Eröffnung der Frauenberatung Soest | 24.11.2022
Es war eine etwas andere Eröffnungsfeier, denn die Arbeit läuft schon seit rund zwei Jahren: Am 24. November 2022 konnte die Eröffnung der Frauenberatung Soest, der Fachberatungsstelle im Kreis Soest, gefeiert werden.
Aufgrund von Corona verschob sich die Feier, obwohl die Allgemeine Frauenberatungsstelle im Kreis Soest schon im Dezember 2020 ihre Arbeit aufgenommen hatte. Im April 2022 wurde der Bereich erweitert um die „Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt“.
Mit der Trägerin, die Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen (EFHiW), der Leiterin, Pfarrerin Birgit Reiche, und den Beraterinnen Barbara Batzik, Lena Sauerland und Sawina Kordistos feierten fast 70 Gäste in der Tagungsstätte Soest. Im Anschluss daran kamen mehr als 50 Gäste in die Räumlichkeiten der Beratungsstelle zu vertiefendem Austausch und zur Besichtigung der Beratungsstelle.
Nach einer bewegenden Andacht und der feierlichen Einführung der Beraterinnen durch Pfarrerin Birgit Reiche überbrachten Angelika Waldheuer, Vorsitzende der EFHiW, Ulrike Martin, Diakonie RWL, Dr. Günter Fiedler, stellvertretender Landrat des Kreises Soest, Christiana Grimm, Kuratorium Anti-Gewalt-Arbeit der EFHiW, und Petra Nagel, Gleichstellungsbeauftragte Kreis Soest, Grüße und Glückwünsche. Musikalisch umrahmt wurden die Grußworte von Patrick Porsch (Saxophon). Der anschließende Fachvortrag von der Autorin, Aktivistin und Expertin Alice Mari Westphal trug den Titel: „Gewalt ist nicht nur ein Veilchen“. Sie verdeutlichte darin die speziellen Problemlagen der von Gewalt betroffenen Menschen eindrücklich.
„Häusliche Gewalt ist keine Privatsache, sondern ein gesellschaftliches Problem“, sagt Ulrike Martin, Diakonie-Referentin im Geschäftsfeld Familie und junge Menschen, zu deren Arbeitsbereich auch der Gewaltschutz für Frauen und deren Kinder gehört. „Wir müssen immer wieder dafür sensibilisieren. Das Thema Gewalt gegen Frauen ist eines, wo wir als Gesellschaft hingucken müssen.“ Auch, weil Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen nach wie vor immer wieder Problemen in der Finanzierung gegenüberstehen.
Dr. Günter Fiedler betonte daher auch in seinem Grußwort: „Seit Beginn der Arbeit fließen aus dem Kreishaushalt 40.000 Euro pro Jahr in die „Allgemeine Frauenberatungsstelle im Kreis Soest“, und der gleiche Beitrag ist für die „Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt“ vorgesehen. Wir hoffen, der Frauenberatung Soest durch unsere Förderung die nötige Planungssicherheit zu geben und somit die wichtige Arbeit der Beratungsstelle verlässlich zu unterstützen. Das Land Nordrhein-Westfalen leistet ebenfalls einen großen finanziellen Beitrag zur Förderung der Beratungsstelle. Mit im Boot ist auch die Stadt Soest.“
Jedoch stellt Ulrike Martin fest, auch die Beratungsstelle in Soest, die mit drei Stellen für einen Kreis dieser Größe - mit immerhin mehr als 300.000 Einwohnenden - zuständig ist, sei eigentlich zu klein. Dabei seien Bund, Länder und Kommunen angehalten, das Hilfesystem für Frauen auszubauen - denn dazu haben sie sich mit Ratifizierung der Istanbul-Konvention verpflichtet.
