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Predigt im Festgottesdienst zum 90-jährigen Jubiläum des Frauenheims Wengern 26. August 2007

Liebe Festgemeinde,
was lässt Sie staunen? Haben Sie heute schon gestaunt?
Vielleicht als das malerische Morgenrot extra für Sie ein wunderbares Bild entstehen ließ? Als die kunstvollen Spinnweben vor der Haustür oder dem Fenster schimmerten und allmählich den Altweibersommer ankündigten? Haben Sie gestaunt, heute Morgen so viele freundliche, gut gelaunte sommer-festlich gekleidete Menschen zu treffen?

Manchmal staunen wir - rückblickend - über uns selbst, darüber, dass wir dieses oder jenes geschafft haben; dass wir gelassen bleiben konnten; dass wir mit Schmerzen, Krankheit, Verletzungen und Trennungen so umgehen konnten, dass wir weiterleben oder uns sogar eine Veränderung, ein Neuanfang gelungen ist.

Wir staunen über die Winzigkeit und Vollständigkeit von Kinderhänden und Kinderfüßen; über die Vielfalt von Fischen und Insekten; über die Natur und die von Menschenhänden geschaffene Kultur mit ihren Bildern, ihrer Musik und ihrer Baukunst. Dem Staunen über die Schönheit und Vollendung ist ganz nah - es ist seine andere Seite - das Wissen und das Entsetzen über die Gebrochenheit, die Flüchtigkeit, die Gefährdung dessen, was uns staunen lässt.

„Es gibt etwas zum Sterben und zum Singen: Viel Elend und das Meer“ - so lautet die letzte Zeile eines lateinamerikanischen Gedichtes. Das Meer lässt Menschen staunen und singen - und gleichzeitig wissen sie um alle Gefährdung, um allen Hunger, um alle Armut in ihrem Land.

„Lobet den Herrn, denn unsern Gott loben, das ist ein köstlich Ding, ihn loben ist lieblich und schön. Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.
Er zählt die Sterne und nennt sie alle mit Namen. Er richtet die Elenden auf und stößt die Gottlosen zu Boden. Singt dem Herrn ein Danklied und lobt unsern Gott mit Harfen, der den Himmel mit Wolken bedeckt und Regen gibt auf Erden.“

Ja, wir sollen Gott loben, der sogar die Raben rufen hört. So haben wir zu Beginn des Gottesdienstes mit dem 147. Psalm, dem Wochenpsalm dieser Woche, gebetet.
Gott ist unser Gegenüber, wenn wir mit Israel diesen Psalm sprechen. Gott ist unser Gegenüber, wenn wir unser Staunen über die Anordnung der für uns unzähligen Sterne empfinden und wenn wir über die Verletzungen, über das Unrecht, über das Elend der Menschen klagen. Gott ist Gott für das Elend und das Meer.

Die Glaubenden, die diesen Psalm sangen, tanzten und spielten, wussten, dass Schöpfung und Geschichte, dass Sterne und Raben, Menschenleben und Menschenleid von Gott sind, bei Gott aufgehoben sind. Gott will erhalten, was er geschaffen hat - gegen alle Bedrohung, gegen allen Kampf der Menschen um Boden und Ressourcen, um Weideland und Wasser, den es auch damals schon gab.
Gott will erhalten, was er geschaffen hat. Er weiß um alles, um jeden Stern und um jedes Tier. Dafür feiert Israel seinen Gott. Dafür loben wir unseren Gott.
Vor allem aber gilt der Lobpreis des Psalms, gilt unser Lobpreis Gott, der immer und immer wieder in die Geschichte der Menschen eingreift; der immer und immer wieder eingreift und deutlich macht: Unrecht und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben.
Er will heilen, die zerbrochenen Herzens sind, die verwundet sind. Gott will Recht und Gerechtigkeit. Er will das Recht der Schwachen und Armen durchsetzen gegen das Recht der Stärkeren, der Gottlosen. Die Preisung der Schöpfertaten Gottes hängt aufs Engste zusammen mit dem Lob der guten Absichten Gottes.

