugesagt und freue mich, hier zu sein. Durch mein Arbeitsgebiet und auch durch meine berufliche Sozialisation - ich bin von Hause aus Krankenschwester und habe danach ein Studium im Fachbereich Pflege absolviert - habe ich mit der Altenpflegausbildung viel zu tun und die Weiterentwicklung liegt mir sehr am Herzen.

Das Thema meines Vortrages fasse ich weiter. Es heißt „Zukunft der Pflegeausbildung“. Dabei nehme ich nicht nur die Altenpflegeausbildung in den Fokus, sondern nehme auch Bezug auf die Gesundheits- und Krankenpflege.
Mein Referat ist eine Zusammenstellung der Texte aus Veröffentlichungen der Diakonie: Diskussionspapier des DW der EKD „Zukunftswege Pflegeausbildung“ vom März 2008 und eine gemeinsame Stellungnahme der Diakonischen Werke Rheinland, Westfalen und Lippe „Die Zukunft der Pflegeausbildung - Anforderungen und Forderungen“ aus dem Jahr 2004.

1. Die Rahmenbedingungen der Ausbildung
Die strukturellen Entwicklungen im Gesundheitswesen und der prognostizierte demographische Wandel, das heißt sinkende Bevölkerungszahlen, Abnahme der erwerbstätigen Bevölkerung einerseits und deutliche Zunahme der hochaltrigen pflegebedürftigen Menschen andererseits, führen zu einer verstärkten, aber auch veränderten Nachfrage nach Pflegeleistungen.

Der zunehmende Verbleib alter pflegebedürftiger Menschen in ihrer Häuslichkeit, die abnehmende Zahl pflegender Angehöriger, das hohe Eintrittsalter der Bewohner in einer Pflegeeinrichtung und die damit verbundene Zunahme der schwer pflegebedürftigen, gerontopsychiatrisch und chronisch erkrankten Menschen, die Gesundheitsreformen der letzten Jahre und nicht zuletzt die Einführung der Diagnostic related groups (DRGs), stellen ambulante, teilstationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser und damit auch die Ausbildungsstätten vor neue Herausforderungen.

In den Handlungsfeldern des Gesundheits- und Sozialwesens entwickelt sich eine hohe Dynamik, die sich auf Qualifikationsanforderungen und Erwartungen der Praxis an die Ausbildung auswirkt. Diese Dynamik ist insbesondere gekennzeichnet durch

  • steigende Anforderungen an das Fachpersonal im Gesundheits- und Sozialwesen,
  • steigenden Bedarf an Mitarbeitenden und Konkurrenz um Mitarbeitende: Demografische Prognosen rechnen insgesamt mit einem Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung,
  • zunehmenden ökonomischen Druck im Gesundheits- und Sozialwesen und damit verbundene Umbau von Strukturen und Reorganisation von Arbeitsprozessen bei steigenden Anforderungen an Qualität und Quantität der Leistungen. In allen Handlungsfeldern des Sozial- und Gesundheitswesens sind künftig Fachkräfte mit hoher Flexibilität und der Fähigkeit, mit vielfältigen und ständig wechselnden strukturellen Bedingungen umgehen zu können, erforderlich.

Bereits 2001 empfahl der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (SVR) in seinem Gutachten eine Weiterentwicklung der Pflegeausbildung durch Überwindung der Trennung von Gesundheits- und Sozialberufen sowie eine wissenschaftliche Basierung der Ausbildung.

Das aktuelle Gutachten des SVR aus dem Jahr 2007 greift diese Empfehlungen wieder auf. Es kommt mit Blick auf die Erfordernisse einer am individuellen Bedarf und Lebensumständen ausgerichteten und integrierenden Begleitung und Versorgung zu der Forderung, auch in den Ausbildungen übergreifende Kompetenzen zu vermitteln, um sektorenübergreifende Kooperation zu ermöglichen. Eine berufsfeldweite Grundlegung von übergreifenden Kompetenzen soll für die Arbeit in herkömmlichen teilstationären und stationären Einrichtungen und Diensten der Kranken-, Alten- und Behindertenhilfe sowie im ambulanten Bereich qualifizieren. Darüber hinaus soll sie Grundlage sein für sich neu entwickelnde und ausdifferenzierende Tätigkeitsfelder wie beispielsweise im Rahmen der Integrierten Versorgung oder des Case Managements, der Prävention oder der Palliativpflege.

