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Text drucken Situationsdarstellung Dortmund Allgemeines Prostitution in aktuellen Zahlen Aktuell werden in Dortmund und Lünen zusätzlich 13 Bordelle betrieben, die als FKK-, Sauna-Clubs oder Animierbetriebe deklariert, die gewerbe- und gaststättenrechtlich jedoch als Bordelle angemeldet sind. In diesen Betrieben sind ca. 180 Prostituierte tätig. Im Bereich der Wohnungs-/Apartmentprostitution arbeiten ca. 200 Prostituierte. Die Anzahl der Prostituierten, die im Bereich des Escort-/Begleitservices tätig sind, kann nur grob geschätzt werden und dürfte sich nach Recherchen im Internet für den Bereich des Polizeipräsidiums bei ca. 50 Prostituierten bewegen. Letztlich verbleibt der Bereich der illegalen Prostitution im Stadtgebiet (Sperrbezirk), wobei hier fast ausschließlich bulgarische Frauen der Prostitution nachgehen. Die Entstehung des Modells Der erste Ansatz Zunächst erfolgte eine Bestandsaufnahme hinsichtlich der Objekte und Örtlichkeiten , in/an denen im Stadtgebiet die Prostitutionsausübung bekannt war bzw. vermutet wurde. Danach wurden konkrete Vorgehensweisen, z.B. Wege zur Informationsgewinnung, Zusammenarbeit mit anderen Behörden, durchzuführenden Maßnahmen pp. in einer Konzeption festgeschrieben und zielorientierte Kontrollen vereinbart. Bereits nach kurzer Zeit konnte ein aktuelles Lagebild hinsichtlich der existierenden Prostitutionsstätten erstellt werden. Es erfolgten erste polizeirechtliche Maßnahmen. Nach kurzzeitiger Aufklärung an den Objekten kam es bei den sich anschließenden Razzien zu zahlreichen Festnahmen von Prostituierten wegen illegalen Aufenthaltes durch Aufnahme und Ausübung der Prostitutionstätigkeit. Im Jahre 1998 wurden 498 Frauen aus Osteuropa wegen des Verdachts des illegalen Aufenthaltes festgenommen. Durch die weiteren Ermittlungen, insbesondere die Vernehmungen der Frauen, ergaben sich konkrete Hinweise auf das Delikt "schwerer Menschenhandel" (heute : "Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung). Zu diesem Zeitpunkt waren durch die Erlasse des IM/NW
Maßnahmen vorgegeben, wie Opfer von Menschenhandel zu behandeln sind. Die „Dortmunder Mitternachtsmission“ war zeitgleich durch das Ministerium für die Gleichstellung von Mann und Frau NW beauftragt worden, das Modellprojekt „Schutz für Opfer von Menschenhandel“ durchzuführen. Prostituierte, die Opfer von Menschenhandel waren, wurden der Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel, der „Dortmunder Mitternachtsmission“ zugeführt. Aus der Verpflichtung zum Handeln entstand auf Initiative der „Dortmunder Mitternachtsmission“ im November 1995 der erste „Runde Tisch“, an dem bei seiner ersten Sitzung Vertreter der Staatsanwaltschaft Dortmund, der Dienststelle KK 12 des Polizeipräsidiums Dortmund und der Dortmunder Mitternachtsmission teilnahmen. An den darauf folgenden und heute noch regelmäßig stattfindenden Sitzungen des „Runden Tisches Menschenhandel“ waren/sind nun auch Vertreter des Ausländer-, des Ordnungs- und des Sozialamtes der Stadt Dortmund, sowie sozialer bzw. beratender Einrichtungen beteiligt. Je nach Problemstellung werden speziell Vertreter von Behörden oder Organisationen eingeladen. Über die Jahre entwickelte sich eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen Polizei, den Behörden und Beratungsstellen. Insbesondere ist über die Jahre die Zusammenarbeit mit den städtischen Behörden gewachsen, die für die Bekämpfung des Deliktes „Menschenhandel“ und der übrigen Delikte im Rotlichtmilieu äußerst förderlich ist. Beispielhaft waren und sind gemeinsame Razzien bei denen zum einen polizeiliche Interessen - Identitätsfeststellungen, Festnahmen pp. und zum anderen ordnungsrechtliche Interessen - Schließung wegen fehlender Erlaubnisse, Anzeigen nach Lebensmittelrecht, baurechtliche Verstöße pp.- verfolgt werden. Die veränderte RechtslageDurch das sogenannte „Cafehaus-Urteil“ (VG Berlin vom 01.12.2000, NJW 2001, 983 ff.) wurde eine wegweisende Entscheidung für den Bereich der Prostitutionsausübung bzw. deren Anbahnung in Gaststätten getroffen. Galt doch bis dahin, dass dem, der „Unsittlichkeit Vorschub leistet“, eine Konzession nach dem Gaststättengesetz versagt wurde. Ein weiterer Meilenstein zu einer klaren Regelung ist das Prostitutionsgesetz vom 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3983, das am 01.01.2002 in Kraft getreten ist und wesentliche Änderungen im BGB und StGB beinhaltet. Bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes hatte sich der Bund-Länderauschuss „Gewerberecht“ auf seiner 90. Tagung am 22. und 23.11.2001 mit den möglichen Auswirkungen auf das Gaststätten- und Gewerberecht befasst. Eine abschließende Beurteilung wurde allerdings nicht gefunden. Nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes gibt es bis heute keine einheitliche Regelung in den Bundesländern. