Dokumentation

Verabschiedung von Angelika Weigt-Blätgen aus dem Amt der Leitenden Pfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. | 01.05.2021

Maria Loheide

Grußwort
Maria Loheide

Liebe Angelika,
wir haben wahrlich einen langen und weiten Weg
miteinander zurückgelegt.

Und jetzt bist du an einem Punkt angelangt,
an dem sich eine neue Weggabelung auftut.

Heute ist Zeit zum Innehalten,
gemeinsam mit Weggefährtinnen und -gefährten,

zurück zu blicken, auf die Reisepfade,
die dich bis hierher geführt haben.

Mehr als 30 Jahre - genau genommen 32 Jahre - ist es her,
dass wir unseren Weg miteinander begonnen haben.

Damals bin ich
als Referentin für Familienbildung, Frauen und Familie
im Diakonischen Werk Westfalen angekommen.

Du, Angelika, warst gerade als
Vorsitzende des Fachverbands der Familienbildung gewählt worden.
Ich war deine Geschäftsführerin.

Und was uns bevorstand, war,
alte Missstände – die der Landesrechnungshof aufgedeckt hatte –
gemeinsam zu beseitigen.

Dazu gehörte es auch, den ganzen Fachverband
neu aufzustellen,
mit neuer Satzung,
Gelder neu zu verteilen,
und in diesem Prozess alle Mitglieder mitzunehmen.

Eine ziemlich komplexe und schwierige Angelegenheit.
Aber auch einer Herausforderung,
durch die wir uns-,
kennen und schätzen gelernt habe.

Uns verband von Anfang an das frauenpolitische Engagement,
das uns beiden sehr am Herzen liegt.

Damals begann in Westdeutschland
die gesellschaftspolitische Diskussion um Familienformen
und Alleinerziehende.
"Ein-Eltern-Familien" hieß die Arbeitsgruppe in der westfälischen Landeskirche,
in der wir beide engagiert mitgearbeitet haben.

Maria Loheide

Ein Thema, dass uns sowohl beruflich als auch privat
immer begleitet hat:

Wir beide haben - quasi abwechselnd –
jeweils unsere zweiten Söhne bekommen.

Wir waren über Jahre hinweg auch beide alleinerziehend
und wissen aus eigener Erfahrung,
wie wichtig ein funktionierendes Netzwerk
aus Freundinnen, Müttern, professionellen Unterstützerinnen
und institutioneller Kinderbetreuung ist

Einen anspruchsvollen Beruf auszuüben und
daneben für unsere Kinder zu sorgen,
war für uns beide alltägliche Herausforderung.

Abends noch eine Arbeitseinheit einzulegen war selbstverständlich.
Oft haben wir, wenn die Kinder im Bett waren,
telefoniert, Gremien vorbereitet und Arbeitsabsprachen getroffen.

Dann wurde es schnell 22 Uhr und Mitternacht.

Und nachdem wir alles Berufliche,
alle Absprachen und Vorbereitungen getroffen hatten
und auch das Wohlbefinden unserer Kinder "durch" hatten,
dann gab es immer noch den Austausch zu "Klatsch und Tratsch" ☺

Das gehörte für uns dazu: das Berufliche und Private,
die politische Ernsthaftigkeit und der persönliche Humor.

Ich habe dich immer als wunderbar ganzheitlichen Menschen erlebt.

Ein gemeinsames Anliegen war für uns beide
die Gründung und Begleitung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen.

Gewalt an Frauen ist nach wie vor ein hochaktuelles Thema,
auch und gerade in der Pandemie.

Unter deiner Federführung -
mittlerweile als Geschäftsführerin der Evangelischen Frauenhilfe -
wurde ein Frauenhaus und Beratungsstellen für Prostituierte
in Trägerschaft der Frauenhilfe eröffnet.

Du hast dafür gesorgt, dass diese Themen
in die Arbeit, in Äußerungen und Grundsatztexten
von Kirche und Diakonie einfließen.

Die konkrete Arbeit war und ist für dich immer auch
mit politischer und kirchlicher Lobbyarbeit verbunden.