Vor diesem Hintergrund ist ein umfassendes Aufgabenverständnis im Gesundheits- und Sozialwesen erforderlich, das Edukation, Begleitung, Assistenz, Unterstützung, Beratung und Pflege von Menschen mit Behinderungen, Pflegebedürftigkeit und chronischen Erkrankungen aller Altersstufen in ihrem Lebensumfeld umfasst. Eine individualisierende, personenbezogene, kontextbezogene und zugleich inkludierende und auf die Handlungssituation bezogene Sichtweise muss das professionelle Handeln im Gesundheits- und Sozialwesen prägen.

Eine solche Perspektive eines umfassenden Bildungs- und Berufsverständnisses hat diakonische Wurzeln. Denn: „Pflege ist mehr als die Summe der notwendigsten Verrichtungen, Pflege ist ein Beziehungsgeschehen“ stellte der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber 2007 im Rahmen eines Kongresses klar. Anforderungen an die Pflege stehen nach seiner Auffassung in engem Zusammenhang mit der Sorge und Verantwortung, dass ein pflegebedürftiger Mensch nicht nur physisch versorgt wird, sondern auch weiterhin Anteil an der Fülle des Lebens hat. Auch berufspolitisch wird der Pflegebegriff weiterentwickelt.
Er wird als komplexes Geschehen beschrieben, das gleichermaßen psychosoziale, kommunikative und pflegefachliche Anteile umfasst und zu professionell eigenständigem und eigenverantwortlichem Handeln befähigt.

Der Pflegeberuf ist - wie viele andere Dienstleistungsberufe auch - durch ungünstige Arbeitsbedingungen mit geringen Einkommens- und Karrierechancen gekennzeichnet. Darüber hinaus sind hohe physische und psychische Arbeitsbelastungen zu tragen. Laut NEXT-Studie verlässt Pflegepersonal insbesondere in Deutschland zurzeit seinen Beruf früher und häufiger als dies in anderen Ländern der Europäischen Union der Fall ist. Pflegefachkräfte können derzeit nicht ohne weiteres flexibel zwischen den pflegerischen Versorgungsbereichen wechseln, um durch Berufserfahrungen in anderen Berufsbereichen die Berufsentwicklung positiv zu gestalten. Ferner fehlen Aufstiegsmöglichkeiten im Bildungssystem, so kann zum Beispiel die Fachhochschulreife in der Regel nicht gleichzeitig mit der Berufsausbildung erworben werden. (Mit Ausnahme der Regelung des sogenannten Meisterparagraphen an der Fachhochschule. Diese ermöglicht 3% der Studierenden eine Aufnahme ohne Hochschulreife).

Darüber hinaus ist die Situation in der Alten- und Krankenpflege durch einen ausgeprägten Mangel an qualifizierten Fachkräften gekennzeichnet. Die Ursache ist hauptsächlich in der Finanzierungsmisere der Alten- und Krankenpflegeausbildung der vergangenen Jahre begründet. Die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen in der Altenpflege ist nicht am tatsächlichen Bedarf, sondern am Landeshaushalt orientiert. Erschwerend kommt hinzu, dass die Altenpflegeausbildung seit ihrem Bestehen durch die Arbeitsverwaltung (SGB III) gefördert wurde und die aktuellen finanziellen Entwicklungen im Landeshaushalt einen erheblichen Rückgang der nach SGB III geförderten Plätze in den Fachseminaren für Altenpflege verursacht haben.

Die Finanzierung der Kranken- und Kinderkrankenpflegeschulen ist Bestandteil der allgemeinen Krankenhausfinanzierung. Die Kapazitäten der Schulen unterliegen damit der Krankenhausplanung auf Landesebene. In der Krankenpflege wurden seit Anfang der 90er Jahre Ausbildungsplätze systematisch eingespart. Die Folge ist ein dramatischer Rückgang der Anzahl der Schülerinnen und Schüler.

Diese Entwicklung wird den Mangel an Fachkräften in der Alten- und Krankenpflege in den kommenden Jahren voraussichtlich drastisch verschärfen. Die Ausbildungsstätten der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege verfügen als Privatschulen im Status der Schulen besonderer Art nicht über klare Rahmenbedingungen und eine staatliche Regelfinanzierung. Auch dies führt zur Destabilisierung der Ausbildungssituation.

