Grußwort Christel Schmidt,
Vorsitzende der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V.

Liebe Frau Dustmann,
liebe Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Soest,
verehrte Gäste!

Keine, die Sie kennt, liebe Frau Dustmann, könnte sich vorstellen, dass Sie, als Sie mich um ein Grußwort zum heutigen Tag baten, sich einen prägnanten, pointierten Redebeitrag aus gegebenem Anlass gewünscht hätten.
Nein, „kurz und knackig“, so lautete Ihr Wunsch, „kurz und knackig, bitte“.
Nun, „kurz“, das könnte ich ja ohne Weiteres bieten: Danke -
und es ist bitter und empörend, dass es eine Einrichtung wie das Frauenhaus Soest noch immer geben muss.

Mit „knackig“ tu ich mich schwerer. Knackig, das kann ein Salat sein; Äpfel sind knackig. Häufig wird das Adjektiv auch im Sinn von attraktiv oder charmant verwendet - alles nicht unbedingt grußworttauglich. Es fällt mir allerdings auch der „Knackpunkt“ ein, der Punkt, an dem es zum Knacken, zum Brechen kommen kann, der Punkt, an dem die Entscheidung fällt, ob etwas heil bleibt, so weiter gehen kann - oder ob es in die Brüche gehen wird, nicht mehr fortgeführt werden kann. Im Synonymwörterbuch der deutschen Sprache finden sich als Bedeutungserklärung zum Begriff „Knackpunkt“ Verweise auf „Hauptsache“ und auf „Schwierigkeit“.

Die Hauptsache, um die es nicht nur heute, sondern seit 20 Jahren geht, ist die Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern.

Als Trägervertreterin spreche ich darum Ihnen allen, die im Frauenhaus Soest arbeiten und sich seit nunmehr 20 Jahren unerschrocken und einfühlsam, ermutigend und Vertrauen fördernd, verlässlich und offen für alle individuellen Verletztheiten, Ängste und Abhängigkeiten der zu Ihnen kommenden Frauen und Kinder einsetzen, im Namen des Vorstands der Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. unseren herzlichen Dank aus.

Ein Knackpunkt, das meint aber neben der Hauptsache, dem Wichtigsten, dem inhaltlichen Kernpunkt Ihrer Arbeit auch die Schwierigkeiten, die Probleme und Nöte, mit denen Sie im Lauf der Jahre unter sich verändernden Rahmenbedingungen umzugehen hatten. Knackpunkte, das waren und sind heute die strittigen Punkte, die Fragen nach Finanzierung oder Fragen nach beispielsweise spezialisierter Beratung und Begleitung unter hohem und sich ständig weiter erhöhendem Arbeits- und Zeitdruck bei steigendem Bedarf, bei immer vielschichtigeren Problemlagen, bei immer schwierigeren Lebenssituationen der Frauen und Kinder, die ins Frauenhaus kommen.

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. als Trägerin der Einrichtung Frauenhaus Soest unterstützt im Rahmen ihrer Anti-Gewalt-Arbeit mit der Frauenhausarbeit die Kritik an gesellschaftlich tolerierter, auch ignorierter oder geleugneter Gewalt an Frauen und Kindern und tritt öffentlich wie auch verbandsintern ein für die Veränderung von hierarchischen und patriarchalen Strukturen und von Unrechtsverhältnissen.

Ermutigung und Unterstützung, Aufklärung und Prävention sind wichtige Komponenten dieser Arbeit, und es bedarf der ständigen Reflexion und Evaluation des Geleisteten, um unter sich ändernden Bedingungen - ich nenne exemplarisch Gewaltschutzgesetz, Hartz-IV-Reform, Kürzungen und Personalabbau - flexibel zu reagieren und professionell zu arbeiten.

Diesen Herausforderungen haben Sie sich, Frau Dustmann, gemeinsam mit Ihren Kolleginnen, in den vergangenen 20 Jahren in besonderer Weise gestellt.

Als Trägerin des Frauenhauses würdigt die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. Ihre Arbeit und wird Ihnen auch weiterhin als starker - gerade auch als mitgliederstarker - Verband den Rücken stärken und sich bemühen, Ihnen gesicherte Grundlagen für Ihre Arbeit zu bieten.

Es ist bitter und empörend, das habe ich eingangs schon gesagt, dass es in 20 Jahren nicht gelungen ist, das Frauenhaus Soest als Krisenhaus, als Zufluchtsort für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder, überflüssig werden zu lassen; und es ist ein Ärgernis und ein großes gesellschaftliches Problem, dass häusliche Gewalt gegen Frauen wie auch Kindesmisshandlungen sogar stetig zugenommen haben und weiter zuzunehmen scheinen.

Es wird darum leider auch weiterhin nötig sein, dass eine Einrichtung wie das Frauenhaus Soest da ist und dass engagierte, motivierte Frauen dort qualifizierte, dringend notwendige Arbeit leisten.

Ich wünsche Ihnen, allen im Frauenhaus Soest Arbeitenden, viel Kraft und Ausdauer in dieser Aufgabe und auch das Vertrauen auf die Verlässlichkeit und Beständigkeit der Unterstützung durch den Vorstand und die Mitglieder in den Bezirks-, Stadt- und Synodalverbänden der Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.