„In Bewegung bleiben - 20 Jahre Frauenhaus Soest“
Maria Loheide, Leiterin des Geschäftsbereichs Familie, Bildung und Erziehung in der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

unter dem Motto „In Bewegung bleiben - 20 Jahre Frauenhaus Soest“ sind wir heute zusammengekommen. Ein Frauenhaus-Jubiläum feiert sich nicht so selbstverständlich, denn eigentlich sollte es Frauenhäuser nicht geben, sollten sie nicht notwendig sein. Ich finde allerdings, dass 20 Jahre lang ein Frauenhaus zu tragen und 20 Jahre lang für und in einem Frauenhaus zu arbeiten, Anlässe zum Feiern sind.

Die Frauenhausbewegung in Deutschland ist mehr als 30 Jahre alt. Gewalt gegen Frauen ist und bleibt nach wie vor ein weltweites und europäisches Problem und ist in Deutschland an der Tagesordnung.
Immer wieder können wir lesen, sehen und erfahren, dass Frauen in schlimmsten gesellschaftlichen Situationen und Krisen noch mal zusätzlich und extrem von Gewalt betroffen sind: eine schwierige Begleiterscheinung und ein großes Problem des Erdbebens auf Haiti ist die gestiegene Gewalt gegen Frauen, Misshandlungen und Vergewaltigungen (in den vielen Medienberichten aus dem Katastrophengebiet wird das Thema so gut wie gar nicht erwähnt).

Amnesty International berichtete 2008 von der „Macht der Machos“ in Spanien. Spanien besetzt in Europa den Spitzenplatz der Fälle von Gewalt gegen Frauen. Bereits in den ersten vier Monaten im Jahre 2008 starben über 70 Frauen in Spanien an den Folgen von männlicher Gewalt.
Vor wenigen Wochen wurde veröffentlicht, welche Frauen in Deutschland am häufigsten und für mich in erschreckend hohem Maße von Gewalt betroffen sind. Es sind Frauen aus den osteuropäischen Ländern, z. T. durch Zwang nach Deutschland gekommen, Frauen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, abhängig ausgeliefert und arm. Frauenhäuser sind weltweit, europaweit und in Deutschland 2010 und auch in Zukunft weiterhin notwendig und wichtig!

Frauenhäuser haben sehr viel in Bewegung gebracht und viel erreicht!
Aber an Reformentwicklungen gewöhnt man sich schnell, man vergisst, wie jung die Geschichte des Frauenrechtes ist und auch, wie umstritten sie in der rechtspolitischen Auseinandersetzung Deutschlands war. Gewalt in sozialen Nahbeziehungen - in Familien war lange tabuisiert. - Das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung trat erst vor 10 Jahren, im Januar 2000, in Kraft. -
Das Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten im privaten Nahbereich sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung wirkt erst seit 2002.

Sexueller Zwang und sexuelle Gewalt in der Ehe sind noch nicht lange strafrechtsrelevant: erst seit 1997, also immer noch ganze sieben Jahre nach der Existenz des Frauenhauses Soest. Vergewaltigung in der Ehe war zunächst nur ein Antragsdelikt. Erst mit der Heraushebung zum Offizialdelikt ist die Vergewaltigung in der Ehe aus der Nähe zu den Bagatelldelikten herausgehoben worden, und zwar erst vor sechs Jahren.

Diese kleine Tour durch die Rechtsgeschichte belegt meines Erachtens, wie erfolgreich eben genau die Frauenhausbewegung gewirkt hat und einiges anstoßen konnte.
Auch die öffentliche Debatte der letzten Monate über sexuellen Missbrauch wäre meines Erachtens nicht möglich, wenn die Frauenhausbewegung nicht unermüdlich Gewalt, Missbrauch, Vergewaltigung öffentlich angeklagt und enttabuisiert hätte. Allerdings fehlt meines Erachtens in der aktuellen öffentlichen Diskussion die Skandalisierung des sexuellen Missbrauchs und der Gewalt in Familien.

Ich möchte mein Grußwort mit einem Zitat von Margret Brückner schließen, die 1998 den Erfolg der Frauenhausbewegung wie folgt beschreibt. „Der Erfolg einer sozialen Bewegung kann daran gemessen werden, ob es ihr gelingt, sich längerfristig im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Ob erreicht wird, in der breiten Bevölkerung Einstellungen zu verändern. Ob die Bewegung eigene zieladäquate Organisationen hervorbringen und für deren Arbeit Ressourcen kontinuierlich sichern konnten. Ob diese Organisationen bei relevanten Entscheidungen mit am Tisch sitzen und ihre Forderungen einbringen.

Nicht zuletzt ist zu fragen, ob sich auch die Praxis gesellschaftlicher Institutionen nach dem Maßstab der von der Bewegung geübten Kritik verändert hat. An all diesen Kriterien gemessen ist es leicht festzustellen: die aus der Frauenhausbewegung hervorgegangenen Projekte und Initiativen gegen Gewalt haben sich im Laufe vor wenigen Jahrzehnten zu einer der erfolgreichsten sozialen Bewegung im internationalen Maßstab entwickelt.“

Zum Schluss möchte ich nicht versäumen, der Trägerin des Frauenhauses, der Frauenhilfe, ganz herzlich zu danken (eine bessere Trägerin kann ich mir für diese Arbeit nicht vorstellen) und den Kolleginnen, die über all die 20 Jahre diese herausfordernde Arbeit geleistet haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.