Rechtsanwältin Christiana Grimm erklärte in ihrem Grußwort, „dass ich es skandalös finde, dass die Evangelische Frauenhilfe als Trägerin der Beratungsstelle 10 % der Kosten aus Eigenmitteln aufbringen muss. Zur Durchführung von Unterstützungsangeboten für Frauen sind somit immer noch Spenden erforderlich. Niemand käme auf die Idee, dass z. B. die Feuerwehr nur dann existieren könnte, wenn sie mindestens 10 % ihrer Kosten aus Eigenmitteln aufbringen würde.“
Und auch Angelika Waldheuer fragte nach: „Sollten nicht alle Beratungsstellen und Einrichtungen, die sich für Frauen in Not einsetzen, eine solide Finanzierung erhalten?“ Die Gleichstellungsbeauftragte Kreis Soest, Petra Nagel, freute sich, „dass Frauen im Kreis Soest nun endlich eine Anlaufstelle haben!“ Im Anschluss bedankten sich persönlich bei den drei Beraterinnen mit Blumen. „Ein Wermutstropfen bei all der Freude über die Eröffnung ist es jedoch“, so Ulrike Martin, „dass Frauen diese Anlaufstellen benötigen!“
Von Anfang an konnte sich die Frauenberatung Soest kaum vor Anfragen retten. Die Nachfrage ist überall groß, doch die Versorgung reicht vielerorts nicht aus. Jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten, jeden dritten Tag gelingt es einem. Die Zahlen bleiben seit Jahren hoch.
Während der Corona-Pandemie hat häusliche Gewalt sogar noch zugenommen. Die Auswirkungen der Pandemie spüren Beratende noch immer. Doch obwohl die Zahl der Betroffenen nicht zurückgeht, bleibt das Angebot in vielen Regionen hinter dem Bedarf zurück.
So war es auch im Kreis Soest, bis dort im Dezember 2020 die Frauenberatungsstelle die Arbeit aufgenommen hat. Anfangs waren dafür nur anderthalb Stellen vorgesehen, mittlerweile sind es drei volle. 2021 wurden dort 183 Frauen beraten - aus Soest, Lippstadt, Werl, Warstein und der Umgebung. Sie suchen dort aus unterschiedlichen Gründen Unterstützung und Hilfe. Psychische Probleme können der Anlass sein, Probleme mit Stalking, Belästigung oder Mobbing, belastende und scheinbar aussichtslose Lebenssituationen - und natürlich das Thema Gewalt. Sie wurden zu Gerichtsverhandlungen, zu Vernehmungen bei der Polizei oder zu Terminen bei Ärzt*innen oder Anwält*innen begleitet. Mehr als 75 Prozent von ihnen waren von Gewalt betroffen - körperlich, psychisch, sexuell oder digital.
Die Anliegen, mit denen Frauen in die Beratungsstelle in Soest kommen, unterscheiden sich kaum von denen in größeren Städten. Der ländlichere Raum bringt aber dennoch eine zusätzliche Herausforderung: Angebote brauchen eine andere Zugänglichkeit. „Hier im Kreis gibt es Orte, aus denen nur zweimal am Tag ein Bus nach Soest fährt“, sagt Birgit Reiche.
Nicht jede Frau könne sich einen Fahrschein leisten. Deshalb bieten die Mitarbeiterinnen auch in anderen Kommunen im Kreis regelmäßige Sprechstunden an. Dabei hilft eine gute Vernetzung mit den dortigen Gleichstellungsbeauftragten. Zudem haben sich zwei der Beraterinnen in der Online-Beratung weitergebildet.
Funktionierende kommunale Interventionsketten sind ein entscheidender Faktor bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Daher investierten die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle viel Zeit in den Aufbau eines Netzwerkes im Kreis Soest.
Wie sehr dies bereits gelungen ist, zeigte sich in der Zusammensetzung der Gäste bei der Eröffnungsfeier am 24. November, zu der Gleichstellungsbeauftragte und Vertreter*innen aus Ämtern, Behörden, Polizei, Schulen, Politik und Beratungsstellen kamen, um ihre Glückwünsche zu überbringen.