Grußwort von Barbara Mengel,
Vorstandsmitglied der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen. e.V.

Liebe Mitarbeiterinnen der neuen Beratungsstelle Tamar,
Liebe Frauenhilfeschwestern,
verehrte Gäste!

Als Mitglied des Vorstands und in dieser Funktion als Begleiterin der Beratungsstellen Nadeschda und Theodora freue ich mich heute besonders, Sie im Namen des Vorstands der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen ganz herzlich zu grüßen. Ich freue mich, dass wir hier in dieser Runde mit einem beeindruckenden Gottesdienst und diesem festlichen Empfang den Start der neuen Beratungsstelle Tamar miteinander feiern können.

Ich freue mich auch, dass wir heute Sie, Frau Batzik und Frau Reeh, die neuen Mitarbeiterinnen etwas kennen lernen, Namen und Gesichter der Beratungsstelle zuordnen können und sie uns dadurch etwas vertrauter werden.
Genießen Sie beide diese kleine Feierstunde und nehmen Sie die herzlichsten Grüße und besten Wünsche aller und damit auch des Vorstands für Sie und Ihre Arbeit mit in Ihr Herz, damit Sie sich gelegentlich daran erinnern können; vielleicht wenn Sie ganz alleine in den Weiten des Märkischen Kreises und der Abgeschiedenheit einiger Siegerländer Landstriche unterwegs sind.
Vielleicht hilft Ihnen gelegentlich auch die Erinnerung an Ihre Kolleginnen im Osten von Westfalen; sie stehen in ähnlicher Verantwortung, und sind Ihnen damit nahe in Gedanken und gerne auch im Austausch miteinander.

Mit der Einrichtung der Beratungsstelle Tamar, - Ausstiegsberatung für junge Frauen im südlichen Westfalen - erweitert die Frauenhilfe ihre Aktivitäten in der Anti-Gewaltarbeit. Neben dem Frauenhaus in Soest gehören die beiden Herforder Beratungsstellen Nadeschda und Theodora ebenfalls in ihre Trägerschaft.

Und nun auch Tamar.

Als wir im letzten Jahr im Vorstand darüber berieten, dieses Beratungsangebot in den ländlichen Gebieten des südlichen Sauerlands, des Märkischen Kreises und des Siegerlands zu installieren, da waren wir uns - aufgrund der ermutigenden Erfahrungen der Kolleginnen in Herford - ganz schnell einig und sehr wohl bewusst, wie nötig diese Arbeit sei; gleichzeitig aber steckten uns Erinnerungen und Sorgen im Nacken, weil wir um die schwierigen, arbeitsintensiven und langwierigen Antragsverfahren und Verhandlungen wussten, die die Leiterin der nunmehr drei Beratungsstellen, Pfarrerin Birgit Reiche und sie, Frau Weigt-Blätgen führten, um Verbündete zu finden, die nicht nur - wie wir - von der Notwendigkeit der Beratung überzeugt, sondern auch bereit waren, diese zu finanzieren.
Mutig entschieden wir in dieser Zeit zunächst die Solidarität unseres Verbandes, der vielen Mitglieder und Unterstützerinnen in den Frauenhilfegruppen vor Ort und den Bezirks-, Stadt- und Synodalverbänden nicht zu unterschätzen.
Dann setzten wir auf die Erfahrungen, die uns die Vergangenheit gelehrt hatten, sowohl in der Suche nach Kostenträgern, als auch in der Arbeit von Theodora und entschieden uns Tamar aufzunehmen.
Ganz zügig sollte dieses Projekt nun Fahrt aufnehmen - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Um in diesem flächenmäßig großen Gebiet zu arbeiten, muss man mobil sein. Zwar ist hier in der Tagungsstätte Soest ein Tamar-Büro eingerichtet, auch kann bei Bedarf auf das Büro des Bezirksverbands der Siegerländer Frauenhilfen in Siegen zurückgegriffen werden, aber die Mitarbeiterinnen im Außendienst, so will ich es mal nennen, werden in einem Fahrzeug, einem Beratungsbus, unterwegs sein.