In den letzten Jahren zeigt sich ein Rückgang der Zahl qualifizierter Bewerberinnen für die Pflegeausbildungen. Daher wird sich hier neben den Arbeitskräften auch die Anzahl der Ausbildungsinteressentinnen perspektivisch verringern. Schon heute ist im Vergleich zu früheren Jahren bei den an den Pflegeausbildungen Interessierten eine deutliche Minderung der persönlichen und beruflichen Qualifikation festzustellen.
Die Schere zwischen Ausbildungsansprüchen und geeigneten Schülerinnen droht somit - bei Beibehaltung der traditionellen (relativ unattraktiven) Ausbildungs- und Berufsbedingungen in der Pflege - weiter auseinander zu klaffen.

2. Ausbildungsbereitschaft der Träger
Die Bereitschaft der Träger zur Ausbildung von Pflegeschülern und -schülerinnen ist vor allem abhängig von der Finanzierbarkeit. Mit der Umstellung auf die so genannte Direktfinanzierung der Ausbildungsvergütung in der Altenpflege und dem Wegfall der Altenpflegeumlage tragen die ausbildenden stationären Einrichtungen der Altenarbeit die Kosten. Die Träger der ambulanten Einrichtungen beteiligen sich nur marginal an der Ausbildung, da die Ausbildungskosten direkt über den Punktwert der ambulanten Einrichtungen refinanziert werden. Die Preiserhöhung bedeutet für die Pflegebedürftigen eine Schmälerung des zur Verfügung stehenden Budgets und könnte somit zu einer Gefährdung der Marktfähigkeit der Einrichtungen führen.

Die entstehenden Wettbewerbsnachteile, die ausbildende Einrichtungen gegenüber nicht ausbildenden erfahren, können mittelfristig zu einem Nachlassen der Ausbildungsbereitschaft führen. In Bundesländern, die bereits über Erfahrung mit der Umstellung auf die Direktfinanzierung in der dualen Ausbildung verfügen, ist ein solcher Trend festzustellen. In gegenläufiger Entwicklung wird die Finanzierung der Krankenpflegeausbildung über eine Fondsfinanzierung ab 2005 geregelt.
Ein einheitliches Finanzierungssystem, das die Ausbildungslasten gerecht verteilt, ist Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Pflegeausbildungen.

3. Pflegeausbildung an der Hochschule
In Deutschland sind seit Anfang der 90er Jahre Diplomstudiengänge (Pflegemanagement, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft beziehungsweise „Sonstige“, zum Beispiel Pflegeexperten) - überwiegend an Fachhochschulen - eingerichtet. Inzwischen studieren viele Menschen in diesen Studiengängen.

Auf die Gesamtzahl der Pflegenden bezogen, sind das jedoch nur ca. 1%. Angesichts der zu erwartenden steigenden Nachfrage nach Pflegefachkräften in den nächsten Jahren (vgl. Kuratorium Deutsche Altenhilfe 1998), den einschneidenden Umstrukturierungen sowohl im Bereich der Kranken- als auch der Altenpflege erscheint dieser Prozentsatz insgesamt als zu gering. Neben der Vielfalt in den Studiengängen ist heute eine Vielzahl von Abschlüssen möglich. Eingangsvoraussetzungen für viele Hochschulstudiengänge sind bislang eine abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich der Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege, der Altenpflege oder als Hebamme mit zum Teil zusätzlicher zweijähriger Berufstätigkeit.

Bis auf 3% der Studienplätze müssen die Bewerberinnen zusätzlich mindestens die Fachhochschulreife besitzen. Besondere Schwerpunkte der Absolventen der Pflegestudiengänge sind beispielsweise das Pflegemanagement und die Pflegeberatung.

4. Tätigkeitsbereich der Pflegefachkräfte
Der Tätigkeitsbereich der Pflegenden hat sich in den vergangenen Jahren unter dem Einfluss der sozialen Gesetzgebung und veränderter Kundenerwartungen stark verändert. Diese Entwicklung geht einher mit einem Anstieg der sekundären Pflegeleistungen wie zum Beispiel Maßnahmen der Qualitätssicherung, Planung und Dokumentation.

