Grußwort von Claudia Zimmermann-Schwartz, Abteilungsleiterin Emanzipation im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen zur Festveranstaltung am 29. April 2016

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle Theodora!

Ich bedanke mich für die Gelegenheit, Ihnen zu Ihrer Festveranstaltung ein Grußwort zu übermitteln. Dies umso mehr, als ich feststellen kann, dass es im Feld der Prostitution zwischen Ihrer und der Arbeit meiner Abteilung verblüffende zeitliche und inhaltliche Parallelitäten gibt:

Fangen wir mit der Gründung von Theodora vor fünf Jahren an: Längst war deutlich geworden, dass das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 nur ein erster Schritt gewesen sein konnte; eine Ergänzung der Regelungen war notwendig. So beauftragte die Landesregierung Nordrhein-Westfalen Frau Ministerin Barbara Steffens, auf Landesebene einen Runden Tisch zur Verbesserung der Situation von Prostituierten einzurichten, den zu leiten ich vier Jahre lang die Ehre und Freude hatte. Bei der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen führte die Erkenntnis, dass zwischen den von Nadeschda betreuten Opfern von Menschenhandel und selbständig tätigen Prostituierten zu trennen ist, zur Gründung von Theodora.

Ich vermute auch, dass die Lehren, die wir aus dem seither erfolgten Lernprozess gezogen haben, sich stark ähneln dürften: was Menschen in der Sexarbeit vor allem brauchen, sind Akzeptanz und Wertschätzung. Dies gilt insbesondere für Frauen aus den neuen EU-Beitrittsländern. Menschen, die in Südosteuropa unter schwierigsten Bedingungen gelebt haben, suchen in Deutschland eine Chance, diesen Verhältnissen zu entkommen und sich eine neue Perspektive aufzubauen. Hier angekommen, gewinnen viele jedoch die ernüchternde Erkenntnis, dass ein Neustart auf dem hiesigen Arbeitsmarkt ohne gute Sprachkenntnisse und berufliche Qualifikation kaum möglich ist. Es ist daher kein Wunder, dass Prostitution für manche zur Überlebensstrategie wird.

Ihr Projekt „Hilfe-Lotsinnen“ setzt hier an der richtigen Stelle an. Ob Verhandlungen mit Ämtern, Rechts- oder Steuerfragen, Schuldnerberatung, Wohnungs- oder Jobsuche:
Sie bauen Brücken in das reguläre Hilfesystem und gehen die ersten Schritte mit.
Zur Bewilligung dieses Projektes gratuliere ich Ihnen herzlich und wünsche viel Erfolg!

In eine ganz andere Richtung geht der von der Bundesregierung am 23. März beschlossene Entwurf eines Prostituiertenschutzgesetzes. Wichtige Elemente sind hier die Einführung einer Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe, einer Anmeldepflicht für Prostituierte sowie einer Pflicht zur gesundheitlichen Beratung.

Nordrhein-Westfalen sagt „ja“ zur Konzessionierung des Gewerbes: Die Regulierung der Betriebe im Hinblick auf Betreiberzuverlässigkeit und gute Arbeitsbedingungen ist ein zentrales Instrument zur Stärkung der Stellung von Prostituierten. Auch die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen hat sich jüngst in dieser Richtung geäußert.

Ein „nein“ aber erscheint mir notwendig zur individuellen Anmeldepflicht bei einer Behörde und zur Beratungspflicht beim öffentlichen Gesundheitsdienst! Mit der Anmeldepflicht wird ein Sonderordnungsrecht für Prostituierte geschaffen, bei dem anzunehmen ist, dass sich ihm ein großer Teil der Menschen in der Sexarbeit entziehen wird. Viele Prostituierte sind aus gutem Grund auf Anonymität angewiesen und müssen ein Zwangsouting befürchten. Bei einem Abwandern in die Illegalität sind sie aber besonderen Gefahren ausgesetzt und für Hilfen noch schwerer zugänglich.

Auch die Diakonie Deutschland hat bei ihrer Ablehnung der Anmeldepflicht im September 2015 in beispielhafter Weise das grundsätzliche Defizit des Gesetzentwurfs deutlich gemacht: Vermisst wird die Bereitschaft, Prostituierten mit Respekt zu begegnen und sich bei der Suche nach angemessenen Regelungen mit deren Lebensverhältnissen auseinander zu setzen.

Hier befinden wir uns auf einer gemeinsamen Ebene. Ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen von Theodora für ihr Engagement in der Beratungsarbeit und möchte Sie darin bestärken, in der Region weiter Netzwerke zur Unterstützung von Prostituierten zu knüpfen. Für heute wünsche ich viel Vergnügen bei der Feier einer wirklich stolzen Leistung!