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Prostituierten gewerbe- und gaststättenrechtliche Auswirkungen hat. Besondere RegelungenVon daher wurden beispielsweise vom Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Az.: I C 3 - 60 - 0, vom 22.02.2002, „vorläufige Verfahrenshinweise“ an die Bezirksregierungen und den Städte- und Gemeindebund des Landes NW gegeben. Danach sollte wie folgt verfahren werden:
Auf der Sitzung des Bund-Länderausschusses „Gewerberecht“ vom 18. und 19.06.2002 wurde dann nachfolgender Beschluss gefasst. Den Vollzugsbehörden wird folgendes Vorgehen empfohlen: 1. Die Prostitution ist auch nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes kein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung. Selbständige Prostituierte müssen daher weder eine Gewerbeanzeige erstatten noch einen Antrag auf Erteilung einer Reisegewerbekarte für die Ausübung sexueller Handlungen mit Dritten stellen. 2. Bordellbetreiber sind als Gewerbetreibende anzuerkennen und haben ihr Gewerbe anzuzeigen. 3. Bei Gaststätten mit Anbahnungsbetrieb oder Bordellen mit gastgewerblicher Tätigkeit kann die Erlaubnis grundsätzlich nicht allein wegen des Merkmals „der Unzucht Vorschub leisten“ i.S. v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG versagt oder entzogen werden. 4. Versagung und Entzug der gaststättenrechtlichen Erlaubnis oder - im Fall der Ziff. 2 - eine Untersagung nach § 35 GewO sind aber insbesondere angezeigt, wenn der Betrieb dieser Gaststätten oder Bordelle die Gefahr eröffnet, dass Prostituierte ihrer Tätigkeit gegen ihren Willen nachgehen müssen oder in sonstigern Abhängigkeiten verhaftet sind. Gefahren für den Jugendschutz, Belästigungen der Gäste wie auch der Anwohnerschaft können im konkreten Fall eine Versagung oder den Entzug sowie auch die Erteilung von Auflagen rechtfertigen. Die Länder Baden-Württemberg und Thüringen teilen die Beschlusslage zu Ziffer 1 lediglich im Ergebnis. Bezüglich der Ziffern 2 bis 4 tragen sie den Beschluss aus Rechtsgründen nicht mit. Das Dortmunder ModellAuf der Grundlage des Prostitutionsgesetzes kam es bereits im Januar 2002 in Dortmund zu einer Gesprächsrunde mit den Beratungsstellen für Prostituierte, dem Ordnungsamt und der Polizei, um zukünftige Vorgehensweisen zu erörtern. Bestärkt durch die Empfehlung des Bund- Länderausschusses „Gewerberecht“ vom 22./23.11.2001 und den Erlass des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22.02.2002 wurden die in der Folge dargestellte Vorgehensweise im Konsens verabredet, sie berücksichtigt die Belange aller Beteiligten. Der Verwaltungsvorstand der Stadt Dortmund hat diesem Vorgehen in seiner Sitzung am 19.03.2002 zugestimmt. (Der ablehnende Beschluss des Bund- Länderausschusses vom 18./19.06.2002 kam also zu spät.) Konkrete Vorgehensweise Bordelle / Anbahnungsbetriebe / Clubs - Bordellartige Betriebe werden in der Regel ab einer Größenordnung von drei Prostituierten vermutet. - Die Clubs müssen ggf. eine entsprechende Nutzungsänderung beim Bauordnungsamt beantragen. In reinen und allgemeinen Wohngebieten wird diese jedoch grundsätzlich nicht genehmigt. Unabhängig davon ist eine entsprechende Anmeldung beim Ordnungsamt vorzunehmen. - Bordelle mit mehr als acht Plätzen (Beherbergungsbetriebe, siehe § 1 Gaststättenbauverordnung NRW) und Betriebe (unabhängig von der vorgenannten Größenordnung), die alkoholische Getränke ausschenken, bedürfen zudem einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis. WohnungsprostitutionIm Bereich der Wohnungsprostitution werden entsprechend lautende Gewerbeanmeldungen angenommen, behördlicherseits aber nur verlangt, wenn es sich um einen „Betrieb“ handelt. Es werden in der Regel bis zu zwei Prostituierte je Wohnung/Apartment unterstellt. Als Bordellbetriebe gelten Räumlichkeiten ab drei Prostituierte. In reinen und allgemeinen Wohngebieten wird bei Nutzungsänderungen grundsätzlich keine baurechtliche Genehmigung erteilt. Entgegen den Empfehlungen des Bund- Länderausschusses wird (deutschen) Prostituierten die Möglichkeit eingeräumt, freiwillig eine Gewerbeanmeldung als Prostituierte zu erhalten. Straßenprostitution Prostitution im Sperrgebiet Über das Ergebnis der Gesprächsrunde