Ich erinnere mich noch gut an unsere letzte Vorstandssitzung, als unsere stellvertretende Vorsitzende verkündete, es sei ein passendes Fahrzeug gefunden worden. Die Farbe sei weiß.
Das veranlasste mich zu einem kleinen Lächeln wegen meiner Erinnerungen an meine ehemalige berufliche Tätigkeit bei einem großen Wohlfahrtsverband im Siegerland, der immer nur weiße Dienstwagen - mit Emblem - einsetzt.
Es ergab sich eine kurze Nachfrage, ob und wie denn „unser“ Dienstwagen erkennbar sei. „Keine erkennbaren Embleme, kein Schriftzug, Neutralität in der Aufmachung.“
Ah, dachte ich mir, dann wird uns vielleicht das Nummernschild etwas über das Wesen des Halters oder der Fahrerin aussagen.
Das ist ja heute so üblich, dass man, wenn möglich, seine Initialen, die Anfangsbuchstaben der Kinder, das Geburtsdatum und so weiter auswählen kann und entsprechenden Wünschen nach Möglichkeit oder Verfügbarkeit beim Straßenverkehrsamt nachgegeben wird.
Und, so habe ich es gerade beim neuen Auto selber erlebt, schon ist einem das Fahrzeug vertraut; man kann eine emotionale Bindung aufbauen, es wird gewissermaßen von einem Gefährt zu einem Gefährten.

Gibt es ein Kennzeichen, das zu Tamar passt, fragte ich mich und nach längerem Überlegen könnte ich mir folgendes vorstellen:
IE zum Beispiel;
IE als Kürzel von In Erwartung;

IN Erwartung - dass sind wir alle, in Erwartung auf Annahme dieses Beratungsangebotes, geht es doch darum, die zu finden, die Hilfe möchten und brauchen, neue Lebensperspektiven außerhalb der Prostitution zu finden.
IN Erwartung, dass sind sie, die Mitarbeiterinnen von Tamar, die sie sich nun auf den Weg machen in den Süden, in den neuen Aufgaben- und Arbeitsbereich. Sie haben einen Auftrag angenommen von Jesus Christus und diesen Auftrag werden sie erfüllen.
IN Erwartung sein, damit verbinde ich ein Gefühl der Motivation zum Beispiel, der positiven Anspannung, die mich aufmerksam und wachsam sein lässt und zu engagierter Arbeit befähigt.
IN Erwartung sein, bei Schwangeren spricht man davon, in Erwartung sein; das bedeutet doch in etwa: freudig sich vorbereiten auf das, was kommen will, etwas Ungewissheit schwingt damit, vielleicht auch etwas Sorge, aber das alles nimmt nicht überhand, eher bleibt da etwas Zartes, Behutsames...
IN Erwartung sein, das ist auch eine Haltung. Erwarte ich jemanden, so begegne ich ihm respektvoll, vorbereitet, dann habe ich mich auf sein Kommen eingestellt, habe alles gerichtet, nehme mir Zeit.
Leben und arbeiten Sie auch in der Erwartung auf Rückschläge.
Es wird nicht alles beim ersten Mal klappen, es wird nicht jeder Ihre Arbeit anerkennen und wertschätzen, es werden Stimmen laut, die es Ihnen das Leben schwer machen, die in Ihnen Zweifel an Ihrer Arbeit säen werden.
Auch dann dürfen Sie in Ihren Kolleginnen in Theodora und Nadeschda Vertraute finden, die sich in der Arbeit auskennen, die um die Nöte wissen, die Außenstehende kaum erahnen können, die zuhören und Sie aufmuntern werden und froh sind, auch in Ihnen Seelsorgerinnen, Begleiterinnen und Mitstreiterinnen zu sehen.

