zur Hauptseite Frauenhilfe Westfalenzur Hauptseite Frauenheim Wengern

Startseite 90 Jahre Frauenheim WengernDaten zur EntwicklungsgeschichteInterview mit Edelgard SpiegelbergArtikel aus Unsere KircheEntwicklung aus Sicht der TrägerinDas Frauenheim Wengern heuteGrußwort Christel SchmidtGrußwort Präses Alfred BußGrußwort Rolf DrescherGrußwort Christel BenderGrußwort Stanislaw AckermanGottesdienstFotogalerieRückblick Veranstaltungen 26.08.2007

 

 

 

 

Text drucken
Gottesdienst 22.04.2007, Jubiläum 90 Jahre Frauenheim Wengern

Misericordias Domini
Die Erde ist voll der Güte des Herrn (2. Sonntag nach Ostern) Joh 21 1-14

1 Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so:

2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger.

3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.

4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.

5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.

6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.

8 Die Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.

9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot.

10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!

11 Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.

12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.

13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische.

14 Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Liebe Festgemeinde, Schwestern und Brüder,

was brauchen Menschen zum Leben? Brauchen sie Möbel eines schwedischen Einrichtungshauses, um vom Wohnen zum Leben zu gelangen? Brauchen sie Policen einer bestimmten Versicherung, die eine Schutzengelgarantie gibt? Brauchen sie ein Mindesteinkommen erstritten zwischen Sozialverbänden und Politik? Brauchen sie Zugang zur Informationsfülle des World Wide Web jederzeit, überall?
Was brauchen Sie zum Leben?

Sieben Menschen waren beieinander - Simon Petrus, der sprichwörtliche ungläubige Thomas, Nathanael, die Söhne des Zebedäus und zwei andere Jünger. Sie waren beieinander. Sie waren mit Jesus unterwegs gewesen. Sie hatten miterlebt, wie er mit den Menschen sprach, wie er sie berührte, wie er ihnen Hoffnung gab und Zukunft eröffnete; wie er sie heil und satt machte. Sie hatten alles für die gemeinsame Sache aufgegeben: Ihre Berufe, ihre Familien. Und dann hatten sie alles verloren.
Voller Panik waren sie davongelaufen, als sie Jesus wie einen Verbrecher hinrichteten. Sie gingen zurück und versuchten da weiterzumachen, wo sie vor der Zeit mit Jesus aufgehört hatten.

Sie gingen an den See Tiberias und fischten. Sie fingen nichts - ihr Alltag hatte sie wieder. Die ganze Nacht waren sie draußen gewesen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie mühen sich ab - aber nichts kommt dabei heraus. Alles vergeblich - Enttäuschung, Ärger, Erschöpfung, Leere. Jesus trat ans Ufer - im Morgengrauen, als die Müdigkeit am größten und die Nacht am kältesten war. Die Jünger ahnen nicht, dass Jesus ihnen jetzt so nahe ist. „Kinder habt ihr nichts zu essen? - Werfet aus, so werdet ihr fischen.“ Die Nacht vergeht.

Das Morgengrauen beginnt mit einem Auftrag und mit einem Versprechen, einer Verheißung. Die Jünger müssen es jedoch wagen. Sie müssen die Kraft aufbringen, noch einmal mit ihren klammen und zerschundenen Händen nach den Netzen zu greifen. Sie gehen das Risiko ein, wieder nichts zu fangen, sich lächerlich zu machen, weil sie auf das Wort eines Fremden hin wieder raus fahren, obwohl sie sehr genau wissen, dass die Aussicht auf Erfolg nach Sonnenaufgang immer geringer wird.
„Er ist der Herr“ - die Sieben fangen nicht nur mehr Fische als je zuvor, mehr als sie brauchen, um satt zu werden, sie erkennen in dem Fremden am Ufer den Auferstandenen. Er war in dieser Nacht in ihrer Nähe. Er wusste, dass sie nichts gefangen hatten. „Kommt haltet das Mahl“ - Jesus wie eine fürsorgliche Mutter, wie ein besorgter Vater, wie eine liebevolle Freundin, wie ein treuer Freund. Er hat Feuer gemacht, an dem sie sich wärmen können. Er hat Fische aufgelegt und Brot, damit es warm und weich und wohlschmeckend ist.

Was brauchen Menschen zum Leben?

