Grußwort von Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl

Sehr geehrte Frau Reiche,
sehr geehrte Damen und Herren,

Prostitution, "das älteste Gewerbe der Welt", ist kein Beruf wie jeder andere.

In den Ballungsräumen wie in Ostwestfalen-Lippe gilt: Prostitution wird geduldet, aber nicht geachtet.

Und es sind in erster Linie Frauen, die offen oder im Geheimen in der Prostitution arbeiten - unter oft schwierigen Bedingungen: Stigmatisierung und Diskriminierung, finanzielle und emotionale Abhängigkeit, gesundheitliche Sorgen, Gewalt, Doppelleben.

Die Gründe, warum eine Frau als Prostituierte arbeitet, sind ebenso vielfältig wie die Gründe, warum sie im Gewerbe bleiben will oder aussteigen möchte - und ebenso vielfältig sind die damit verbundenen Fragen und Probleme.

Die Prostituierten brauchen Vertrauenspersonen, an die sie sich wenden können, um uneigennützig Rat und Hilfe zu erhalten.

Sie brauchen auch hier in Ostwestfalen-Lippe eine kompetente Beratungsstelle, wie es sie in Dortmund und Bochum schon lange gibt.

Darum:
Herzlich Willkommen, "Theodora"!

Ich danke allen, die sich in den vergangenen Monaten und Jahren für dieses Projekt eingesetzt haben. Es brauchte einen langen Atem, um "Theodora" möglich zu machen.

Und es hat sich gelohnt. Der Bedarf ist da und die Beratungsstelle der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. wird die Prostituierten ebenso wie alle weiteren Partner überzeugen.

Sehr geehrte Frau Reiche,

seit 1997 setzen Sie sich mit großem sozialem Engagement für die Opfer von Menschenhandel ein.
Sie haben mir und der damaligen Landrätin Curländer bei unserem Besuch die Arbeit von "Nadeschda" sehr anschaulich vorgestellt.

Ihre Erfahrungen haben gezeigt, dass es keine Grenze zwischen Menschenhandel und Prostitution gibt. Neben "Nadeschda" wird eine allgemeine Prostituiertenberatung hier vor Ort gebraucht, um die langen Wege in die Ballungszentren zu vermeiden.

Ich freue mich, dass Ihr Konzept überzeugte und im Januar dieses Jahres die Finanzierung über die "Aktion Mensch" und weitere Organisationen stand. Zunächst für drei Jahre, aber ich bin optimistisch, dass dieses Projekt auf Dauer besteht.

"Theodora" und "Nadeschda", werden nicht nur räumlich eng zusammenarbeiten - wie zwei Schwestern, wie Sie es treffend sagen, Frau Reiche.

Seit dem 1. März hat das Team sein Büro in der Bielefelder Str. 25 bezogen. Und die drei Kolleginnen bieten nicht nur dort ihre Hilfe an; sie sind auch ganz gezielt vor Ort - eben da, wo Prostitution stattfindet.

Sie wollen Ansprechpartnerinnen für die Prostituierten sein, für ihre ganz besonderen Sorgen und Nöte. Sie beraten Frauen, die in der Prostitution bleiben wollen, ebenso wie Ausstiegswillige.

Wenn Frauen den Ausstieg suchen, stehen sie vor einem großen Berg voller Fragen. Da sind finanzielle und/oder familiäre Probleme und gesundheitliche Belastungen. Die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt sind schlecht, fehlt es doch oft an schulischer Bildung oder Berufsausbildung.

Kurz: Die Startposition, den Ausstieg zu schaffen, ist schlecht - auch ohne zusätzliche Probleme, wie z.B. Drogenabhängigkeit. Der Ausstieg ist ein langwieriger Prozess - vielfach gefährdet und vom Scheitern bedroht. Auch hier braucht "Theodora" einen langen Atem, um individuelle Wege zu suchen.

Ich wünsche dem gesamten "Theodora"-Team all` den Mut und die Kreativität, die Hartnäckigkeit und Gelassenheit, den Humor und die Überzeugungskraft, die es Tag für Tag braucht, um gemeinsam Schritt für Schritt voran zu kommen - auch in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen der Region.

Sehr geehrte Frau Reiche,
sehr geehrte Damen und Herren,

die Landesregierung wird den Schutz von Prostituierten verbessern. Im Dezember 2010 hat das Kabinett die Einrichtung eines "Runden Tisches Prostitution" beschlossen. Die Federführung hat das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern weiterer Landesministerien, kommunaler Spitzenverbände, Beratungsstellen und der Prostituierten selbst sollen Wege gefunden werden, das Selbstbestimmungsrecht und die Sicherheit von Prostituierten zu stärken. Der "Runde Tisch" hat erstmalig im Januar getagt.

"Theodora" wird die weitere Entwicklung aufmerksam beobachten und sich genauso konsequent für die Rechte der Prostituierten einsetzen, wie es ihre kaiserliche Namensgeberin in Byzanz 500 n. Chr. getan hat.

Viel Erfolg!