Du hast viele strukturelle
und verbandspolitische Herausforderungen
angenommen und hervorragend gemeistert!

Ich erinnere mich an Beratungen mit fünf leitenden – natürlich männlichen ;) – Juristen
aus Ministerium, Kirche und Diakonie um ganz akribisch eine neue Satzung aufzusetzen.
Ganz zielsicher hast du das Werk zu einer tragfähigen Struktur moderiert.

Gleichzeitig haben wir gemeinsam um neue Einrichtungen geworben
und Familienbildungsstätten in der Krise beraten.

Wir haben keine Mühen gescheut und sind -
eine von uns war gerade ziemlich schwanger -
durch Schnee und Glätte nach Bad Berleburg gefahren,
ein anderes Mal waren wir unter schwierigsten Bedingungen
zu einem Klärungsgespräch nach Bielefeld unterwegs.

Es hat uns gemeinsam stark gemacht,
dass wir uns in einer Männerwelt
behaupten mussten.

Denn in Leitungsgremien waren – und sind –
immer noch überwiegend Männer vertreten.

Dabei spielte ganz klar Macht und Konkurrenz eine Rolle,
und oft wurden wir nicht ernst genommen.
Es wurde versucht, uns auszubooten
oder uns in unangemessene Rollen zu drängen.

Von dir, liebe Angelika, stammt das Motto
"Contenance, meine Damen, contenance!"

Mit Souveränität und Sachlichkeit
haben wir uns so manches Mal durchgesetzt
Und unsere Ziele erreicht.

Du hast die große Fähigkeit,
auch in schwierigsten Situationen
immer einen kühlen Kopf zu bewahren,
alle Seiten und alle Perspektiven zu bedenken
und eine klare Linie zu verfolgen.

Was soll ich sagen? - Du warst erfolgreich!

Und wir haben es geschafft, unserer Arbeit ein
deutliches, frauenpolitisches Profil zu geben.

Ich springe zeitlich ein bisschen nach vorne:
Als ich 2011 als Vorständin der Diakonie Deutschland
nach Berlin ging,
blieb unsere Verbindung über
den Fachverband evangelische Frauenarbeit erhalten.

Und dann wurdest du zu meiner Freude
zur Vorsitzenden
der Konferenz für Diakonie und Entwicklung gewählt –
davon hat schon meine Vorstandskollegin Dagmar Pruin erzählt.

Aus unserem frauenpolitischen Engagement
ist die Idee für ein Netzwerk
für Frauen in Führung in Kirche und Diakonie - kurz FiFentstanden,
zu dem ich als Vorsitzende des Aufsichtsrates der Führungsakademie jährlich
einlade.
Mittlerweile sind über 100 Frauen aus der obersten Hierarchieebene von Kirche und
Diakonie in diesem Netzwerk.

Angelika, du hast
nie die Frauen aus dem Blick verloren,
die sich in den Gemeinden und vor Ort
engagieren,
die die Arbeit meist ehrenamtlich machen,
die zu selten gesehen werden.

Du hast auch an Wochenenden
unzählige Termine vor Ort wahrgenommen,
und damit den Frauen, die so viel leisten,
deine Wertschätzung entgegengebracht.

Einschub: ich glaube, kaum eine Frau kennt sich in den hintersten Winkeln von Westfalen
besser auskennst als du.

Liebe Angelika,
du gehst zwar jetzt in den Ruhestand.
Aber damit ist dein Weg noch nicht vorbei,
sondern du hast einen neuen unbekannten
Streckenabschnitt vor dir,
mit möglicherweise auch ganz anderen Herausforderungen.

Und einen ganz vertrauten Weg wirst du noch weiter gehen,
sodass wir uns ab und an auch in der Diakonie noch sehen.
Und das freut mich sehr.

Pilgernde geben sich für Ihre Reise einen guten Wunsch,
einen Segen,
mit auf den Weg,
Sie wünschen sich
"Buen camino!" : "Hab einen guten Weg!"

Das, liebe Angelika,
wünsche ich dir,
von Herzen:
"Buen camino":
"Habe einen guten Weg und einen gutes Leben"

Berlin, 01.05.2021
Maria Loheide