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Grußwort Erhard Ebmeier
Leiter Kriminalkommissariat 21 (OK)

Guten Morgen meine Damen und Herren!

Und ganz besonders möchte ich heute Sie/Euch, die Mitarbeiterinnen von Nadeschda, begrüßen und meinen Dank aussprechen. Meinen Dank für die geleistete Arbeit und die gute Zusammenarbeit. Daneben möchte ich natürlich alle Angehörigen der Ev. Frauenhilfe Westfalen begrüßen, die dafür gesorgt haben, dass es diese Einrichtung gibt und dass sie funktioniert. An diese Adresse auch noch einmal vielen Dank für die Einladung.

Heute geht es darum, das 10-jährige Bestehen von Nadeschda zu feiern.
Oder sollte ich besser sagen zu würdigen?
Denn der Anlass für die Einrichtung, der Menschen- bzw. Frauenhandel, ist sicherlich nicht feierlich, aber dass es NADESCHDA nun seit 10 Jahren gibt, darüber dürfen wir uns freuen und das ist auch ein Grund zu feiern.

Die bisher geleistete Arbeit war hervorragend. Man bedenke nur, wie schwierig und zeitintensiv sich diese Tätigkeit gestaltet, gegen welche bürokratischen Hürden angekämpft werden muss und welches menschliche Einfühlungsvermögen notwendig ist, um bei den betroffenen Frauen Vertrauen zu gewinnen. Und genau diese Arbeit gilt es heute hier zu würdigen.

Zwangsläufig stellt man sich die Frage, welche Bedeutung hat denn diese Arbeit, für die Polizei? Und gerade hier in OWL? Um es kurz zu machen, ich kann es Ihnen verraten: Eine Große!
NADESCHDA bietet Unterstützung. Unterstützung darin, Hilfe und Sicherheit im Umgang mit Opfern von Menschenhandel zu bekommen. Aus unserer, aus polizeilicher Sicht würde ich es als eine Art „kleinen Zeugenschutz“ oder „große Opferhilfe“ bezeichnen.

Doch wie hat alles angefangen? Wagen wir doch mal einen Blick zurück.
Durch die Öffnung der Grenzen nach Osteuropa hatten wir, die Polizei, es immer mehr mit - naturgemäß meist weiblichen - Opfern zu tun, die im Rahmen der Verfolgung von Straftaten rund ums „Rotlicht“ dringend Hilfe benötigten. Sie waren „gestrandet“, „gestrandet“ an den Klippen der deutschen Behörden und Gesetze ohne sich dagegen wehren zu können. Aus eigener Kraft waren die gestrandeten Frauen, Opfer eines brutalen unmenschlichen Milieus, nicht mehr in der Lage, diesem zu entfliehen.
Die Angst vor Zuhältern, Menschenhändlern und der finanzielle Druck waren so stark, dass viele den endgültigen Ausstieg einfach nicht geschafft hätten.

Außerdem gab es ein großes Problem. Es gab sehr viele Opfer und jede Menge Ermittlungsansätze, aber die Frauen wollten als Zeuginnen nicht aussagen.
Kam es zum Prozess gegen die Zuhälter, Ausbeuter und Hintermänner, waren die Zeuginnen entweder verschwunden oder schwiegen aus Angst.
Das zweite große Problem war ihre Rolle. Sie waren Opfer gleichzeitig Täter.
Das brachte die unglückliche und schwierige Gesetzeslage mit sich. Sie waren Opfer des Menschenhandels und Täter wegen ihres meist illegalen Aufenthaltes in Deutschland.

Die jungen Frauen, manchmal noch minderjährig, waren direkt aus dem Osten Europas als „Ware Mensch“ in die Bordelle, Bars und Terminwohnungen von OWL verbracht worden. Die Ursachen dafür reichten von falschen Versprechungen und Zwang bis hin zur mehr oder weniger freiwilligen Prostitution. Teils auch angetrieben von der eigenen Abenteuerlust und das „schnelle Geld zu machen“ ließen die Opfer alles Warnsignale ausser acht und begaben sich in den „goldenen Westen“.
Doch es kam meist anders als sie es sich erhofft hatten. Sie landeten in den Fängen von Zuhältern, Menschenhändlern und Bordellbetreibern, die nur eins im Sinn hatten: Die Frauen ausbeuten.

Doch zurück zu den „Nadeschdas“ und ihren Anfängen.
Man sollte wissen, Polizisten sind skeptische Mitbürger, das liegt in der Natur der Sache. Sie müssen von Taten durch Ergebnisse überzeugt werden. Insbesondere dann, wenn „mal wieder“ eine bis dahin völlig unbekannte Organisation auftaucht, die zudem den bis dahin für uns sehr nebulösen Namen „Nadeschda“ trägt.
Schlimmer noch, eine ein paar junge Damen aus dem Bereich der typischen Sozialberufe, mit denen man nicht immer gute Erfahrungen gemacht hatte. Und gerade die wollen sich an Dinge herantrauen, an denen bisher einige gescheitert sind und bei denen natürlich auch die Polizei schon ihre erhebliche Problem hatte.