In Einrichtungen der Alten- und Krankenpflege werden die administrativen Tätigkeiten, die an direkter Pflegezeit dem Kunden verloren gehen, immer größer. Pflegefachkräfte nehmen vermehrt eine koordinierende und steuernde Rolle ein, besonders in den Bereichen, die der Akutversorgung und Pflege nachgelagert sind. Sie sind verantwortlich für die Pflegeanamnese, die Pflegediagnose, die Pflegeplanung und Prozesssteuerung, die Pflegeevaluation sowie für Einsatz und Aufsicht über die eingesetzten Fach- und Hilfskräfte, die vielfach in teilzeitbeschäftigten Arbeitsverhältnissen stehen.

Pflegefachkräfte unterstützen zielorientierte Teamarbeit, müssen situationsgerecht mit komplexen Anforderungen umgehen und sorgen dafür, dass Aufgaben-, Verantwortungs- und Kompetenzbereiche der einzelnen Akteure der verschiedenen Berufsgruppen aufeinander abgestimmt sind.

Zurzeit arbeiten in vielen Feldern der beruflichen Pflege kurz oder geringfügig geschulte Kräfte. Die Forderung nach hoher Qualifizierung aller in der Pflege Tätigen ist mit der Praxis nicht zu vereinbaren. Jedoch muss die Qualifikation mit den zu übernehmenden Aufgaben übereinstimmen. Auch die Robert Bosch Stiftung weist bereits 2000 in ihrer Publikation „Pflege neu denken“, darauf hin, dass die heutige Ausbildung in den Pflegeberufen häufig nicht den derzeitigen Anforderungen an Fachlichkeit und Qualität entspricht. Erkenntnisse der Pflegeforschung fließen nur in geringem Maße in die Ausbildung ein und zukünftige Aufgaben und Strukturen werden oft nicht genug in den Blick genommen.

Die Auswirkungen der gesetzlichen Grundlagen der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflegeausbildung auf die zukünftige Ausbildungsqualität müssen auf eine gemeinsame Ausbildung ausgerichtet sein. Die Pflegeausbildung ist an die immensen Herausforderungen, vor denen Pflegende im Gesundheitswesen der nächsten Jahre stehen, anzupassen. Pflegende der Zukunft müssen über ein Repertoire an Kompetenzen verfügen, das sie immer wieder in die Lage versetzt, sich den veränderten Bedingungen anzupassen, unter denen Pflege stattfindet.

Dabei spielen insbesondere die sozialen, fachlichen, methodischen und kommunikativen Kompetenzen eine große Rolle. Zur Bewältigung der Aufgaben von Pflege erhalten sie ein noch stärkeres Gewicht. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie bei den Auszubildenden in ausreichendem Maße vorhanden sind. Sie bedürfen der gezielten Einübung und Erweiterung während und nach der Ausbildung und müssen als Fachkompetenzen und nicht (nur) als persönliche Kompetenzen anerkannt werden.

5. Arbeitsumfeld
Das Arbeitsumfeld und damit auch die Anforderungen an die Pflege z. B. im Krankenhaus werden sich nachhaltig verändern. Aus Patientensicht bleibt die Begleitung des Erlebens von Kranksein und Gesundwerden beziehungsweise die Begleitung und Auseinandersetzung mit Krankheit und Leiden weiterhin wesentliche Aufgabe der Pflege. Die Handlungsprofile Beratung, Assistenz, Anleitung, Unterstützung und Koordinationstätigkeiten nehmen an Bedeutung zu.

Der steigende Bedarf an einer sektoren-, berufsgruppenübergreifenden, systematischen, präventiven und rehabilitativen beziehungsweise palliativen Versorgung und Unterstützung von Menschen in ihrem sozialen Umfeld stellt alle Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen vor die Herausforderung, Leistungsangebote entsprechend den individuellen sich verändernden Bedarfslagen der betroffenen Menschen anzupassen und für eine qualitative Erweiterung ihrer Dienstleistung zu sorgen.

Die zunehmende Ambulantisierung in allen Hilfebereichen stellt weitere Anforderungen an Hilfen zur Erhaltung beziehungsweise Entwicklung einer möglichst selbstbestimmten Lebensweise, verbunden mit einem Höchstmaß an Lebensqualität. In Verbindung mit der Erweiterung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs gewinnt der Anspruch auf Teilhabe an Bedeutung. Zudem werden die Verschiebungen von der akutpflegerischen Versorgung aus dem Krankenhaus in den ambulanten Pflegeversorgungssektor dazu führen, dass auch die Alltagsgestaltung von Pflegebedürftigen in den Vordergrund gestellt wird.