und die zukünftige Vorgehensweise wurde die Öffentlichkeit über die örtlichen Medien informiert. In einem Pressegespräch wurden im Juli 2002 die Themenkreise Bordelle, Anbahnungsbetriebe, Clubs, Wohnungs- und Straßenprostitution sowie Prostitution im Sperrgebiet erörtert. Als Gesprächspartner standen die Rechtsdezernentin der Stadt Dortmund, die Leiterinnen der Beratungsstellen, der Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Dortmund und der Verfasser dieses Artikels zur Verfügung. Parallel dazu wurden bereits im Vorfeld anlässlich polizeilicher und ordnungsbehördlicher Kontrollmaßnahmen sowie aufsuchender Tätigkeiten der Beratungsstellen entsprechende Informationen an die Bordellbetreiber gegeben. Die Folgen Viele Prostituierte, die im Bereich des Straßenstriches, aber auch in den Wohnungsbordellen arbeiten, haben ihre Tätigkeiten als Gewerbe angemeldet. Aufgrund dieser positiven Entwicklung erweiterte sich die eingangs erwähnte Gesprächsrunde, Vertreter der örtlichen Finanzbehörden wurden einbezogen. - Hinweise zur Ausübung der Prostitution in Dortmund (übersetzt in sieben Sprachen, nach EU- Osterweiterung aktualisiert) - Steuerwegsweiser für Erotikdienstleistende (wird z. Zt. aktualisiert). Diese wurden von den Teilnehmern der Gesprächsrunden in einem Pressegespräch im Februar 2005 vorgestellt. Im Anschluss daran hatten Bordellbetreiber und Prostituierte - ohne Presse - die Möglichkeit, an die Podiumsteilnehmer Fragen zu stellen. Weitere Absichten Durch die Einführung/Umsetzung des „Dortmunder Modells“ und der damit verbundenen klaren Lage für die Bordellbetreiber und Prostituierten wurde und wird auch weiterhin die Prostitution entkriminalisiert. Das Modell hat sich bewährt. Die rein kriminalpolizeilichen, aber auch die gemeinsam mit den Ordnungsbehörden weiterhin ständig durchgeführten Kontrollen haben gezeigt, dass aufgrund der klaren Lage ein offener Umgang miteinander festzustellen ist. Prostituierte haben keine Angst mehr vor Kontrollen durch die Polizei, sie zeigen „stolz“ ihre steuerliche Anmeldung und suchen das Gespräch. Durch die jahrelang bewährte und gute Zusammenarbeit mit den Beratungsstellen und deren positives Einwirken auf Prostituierte, gelingt es, schwere Straftaten wie „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ zu verfolgen und aufzuklären. Entscheidend ist dabei natürlich die Aussagebereitschaft der Prostituierten, um ein Verfahren erfolgreich abzuschließen. Letztlich muss aber festgestellt werden, dass nur durch ständigen Kontrolldruck der Erfolg bei der Bekämpfung der Delikte im einschlägigen Milieu gewährleistet wird. Die Präsenz der Beamten der Fachdienststelle ist dazu zwingend erforderlich . Befürchtungen Rücknahme des Prostitutionsgesetzes Diese Meinung ist nach meiner Auffassung und aufgrund meiner Erfahrungen widerlegt. Das Prostitutionsgesetz und die damit verbundenen Folgen für das Gewerbe- und Gaststättenrecht haben uns in Dortmund dazu bewogen, zu reagieren. Anmerkungen Von aufgeführten sechs Punkten erscheint mir der Punkt 6 im Zusammenhang mit dem "Dortmunder Modell" von Wichtigkeit. Ich zitiere : Die bestehenden rechtlichen Mittel des Gaststätten-, des Gewerbe- sowie des Polizei- und Ordnungsrechts müssen besser genutzt und ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang muss auch die Problematik der "Selbstständigkeit" von Prostituierten erörtert werden. Während für Frauen aus den Ländern der EU-Osterweiterung die Ausübung der Prostitution nur in Form einer selbständigen Tätigkeit möglich ist, wird deutschen Prostituierten dies (außer in Dortmund) nicht ermöglicht. Hier erfolgt eine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung. Beabsichtigter Wegfall des Gaststättengesetzes Ein Wegfall der gaststättenrechtlichen Erlaubnispflicht nimmt den zuständigen Ordnungsbehörden das bisher bewährte Instrumentarium zur Abwehr der in dieser Branche anzutreffenden Gefahren und Missstände für Gäste, Beschäftigte und Allgemeinheit. Der Gesetzgeber darf in seinem Entbürokratisierungsbestreben nicht soweit gehen, die notwendigen Standards beim Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abzusenken. Es ist zu hoffen, dass die Föderalismuskommission, die sich derzeitig mit dem möglichen Wegfall beschäftigt, zu einer anderen Einschätzung kommt. Schlusswort Die „Bekämpfung der Rotlichtkriminalität ist Kür“, und wir leisten sie uns noch. |
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Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen
e.V. Feldmühlenweg 19
59494 Soest |