Vielleicht in einigen Wochen, wenn sich Ihr gutes Beratungsangebot herumgesprochen hat, werden Ihre zukünftigen Klientinnen dem Wagen und damit Ihnen, den Mitarbeiterinnen, in Erwartung entgegen sehen.
Dann werden Erwartungen an Sie gestellt, Erwartungen, dass Sie den Betroffenen Frauen zur Seite stehen, einen guten Weg weiter zu gehen, begleitet von Ihnen, geachtet und beachtet in der Einzigartigkeit ihrer Person und ihrer Lebensumstände.
Sie erwarten von Ihnen Unterstützung, ein offenes Ohr, Parteilichkeit für sich und ihre Probleme; Sie erwarten von Ihnen Beständigkeit.
IE, wenn schon nicht mit großen Lettern als Schriftzug „in Erwartung“ zu lesen, so doch vielleicht mit großen Buchstaben auf dem Kraftfahrzeugkennzeichen geschrieben.
Ist das eine Idee?

Die Zahl darf man sich ja auch wünschen.
Mir würde eine einzige Ziffer genügen - das ist zwar auch nicht vorgesehen, aber die 8 ist meines Erachtens völlig ausreichend.

Liebe Mitarbeiterinnen,
haben Sie Acht auf sich, wenn Sie Ihrer nicht leichten Aufgabe nachgehen.
Schätzen Sie Ihre körperlichen und mentalen Kräfte richtig ein.
Als kompetente Fachfrauen möge es Ihnen immer gelingen, Nähe und Distanz zu den Problemen Ihrer Klientinnen in der richtigen Balance zu halten.
Seien Sie achtsam mit sich und ihren Klientinnen.

Haben Sie acht auf sich im Straßenverkehr, bei den weiten Strecken und vielen Kilometern, die Sie fahren werden.
Nehmen Sie sich in Acht vor Vorurteilen anderer Menschen.
Nehmen Sie acht auf die Bedürfnisse, der Frauen, die zu Ihnen kommen und die Sie besuchen. Sie sind oftmals die einzigen, die deren Würde achten.
Achten Sie auf die politischen Entwicklungen und vertreten Sie unbeirrt die Interessen und Rechte Ihrer Klientinnen in Kommunen, bei den Ämtern und Behörden und bei der Arbeitsvermittlung.

Liebe Frauenhilfeschwestern,
verehrte Gäste,
wir sind im Glauben und im Verband angehalten einander zu achten.
Das beinhaltet auch das Gebet für einander.
Nehmen Sie die Mitarbeiterinnen der Frauenhilfe auf in ihr Gebet um Bewahrung an Leib und Seele, Stärkung, Freude und Erfüllung.
Und nicht zuletzt:
Der Landesverband hält alle Mitglieder der Frauenhilfe durch Rundschreiben, alle Interessierten durch Newsletter und Internetauftritt ständig auf dem neuesten Stand der Entwicklungen.
Informieren Sie sich über die Arbeit und geben Sie die Informationen weiter. Das ist die Grundlage für informiertes Beten und betendes Handeln.
Gehen Sie auch aus Ihrem stillen Kämmerlein heraus und werden Sie nicht müde, in Ihren Kreisen und Gemeinden um Verständnis und Unterstützung der Arbeit von Theodora und Tamar zu werben.
Denn sie werden weitere Unterstützung brauchen. Werden Sie Botschafterinnen der Frauenhilfe, Freundinnen und Förderinnen.
Achten wir also im Glauben und  Handeln aufeinander.
Deshalb die 8 im Nummernschild.

SO.
Ach ja - wahrscheinlich wird der Wagen ja in Soest zugelassen.
Dann hätten wir’s ja jetzt durchbuchstabiert:
SO für Soest
IE für „In Erwartung“

und die 8.

So wird ihnen Tamar nun nicht begegnen.
Bestimmt wird das amtliche Kennzeichen in der Mitte zwei andere Buchstaben aufweisen.
So wie alle Dienstwagen der Frauenhilfe:
FH - FH für Frauenhilfe
Aber jetzt mal ehrlich: bedeutet das nicht mindestens das Gleiche?

Gottes Segen möge Sie begleiten, in ihrer Arbeit, auf allen Wegen.