Text drucken „Gott spricht: Ich will euch erlösen, Monatsspruch Dezember 2009 Liebe adventliche Festgemeinde, „Ich will euch erlösen, dass ihr ein Segen sein sollt. Fürchtet euch nur nicht und stärkt eure Hände!“ - Als Monatsspruch für Dezember begleitet uns dieses Wort des Propheten Sacharja durch die Advents- und Weihnachtszeit bis hinein in die vom 24. an folgenden heiligen Nächte. Es klingt fast wie die biblische Ergänzung zu dem Motto unseres heutigen Jubiläums „… Man muss doch nach vorne leben!“ Und wie geht das, wie kann „man“ das? Wie kann eine das? Ganz einfach klingt es: „Fürchtet euch nur nicht und stärkt eure Hände!“ Doch so wie das Motto unseres Tages mitten in einem Alten- und Pflegeheim, mitten in einem Haus, in dem auch gelitten und gestorben wird, in dem auch Verzweiflung und Verlust und Angst ihren Ort haben, gesprochen wurde, so ist auch das Prophetenwort kein Heile-Welt-Sonntags-Jubiläums-Wort. Sacharja hat nach dem Ende der babylonischen Gefangenschaft gewirkt und gesprochen (ca. 520 vor Christus), als die Deportierten Zug um Zug nach Jerusalem zurückkehrten. Als die Menschen vor der Herausforderung standen, sich ein Zuhause schaffen zu müssen, ihre vom Krieg zerstörten Häuser aufbauen zu müssen. Wie viele Frauen, die in den letzten 25 Jahren bei uns im Lina-Oberbäumer-Haus gelebt haben, hatten vergleichbare Erfahrungen gemacht. Schwestern aus Ostpreußen und Schlesien, die die Überfälle der Besatzer auf ihre Krankenhäuser und Heime erlebt hatten - mit allen Gewalterfahrungen, mit allen Verletzungen, mit der Hilflosigkeit, die ihnen anvertrauten Menschen nicht retten zu können. Wie viele Bewohnerinnen haben Krieg und Wiederaufbau, einen Neuanfang in fremd gewordener Heimat hinter sich. Diese Erfahrungen aufzunehmen und ernst zu nehmen ist immer erklärtes und konzeptionell festgelegtes Ziel des Lina-Oberbäumer-Hauses gewesen. Der Prophet fordert das Volk zum Weiterbau des Tempels auf. Er ist der festen Überzeugung, dass ein Neuanfang nur mit einer gemeinsamen Mitte, mit einem Zentrum des Glaubens, nur in der Gegenwart Gottes und nur mit seiner Nähe und Verheißung gelingen kann. Sacharjas Botschaft ist, den Neuanfang zu wagen. Vielleicht war die Begeisterung für den Satz der Bewohnerinnen „… Man muss doch nach vorne leben“ gerade deshalb so groß, weil er Ausdruck für solches Vertrauen in die eigene Zukunft ist; für ein Vertrauen, das nichts zu tun hat mit der Aussicht auf rosige Zeiten oder mit der Dauer der zu erwartenden Zukunft. Sacharja zeigt den Menschen: Gott gibt Perspektiven, die weit über unsere Möglichkeiten hinausgehen. Kaum ein Prophet wird in der Advents- und Weihnachtszeit so oft zitiert wie Sacharja. Neben der Frau Zion ist sein Bild von dem auf einem Esel reitenden Messias-König ein christliches Adventsbild geworden. Die Bilder tauchen auf als Visionen, als nächtliche Traumbilder, sogenannte Nachtgesichte. In ihnen erscheinen dem Propheten die neuen Möglichkeiten eines Lebens für Israel. Er hat nach vorne gesehen, nach vorne geträumt. Nach vorne träumen, nach vorne sehen bedeutet, den Menschen Mut zu machen, verschiedene Gruppen und Interessen zu integrieren, ihnen eine positive Ausrichtung zu geben. Nach vorne träumen, nach vorne sehen bedeutet, neben den eigenen Anstrengungen die Hoffnung auf das Eingreifen Gottes selbst zu