War es doch bisher dem persönlichen Engagement der ermittelnden Beamtinnen und Beamten überlassen worden, aus der Opferzeugin eine „stabile Zeugin“ zu machen. Von einer Betreuung der Opfer gar nicht zu sprechen. Sie fand mehr oder weniger, ich würde sagen, eher nicht statt.

Fragen wurden laut wie z.B:
Wie wollen die denn den „Prostis“ helfen? Die haben doch gar keine Ahnung, was in dem Bereich „Rotlicht“ abgeht, wissen die überhaupt, auf was die sich da einlassen?
Außerdem werden sie von der „Kirche gesponsert“. Was hat die denn mit Prostituierten zu tun? Will man ihnen ins Gewissen reden und sie läutern und bekehren? Kann man das überhaupt zulassen, dass die sich da einmischen? Wissen die überhaupt wovon sie sprechen?

Schließlich gab es ja auch vorher schon Versuche, den Frauen von Seiten sozialer Einrichtungen oder einzelner engagierter Personen zu helfen. Diese Vorhaben scheiterten spätestens im Räderwerk der Zuständigkeiten zwischen Gemeinden, Städten und Kreisen und einem nicht zuletzt zu kurz greifendem Konzept.
Diese Erfahrung war uns präsent.

Doch diesmal kam es anders.
Bei den ersten größeren gemeinsamen Aktionen, in denen die NADESCHDAs eingebunden waren, es waren zeitgleiche Durchsuchungen und Razzien in einer Bar in Vlotho, eines Bordells in Harsewinkel und einer Terminwohnung in Minden, wurden wieder Prostituierte aus Osteuropa angetroffen und diesmal an die NADESCHDAs vermittelt. Zu unserer aller Überraschung hatten sie es geschafft, die Frauen schnell und sicher unterzubringen.

Und nicht nur das, es folgte eine Art „Rund-um-Betreuung“. Wir mussten uns nicht wie sonst neben den ohnehin schon schwierigen Ermittlungen mit den Zuständigkeitsproblemen der Kommunen rumschlagen und um Sozialhilfe o.ä. für die Frauen „betteln". Die NADESCHDAs gingen mit den Opfern von Amt zu Amt, erstritten sich die zustehenden Gelder für eine sichere Unterbringung und bemühten sich in vorbildlicher und professioneller Weise um sie. Aus den eingeschüchterten Opfern wurden gerichtsfeste Zeuginnen. Nicht zuletzt auch durch die Sprachkenntnisse, z.B. polnisch oder russisch, konnten die NADESCHDAs Vertrauen zu den Opfern aufbauen.

Und wir stellten zu unserer Verwunderung fest:
Mit den NADESCHDAs kann man ja „ganz normal“ reden, Dinge abklären und Vorgehensweisen der Polizei abstimmen. Sie standen im Leben und auch unsere Zielsetzung war durchaus miteinander vereinbar. Eine derartige konstruktive Zusammenarbeit war neu für uns.

Das hatte uns überzeugt.
Und dies sprach sich in natürlich bei den Ermittlern herum. In die Einsätze, in denen mit Opferzeuginnen zu rechnen war, ganz egal ob in Minden, Gütersloh, Lippe, Herford oder Bielefeld, wurde NADESCHDA eingebunden und um Rat gefragt. Viele Frauen wurden an sie vermittelt und konnten betreut werden. Nicht zu vergessen ist die wichtige Arbeit der Prozessbegleitung. Gerade das war in der Vergangenheit ein kritischer Punkt für die Opferzeuginnen, wenn sie vor Gericht oder bereits im Gerichtsflur ihren Zuhältern, Vergewaltigern und Peinigern gegenüber saßen. Oft war die direkte Anwesenheit der Täter und im Nahbereich der Opfer der Auslöser, doch nicht bei Gericht auszusagen. Aber die Damen der Prozessbegleitung nahmen sich dieser Dinge an und setzten sich, vielfach sehr rigoros und lautstark für ihre „Schützlinge“ ein.

Nach all den Jahren hat sich eine Professionalität in der Zusammenarbeit mit NADESCHDA entwickelt. Sie sind bei uns, der Polizei in OWL, zu einer unverzichtbaren Hilfe geworden. Dafür möchte ich nochmals meinen Dank aussprechen. Ich wünsche mir auch für die Zukunft, dass die Zusammenarbeit so weiter geführt wird und in diesem Sinne weiter entwickeln möge.

Herzlichen Glückwunsch NADESCHDA zum 10-jährigen Bestehen.
 

Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. Feldmühlenweg 19 59494 Soest
Tel.: 02921 371-0 Fax: 02921 4026 e-Mail: info@frauenhilfe-westfalen.de