Singt Gott ein Danklied.
Wir danken in diesem Jahr für 90 Jahre Begleitung und Bewahrung der Menschen und ihrer Arbeit hier in Wengern. Wir danken für den Ertrag der Felder, des Gartens und der Äcker ebenso wie für alles, was an Nähe und Menschlichkeit, an Entwicklung und Förderung möglich gewesen ist. Wir danken für den Dienst unserer Schwestern hier in Wengern. Wir danken für alle qualifizierten und engagierten und liebevollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wir danken für alle Unterstützung und alle fürbittende Begleitung durch unsere Frauenhilfen. Wir danken für jede Bewohnerin und jeden Bewohner, die hier eine Heimat, vielleicht eine Heimat auf Zeit gefunden haben, die an Körper und Seele stabiler wurden; die eine Arbeit fanden, die ihren Begabungen entspricht.
Wir danken für alle Freundlichkeit und Wärme, für jedes Lachen und jede Umarmung, für jedes Gespräch und jeden Trost.

Singt Gott ein Danklied, lobt unseren Gott mit Harfen!
Möge Gott unsere Augen und unsere Herzen offen halten, damit wir das Staunen nicht verlernen und das Danken.

„Gott heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.
Gott richtet die Elenden auf.“

Gottes Gerechtigkeit, Gottes Liebe und Zuwendung gilt denen, deren Herzen, deren Seele, deren Hoffnung gebrochen wurden; die verletzt wurden in ihrer Würde, an ihren Körpern, an ihrer Seele, an ihren Hoffnungen. Gottes Gerechtigkeit, Gottes Liebe und Zuwendung gilt denen, die arm und ausgegrenzt sind; die hinten runter fallen, wenn sich die Stärkeren durchsetzen, die die mehr zählen und für wichtiger und wertvoller gehalten werden.

In unsere Dankbarkeit mischt sich das Wissen darum, dass wir in 90 Jahren den guten Absichten Gottes auch im Wege gestanden haben, uns nicht mutig und kraftvoll genug für Gottes Gerechtigkeit eingesetzt haben, seine Liebe und Zuwendung nicht haben spürbar werden lassen. So verbindet sich unser dankbares Staunen mit dem Wissen um unsere Schuld und mit der Hoffnung auf Gottes Vergebung, auf Gottes Güte und Freundlichkeit.

Wir können nie über Gottes Zuwendung verfügen - ob in der Natur oder in der Geschichte, ob in der Landwirtschaft oder in unserem Zusammenleben.
Aber wir dürfen um sie wissen, auf sie vertrauen und auf sie hoffen.
Das ist ein Grund zum Danken, zum Feiern, zum Leben und zum Staunen.

Lassen Sie uns heute dankbar feiern.
Lassen Sie uns Gott loben mit allem, was wir heute hier erleben, mit jedem Wort, mit jedem Blick, mit jeder Begegnung.
Gott möge uns in die Zukunft begleiten, uns beschützen und uns segnen.
Gott erhalte uns die Gabe zu staunen.

Kennen Sie das Lied „Weißt du wieviel Sternlein stehen?“
Es hat so manche von uns als Abendlied in unserer Kindheit begleitet. Es hat uns getröstet, dass Gott die Zahl der Sterne, der Mücken und der Fische kennt. Es hat uns Mut gemacht, dass Gott ihnen Namen gab und dass Gott wollte, dass sie fröhlich sind. Vor allem aber war es gut und beruhigend und trostreich, dass Gott mich, Dich, Sie und Sie kennt und liebt. Dass Gott Freude, ja sogar Lust daran hat, dass es mich so gibt wie ich bin; dass er freundlich und wohlwollend in meiner Nähe ist. Dieses Lied nimmt den Grundgedanken des Psalms noch einmal auf. „Es gibt etwas zum Sterben und zum Singen; viel Elend und das Meer“ - Wenn wir das alte Vertrauenslied - „Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“ - singen, erinnern wir uns vielleicht daran, wie oft Gott uns Anlass gibt, zu staunen.
Amen.

Angelika Weigt-Blätgen
(Leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen)
 

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