Die Veränderung der Pflegeanforderung in der stationären Altenarbeit wird nicht nur maßgeblich von zunehmend hochbetagten Menschen und Menschen mit demenzieller Erkrankung beeinflusst, sondern auch durch die zunehmende Verkürzung der Verweildauer in Krankenhäusern bedingt durch die Finanzierung der Leistungen durch das DRG-System. Dies führt zu einer prä- und postklinischen Versorgung der erkrankten Bewohner in stationären Altenpflegeinrichtungen.

In der Folge des demografischen Wandels stellt eine älter werdende Generation von Menschen mit Behinderungen die bisherigen Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe vor neue Herausforderungen. Darüber hinaus erfordert insbesondere die Begleitung vom Menschen mit schweren oder mehrfachen Behinderungen eine Begleitung, die pädagogische und pflegerische Elemente integriert und miteinander verzahnt. Dem zu begleitenden Menschen mit Behinderung ist unabhängig von den Anforderungen in der Grund- und Behandlungspflege sowie der Art seines Hilfebedarfs die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

6. Notwendige Kompetenzausstattung der Fachkräfte und veränderte Anforderungen Künftig werden Fachkräfte benötigt mit hoher Kompetenzausstattung: sowohl im Sinne von Fähigkeiten zum Handeln im übergreifenden Kontext, Persönlichkeitsbildung, prozesssteuernden, ethischen und ökonomischen Kompetenzen, als auch der Fähigkeit zur reflexivanalytischen Arbeitsweise.

Aus den oben beschriebenen Trends ergeben sich veränderte Anforderungen an eine Ausbildung für das Sozial- und Gesundheitswesen.
Zusammengefasst

  • nimmt künftig die Bedeutung informeller Netzwerke und niederschwelliger, wohnortnaher Angebote zu, ebenso die Bedeutung von Kooperation und Vernetzung von Dienstleistungen,
  • besteht eine wesentliche Herausforderung in der Koordination und Steuerung von Arrangements für die Unterstützung von Menschen mit Pflegebedarf und / oder Behinderung und Menschen und deren Angehörigen,
  • ergeben sich veränderte Arbeitsorganisationen und -felder im Rahmen von Case- Management, Entlassungs- und Qualitätsmanagement insbesondere in präventiven und rehabilitativen Programmen. Dazu kommen Information, Anleitung, Schulung und Beratung,
  • werden im Krankenhaus und in der wohnortnahen Versorgung zunehmend arztersetzende beziehungsweise arztergänzende Tätigkeiten gebraucht, unter anderem in der Primärversorgung, Diagnostik, Intervention und Evaluation/ Qualitätssicherung.

Diese Entwicklungen haben Auswirkungen auf den Ausbau und die Gestaltung der professionellen Pflege- und Hilfeinfrastruktur und verlangen nach einem differenzierten Versorgungssystem auch für benachteiligte gesellschaftliche Gruppen, indem unterschiedliche Angebote und Strukturen zusammenwirken und sich zum Beispiel auf kommunaler Ebene vernetzen.

Dabei wird es sowohl zu einer Ausweitung von generalistischen Anforderungen als auch zu hohen Spezialisierungsformen in einzelnen Aufgabenbereichen kommen.
Die erforderlichen Kompetenzen sind in einem System aufeinander abgestimmter Aus-, Fort- und Weiterbildung zu vermitteln.

Dabei spielt auch der Anschluss zum Hochschulsystem eine wichtige Rolle. Es kann nicht mehr gelingen, alle aus den Entwicklungen der Handlungsfelder resultierenden Differenzierungserfordernisse in spezifizierten Grundausbildungen aufzugreifen.
Eine zukunftsfähige Ausbildung für das Gesundheits- und Sozialwesen muss neue übergreifende Grundlagen erfassen und diese entsprechende Lehr- und Lernarrangements entwickeln. Dabei muss besonders die berufliche Handlungskompetenz gefördert werden, also die Fähigkeit zum Transfer und zur eigenständigen Erarbeitung und Aneignung auf spezifische Handlungsfelder bezogenes Wissen. Auf diese Weise wird eine breit angelegte berufsfeldübergreifende Ausbildung zur Grundlage für horizontale und vertikale Spezialisierung und Differenzierung.