  • Menschen brauchen die Gemeinschaft derer, die ihre Ziele und Hoffnungen, ihre Ängste und ihre Enttäuschungen, ihre Erfolge und ihr Versagen mit ihnen teilen. Sie waren beieinander - wie gut, wenn wir das voneinander sagen können.
  • Menschen brauchen einen Ort, an dem sie ihre Heimat haben; einen Ort, an den sie immer wieder zurückkehren können; an dem sie sich sicher fühlen; an dem ihnen Lebens- und Arbeitsabläufe vertraut sind. Ich will fischen gehen - dann wollen wir mit dir gehen. Wie gut, wenn wir so einen Ort haben.
  • Menschen brauchen Aufmerksamkeit, liebevolle Zuwendung und Nahrung. Habt ihr nichts zu essen? Die erste Frage des Auferstandenen gilt den elementaren Lebensbedürfnissen der Menschen. Die Auferstehung Jesu hat mit dem Hunger der Menschen zu tun; mit ihrem Hunger nach Fisch und Brot und nach Zuwendung und Aufmerksamkeit. Hoffentlich sind wir niemals zu satt für diese Frage.
  • Menschen brauchen ein Lebensziel, eine Hoffnung, die sie treibt. Jesus wendet sich mit seinem Auftrag nicht an die Ausgeruhten, nicht an die Optimisten voller Tatendrang.
  • Menschen brauchen die Nähe des auferstandenen Christus, Nähe, die wärmt und sinnlich erfahrbar ist; Nähe, die aufatmen lässt, die ausruhen und neue Kraft schöpfen lässt. Die Nähe des Auferstandenen muss fühlbar sein, sie kann nicht nur als Predigt oder dogmatische Aussage daher kommen.

Der Auferstandene setzt Menschen in Bewegung. Sie müssen sich allerdings einlassen und sich aussetzten - erst am Ende steht die Erkenntnis: Es ist der Herr. Auferstehung und Abendmahl am Arbeitsplatz, im Alltag der Gemeinschaft.

Das Jubiläum des Frauenheims Wengern in österlicher Zeit zu feiern fordert uns heraus, uns niemals abzufinden; uns nicht abzufinden mit dem scheinbar endgültigen Verlust von Menschen, Ideen, Hoffungen - sie bleiben uns als herausfordernde Gestaltungskraft. Das Jubiläum in österlicher Zeit fordert uns auf, es immer noch einmal und noch einmal zu versuchen. Jubiläum in österlicher Zeit zu feiern fordert uns heraus, uns niemals abzufinden mit Misserfolgen, Müdigkeit und Resignation.

Die Aufforderung zum Weiterarbeiten und Weiterhoffen und Weitervertrauen trifft Menschen nicht immer ausgeruht und voller Elan und Tatendrang - siehe oben die Sieben auf dem See Tiberias. Das Jubiläum in österlicher Zeit zu feiern fordert uns heraus, Schuld, Versagen und Verrat nicht auszublenden oder zu verdrängen.
Wir wurden, was wir sind, auch durch sie. Zugelassen und ausgesprochen, dem Erbarmen Gottes und der Vergebung der Menschen angetragen, können sie unsere Aufmerksamkeit schärfen für das, was Menschen zum Leben brauchen.

Aufstand, Aufstehen, Auferstehen - alles, was dem Leben dient, der Lebendigkeit, dem Recht auf Teilhabe auf Leben, auf heiles und unversehrtes Leben, auf Leben in Würde und Gemeinschaft - alles was dem Leben dient, hat den Tod Jesu überdauert.
Für das, was dem Leben dient und was Menschen zum Leben brauchen, sind wir in der Nachfolgegemeinschaft der Christinnen und Christen verantwortlich - in der Kirche, in der Diakonie, in der Gemeinde, in der Frauenhilfe, im Frauenheim, in der ökumenischen und politischen Verantwortung. Aufstand, Aufstehen, Auferstehung - sie sind es, die uns in Bewegung halten. Sie sind uns bleibende Herausforderung, nicht die Frage der Strukturen, der Finanzierung, der politischen Rahmenbedingungen.

Wir sind auf der Suche - so überschreibt die Theologin Luzia Sutter Rehmann ein Gedicht zur Einführung in ein Buch über Auferstehung:

Wir sind auf der Suche
nach der Kraft,
die uns aus den Häusern,
aus den zu engen Schuhen
und aus den Gräbern treibt.

Aufstehen und
mich dem Leben in die Arme werfen -
nicht erst am jüngsten Tag,
nicht erst, wenn es nichts mehr kostet
und niemandem mehr wehtut.

Sich ausstrecken nach allem,
was noch aussteht,
und nicht nur nach dem Zugebilligten.
Uns erwartet das Leben.
Wann, wenn nicht jetzt?

(Luzia Sutter Rehmann, Sich dem Leben in die Arme werfen)

Uns erwartet das Leben - diese österliche Verheißung, dieser österliche Jubelruf ist eine Festtagsbotschaft, ist eine Jubiläumsbotschaft, die sich seit den Erfahrungen der Fischer auf dem See Tiberias als alltagstauglich erwiesen hat. Uns erwartet das Leben - uns alle! Amen

Angelika Weigt-Blätgen
 

Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. Feldmühlenweg 19 59494 Soest
Tel.: 02921 371-0 Fax: 02921 4026 e-Mail: info@frauenhilfe-westfalen.de