Der sechste Reisetag begann mit der Fahrt aus Taipeh in südlicher Richtung. Vorbei an Wohnblöcken, Fabriken, Industrieanlagen wurde es bald ländlicher und noch grüner. Nach einer guten Stunde Busfahrt legten wir einen kurzen Stopp zu Studienzwecken an einem Autobahn-Rasthof ein. Die Toiletten waren Hauptattraktion und das zurecht. Nicht nur waren sie in mehr als ausreichender Zahl vorhanden, kostenfrei und sauber, in der Wintersaison sind hier sogar die WC-Brillen mollig warm weil beheizt. Sehr Service-orientiert! Vorbei an Reisfelder und Gemüse-Anbau erreichten wir nach kurzer Fahrt die Teeplantage, die schon auf unsere Arbeitskraft gesetzt hatte. Die Gruppe wurde mit geeistem Tee versorgt und bekam eine kurze Einführung über den Standort. Ausgestattet mit Ärmelschonern, Bambus-Hüten mit passenden Kopftüchern in farbenprächtigem Blütendesign und Pflückkörben ging es in die Teeplantage. Nur die obersten zwei Blättchen der Teepflanzen sollten von jeder Frau eigenhändig gepflückt werden. Eine besondere Erfahrung, die noch niemand selbst von den weitgereisten Teilnehmerinnen vorweisen konnte. Nach einer halben Stunde wurde die Arbeit beendet. Das einhellige Fazit: von dem Resultat könnte keine von uns überleben. Auch die übrigen Schritte der Tee-Verarbeitung konnten wir erleben oder sogar selbst in die Hand nehmen: rösten, rollen, trocknen und verpacken. Am Ende der kurzweiligen Aktion hatte jede Frau ihren eigenen Grüntee in Händen, individuell mit mehr oder weniger phantasievollem Produkt-Namen versehen. Ein traditionelles Mittagessen der Hakka-Volksgruppe vervollständigte die Erfahrung. Sicherheitshalber wurde von Profis geernteter, verarbeiteter und verpackter Tee zusätzlich erworben. Vielleicht hatte die Teeplantage doch klugerweise eher auf unsere Kauf-, denn unsere Arbeitskraft gesetzt.
Weiter ging es in die Berge zum Sonne-Mond-See. Die Vegetation änderte sich, jetzt säumten Betelnuss-Palmen, verschiedenste Bäume, Büsche und Farne den Straßenrand. Am späten Nachmittag genossen wir bei lauer Luft und weichem Licht der untergehenden Sonne eine Bootsfahrt auf dem See. Bei einem Stopp erreichten wir nach kurzem Aufstieg den Xuan Zang Tempel. Der kleine Bau ist dem Mönch, Gelehrten und Übersetzer wichtiger buddhistischer Schriften gewidmet. Im 7. Jahrhundert wanderte er durch Indien und brachte Lehrtexte mit in seine chinesische Heimat. Nach einer kleinen Odyssee über Japan fanden seine Reliquien am Sonne-Mond-See eine Stätte der Ruhe und Verehrung. Auf der Bootsfahrt zurück zum Heimathafen meditierten wir etwas über die unterschiedlichsten, manchmal erstaunlichen Formen von Verehrung. Angeregt nicht zuletzt auch durch eine weithin sichtbare Statue der Mutti von ChiangKai-Shek.
Ein kleines Gruppenfoto mit dem Kapitän des Schiffchens beendete den offiziellen Tag. Zumindest bei diesem Punkt fügen wir uns schon sehr geschmeidig in die hiesigen Gebräuche ein. Das Teepflücken hingegen würden wir wohl noch trainieren müssen.