setzen; neben den weltpolitischen Entwicklungen auch das Leben, den Alltag, die Sorgen der kleinen Leute im Blick zu haben. Ich will euch erlösen! Gottes Absicht ist Befreiung, Lösung aus Gewalt und Unterdrückung. Erlösung ist die Zusage eines Lebens ohne Bedrohung und Gewalt, eines Lebens ohne Hunger und Zukunftsangst. Die jubelnde Tochter Zion begrüßt Gott als König, der diesen Segen, diese Erlösung, diese Befreiung im ganzen Land, ja in der ganzen Welt durchsetzen will. Doch Befreiung, Erlösung kommt nicht allein von oben, kommt nicht, wenn Menschen die Hände resigniert in den Schoß legen. Befreiung, Erlösung kann werden, wenn Menschen ihre Hände stärken, wenn sie etwas tun; wenn sie etwas tun zum Wohle der Menschen, zur Gestaltung der Zukunft, zur Ehre Gottes. Dazu braucht es Befreiung, Gelöstsein, Offenheit und Begeisterung für die Zukunft. Was das für Menschen bedeutet, die in ihren Gedanken und Bildern, in ihren Ängsten und Träumen in einer fernen Vergangenheit gefangen sind, ist nur schwer herauszufinden. Es ist die hohe spirituelle, geistliche, soziale, pflegerische Kunst der Arbeit hier im Hause. Wir alle gemeinsam vollziehen die Ausrichtung auf die Zukunft hin im Advent nach, in jedem Advent, gemeinsam mit denen, die in den Ängsten, Träumen und Bildern ihrer fernen Vergangenheit gefangen sind. Und wir glauben, dass die Zukunft mit dem Geboren-werden Gottes beginnt. Wir glauben, dass die Zukunft mit dem Neugeborenen beginnt, dessen Leben, dessen Zukunft auch am Tod nicht endet; dessen Leben, dessen Zukunft, auch am Tod nicht scheitert. Erlösung - Lösung auch von der Angst vor dem eigenen Tod ist möglich - hinterm Horizont geht’s weiter - man muss doch nach vorne leben. Ihr sollt ein Segen sein: Segen empfangen und Segen weitergeben - den Glaubenden aller Zeiten wird zugetraut, bisweilen zugemutet, dass sie empfangenen Segen weitergeben. Ihnen wird zugetraut und zugemutet, dass sie mit ihrem Mut für die Zukunft, mit ihrer Sehnsucht nach Zukunft andere anstecken, sie mit hineinnehmen in eine Bewegung, die von Gott her und auf Gott zu lebt. Fürchtet euch nur nicht, stärkt eure Hände. „Das Reich Gottes steht nicht in Worten, sondern in Kraft“ - so steht es an der Verwaltung der Frauenhilfe hier auf dem Gelände in Soest. Stärkt eure Hände - handelt aus eurem Glauben, zieht euch nicht zurück - packt es an. Frauenhilfe - ist immer praktische, tätige Liebestätigkeit gewesen, wie es früher in den Satzungen des Verbandes hieß. Und so soll es bleiben. Für alle zukünftige Arbeit haben wir mit Vorstand und leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Vision formuliert, dass wir an der Fülle des Lebens für alle Menschen arbeiten wollen, an einem Leben in Würde, Gerechtigkeit und Frieden für Frauen, Männer und Kinder. Gott lasse uns gelöst in die Zukunft gehen, dass wir Segen empfangen und weitergeben. Gott nehme uns Furcht und Zukunftsangst und schenke uns die Kraft, unsere Hände zu stärken - auch die Hände der Frauen, die schon lange nichts mehr um die Hände haben. Dass sie starke Hände behalten - sie zu falten und die Hand anderer halten zu können. „… Man muss ja schließlich nach vorne leben.“ Angelika Weigt-Blätgen |
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Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen
e.V. Feldmühlenweg 19
59494 Soest |