Grußwort der Landtagsabgeordneten
Angela Lück (SPD)

Herzlichen Dank für die Einladung zur heutigen Jubiläumsfeier Ihrer Beratungsstelle. Ich begleite Ihre Arbeit ja jetzt bereits seit etlichen Jahren vor allem als zuständige Landtagsabgeordnete hier aus der Region, aber auch als interessierte Frau, der das Wohlergehen anderer Frauen sehr am Herzen liegt. Und obwohl es hier natürlich in erste Linie um das Leid und das Schicksal jeder einzelnen Betroffenen geht, hat die Ursache dieses Leids doch auch eine weite gesellschaftliche und politische Perspektive.

Menschenhandel – hauptsächlich die Versklavung junger Frauen aus dem Ausland – ist eines der abscheulichsten international geächteten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen die Menschenwürde, das wir kennen. Und trotzdem ist Menschenhandel leider auch in Deutschland ein aktuelles und brisantes Thema. Wer würde schon vermuten, dass mitten unter uns diese Form der modernen Sklaverei so weit verbreitet ist?
Laut Lagebild des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes gab es im Jahr 2015 lediglich 90 gemeldete Opfer. Das Polizeipräsidium Köln meldete 2015 mit 14 Personen die meisten Opfer. Die Polizei ermittelte 2015 in NRW 69 ausländische Opfer von Menschenhandel, dies ist ein Anteil von 76,7 %. Viele dieser Frauen sind Bulgarinnen und Rumäninnen. Zehn Prozent der bekannt gewordenen Opfer hielten sich illegal in Deutschland auf. Sie stammten aus Kamerun, Gambia, Ghana, Brasilien, Mazedonien, Montenegro und der Republik Moldau. Die Dunkelziffer der versklavten Frauen dürfte allerdings immens viel höher sein.

Denn über Menschenhandel, die Transportwege und die Gesamtzahl der Betroffenen ist wenig bekannt. Belastbare Zahlen auf europäischer und nationaler Ebene gibt es nur aus den wenigen abgeschlossenen Ermittlungsverfahren. Der EU- Sonderausschuss für organisierte Kriminalität, Korruption und Geldwäsche (CRIM) schätzte im September 2013 jedoch, dass in Europa rund 880.000 Menschen in sklavenähnlichen Verhältnissen arbeiten und davon 30 Prozent (also 264.000) sexuell ausgebeutet werden.

Wie Sie sehen, ist Menschenhandel auch in Nordrhein- Westfalen ein großes Problem. Politisch gesehen muss dieses Problem hauptsächlich auf internationaler Ebene bekämpft werden. Rechtliche Instrumente zur Bekämpfung des Menschenhandels und auch zum Schutz der Betroffenen können nicht national angewendet werden. Vielmehr bedarf es eines international agierenden Netzwerkes, um die globalen Ausmaße auch greifen zu können.

Aber auch auf Landesebene gab es in der Vergangenheit bereits große Anstrengungen, den betroffenen Frauen zu helfen. Seit 2010 hat das Land die Ausgaben für Maßnahmen zum Schutz für gewaltbetroffene Frauen verdoppelt: von 11 auf rund 22 Millionen Euro in 2016. Gefördert werden 62 Frauenhäuser, 58 allgemeine Frauenberatungsstellen, 47 Fraueninitiativen gegen sexualisierte Gewalt, acht spezialisierte Beratungsstellen für Menschenhandelsopfer, zwei Fachberatungsstellen gegen Zwangsheirat, das Kompetenzzentrum Frauen und Gesundheit mit der Schwerpunktaufgabe „Medizinische Intervention bei Gewalt“ und die Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW.

Genau vor einem Jahr, im September 2016 startete die damalige rot-grüne Landesregierung den Landesaktionsplan „NRW schützt Frauen und Mädchen vor Gewalt“. Damit werden alle Maßnahmen gebündelt, die das Ziel haben, präventiv die Entstehung von Gewalt zu verhindern, betroffenen Frauen und Mädchen frühzeitig zu helfen und Umfeld und Hilfesysteme zu sensibilisieren, die Folgen von Gewalt besser zu erkennen.
Wir wissen bisher natürlich nicht, ob die neue Landesregierung diese Politik weiterbetreibt und die Schwerpunkte ähnlich setzt. Wir hoffen, dass diese wichtige Aufgabe nicht in Vergessenheit gerät und ich werde mich dafür im Landtag mit meinen Mitteln einsetzen.

Gemessen an den Schätzungen des EU-Ausschusses sind die tatsächlichen Aufklärungszahlen der Fälle von Menschenhandel leider recht gering. Und allein die Vorstellung, gegen den eigenen Willen festgehalten, versklavt und sexuell ausgebeutet zu werden, erscheint mir wie ein unerträglicher Alptraum.
Diesen Alptraum zu überwinden und zurück in die Sicherheit eines selbstbestimmten Lebens zu kommen, ist aus eigener Kraft nur wenigen Opfern möglich. Frauen, denen die Flucht gelingt, benötigen dann dringend einen sicheren Hafen, medizinische Behandlung und psychische und rechtliche Unterstützung.

Diese unermesslich wertvolle Hilfe leistet die Beratungsstelle Nadeschda hier seit nunmehr 20 Jahren. Nadeschda, so wissen wir hier alle, bedeutet „Hoffnung“. Dies ist der beste und passendste Name, den man wählen konnte.

Der berühmte französische Historiker und Politiker Jean Jaurès (https://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Jaur%C3%A8s#Leben_und_Werk) sagte einmal: Die größten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben können.
Durch diese Worte wird deutlich: hier wird nicht nur Großes geleistet, hier wirkt auch echte menschliche Größe! Und deshalb möchte ich heute die Chance nutzen, allen jenen zu danken, die sich seit vielen Jahren in der Beratungsstelle für die Frauen stark machen. All jenen, die Hilfe leisten, Not erkennen und zur Stelle sind danke ich für ihre Stärke und ihren Einsatz. Sie können wahrlich Hoffnung geben und wie heißt es oft so treffend: Wo Hoffnung ist, ist Leben.

Sicher sind das Leid und die Schicksale, die Ihnen bei der Arbeit begegnen, nur mit innerer Fassung, viel Mut und Herzenswärme zu ertragen. Sie setzen hier ein Symbol für die Menschlichkeit und gegen die Grausamkeit und Kälte.

Ich bewundere Ihre kompetente Arbeit aufrichtig – ob sie nun ehrenamtlich oder hauptamtlich erfolgt. Sie ist von unschätzbarem Wert für jede einzelne Frau, die ihren Peinigern entkommen konnte. Sie ist aber auch von riesigem Wert für unsere Gesellschaft, die dringend ein warmes Licht der Hoffnung in der Dunkelheit des Verbrechens und der Gefühlskälte benötigt.

Ich sage deshalb von ganzem Herzen: DANKE! Und herzlichen Glückwunsch zu ihrem 20-jährigen Bestehen! Für die Zukunft wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg sowie die nötige Kraft, Zuversicht und innere Wärme für diese anspruchsvolle und wichtige Aufgabe!