Um die Verweildauer der Pflegefachkräfte im Beruf zu erhöhen, müssten Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitszufriedenheit, der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal und der Erhöhung der Attraktivität der Pflegeberufe ergriffen werden, um einerseits den Verbleib der Pflegenden in den Einrichtungen und im Beruf zu fördern und andererseits die Versorgung der Pflegebedürftigen sicherzustellen.

7. Resümee
Aus diesem Grund sind die Ausbildungen der Pflegefachkräfte in eine Ausbildung zusammenzuführen, um bei einem gleichen Ausbildungsstand den Anforderungen sowohl in der Grund- als auch in der Behandlungspflege gerecht zu werden.
Der Bezug auf die gleichen pflegetheoretischen Grundlagen und eine Durchmischung der Handlungsfelder lässt eine strikte Trennung in drei separate Ausbildungsgänge als historisch überholt erscheinen. Weiterführende Kompetenzen und Spezialisierungen wie zum Beispiel in gerontopsychiatrischem oder intensivmedizinischem Wissen können durch spätere Fort- und Weiterbildungen ermöglicht werden.

8. Forderungen der Diakonie RWL
Die Diakonie Rheinland-Westfalen und Lippe fordert zum Beispiel für die Ausbildung der Fachkräfte schon lange:

  • die Herausstellung und Verdeutlichung der beschäftigungspolitischen Vorteile des Pflegeberufes. Maßnahmen wie Flexibilisierung der Arbeitszeit als entscheidender Faktor der Attraktivität für einen typischen Frauenberuf, Steigerung der Karrieremöglichkeiten und leistungsgerechte Bezahlung müssen folgen,
  • eine qualitative und strukturelle Optimierung der Ausbildung, um die Auszubildenden auf die Berufsrealität besser vorzubereiten,
  • die Überprüfung und Weiterentwicklung der vorhandenen Ausbildungsstrukturen der Pflegeberufe. Die Anforderungen der Zukunft erfordern eine qualitativ hochwertige Erstausbildung,
  • eine generalistische pflegerische Fachausbildung über drei Jahre, um Pflegepersonal aufgrund der veränderten strukturellen und fachlichen Erfordernisse flexibel einsetzen zu können,
  • langfristig eine völlig neue pflegerisch/generalistische Berufsbezeichnung,
  • gesicherte Rahmenbedingungen in Bezug auf Regelfinanzierung, Hochschulausbildung für Lehrpersonal und vertikale Durchlässigkeit zum tertiären Bereich. Hierzu ist eine Verortung der generalistischen Pflegeausbildung als Erstausbildung im Berufskolleg notwendig,
  • die Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu definieren und die Finanzierung der Pflegeausbildungen und deren Ausbildungsstätten entsprechend zu verorten,
  • die Realisierung von Modellversuchen zur generalistischen Pflegeausbildung. Auf der Grundlage der derzeitigen gesetzlichen Regelungen für die Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflegeausbildung muss es für die Absolventinnen dieser Modellversuche eine doppelte Berufsanerkennung sowohl als Krankenschwester als auch als Altenpflegerin geben,
  • die Verankerung der Pflegeausbildung im Bildungssystem oder durch Kooperation von Pflegeschulen mit Berufskollegs, um durch eine vertikale Durchlässigkeit, die Möglichkeit zum Erwerb der Fachhochschulreife zu schaffen. Dies würde in der Praxis die Überführung der Schulen besonderer Art in die höhere Berufsfachschule bedeuten. Hierzu wäre eine neue Säule im Berufskolleg zu schaffen.
  • ein differenziertes Ausbildungsprofil - von der Pflegehelferin über die Pflegefachkraft bis hin zur Hochschulabsolventin - , um einerseits Versorgungslücken zu schließen und um andererseits die Berufsgänge attraktiver zu machen,
  • ein durchlässiges Bildungsangebot bis in den tertiären Bildungsbereich hinein. In anderen europäischen Ländern ist die Grundausbildung vielfach selbstverständlich innerhalb der Hochschule,
  • die Träger auf, die Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Ausbildungsträger ernst zu nehmen, Ausbildungsplätze bereitzustellen und dieses als Trägeraufgabe anzuerkennen. Die Ausbildungsplätze und Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass Auszubildende lernfördernde Bedingungen vorfinden,
  • die politisch Verantwortlichen und zuständigen Ministerien im Land Nordrhein- Westfalen auf, die Finanzierung der Pflegeausbildungsstätten im Interesse der Pflegebedürftigen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzuerkennen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
 

Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. Feldmühlenweg 19 59494 Soest
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